Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung. Kündigungsausschluss. Insolvenz. Abbau von Personal zur Abwendung einer Insolvenz führt zu betriebsbedingten außerordentlichen Kündigungen. Alleiniger Vortrag zu Einsparungen im Verwaltungsbereich zwecks Abwendung der Insolvenz ist zur betriebsbedingen außerordentlichen Kündigung nicht ausreichend
Leitsatz (amtlich)
Einzelfallentscheidung zur betriebsbedingten außerordentlichen Kündigung zur Abwendung einer Insolvenz
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1
Tenor
Es wird festgestellt, dass die außerordentliche Kündigung vom 25.1.2011 das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht beendet hat.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Der Streitwert beträgt 9.715,00 EUR.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung.
Der 29 jährige, ledige Kläger trat zum 1.4.2005 als Mitarbeiter der Verwaltung in die Dienste der Beklagten, die ein akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Düsseldorf mit über 22 Kliniken und Instituten mit 1.034 Planbetten an vier Standorten mit ca. 1.785 Arbeitnehmern betreibt. Zuletzt verdiente der Kläger monatlich 2.217,19 EUR brutto.
Auf das Arbeitsverhältnis finden die Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (nachfolgend: AVR) Anwendung.
In den Jahren 2007 und 2008 zahlte die Beklagte in Abstimmung mit der Mitarbeitervertretung (nachfolgend: MAV) nicht das in den AVR an sich vorgesehene Weihnachtsgeld. In einer Dienstvereinbarung vom 29.12.2009 stimmte die MAV erneut dem Antrag der Arbeitgeberin zu, die Weihnachtsgeldzahlung für das Jahr 2009 entfallen zu lassen. Unter § 2 Abs. 1 wurde weiter geregelt:
„Bis zum 31.12.2011 verzichtet der Dienstgeber auf das Recht zu einer betriebsbedingten Kündigung.”
Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage B 4 zur Klageerwiderung Bezug genommen.
Am 28.12.2010 unterzeichneten die Beklagte und ihre MAV eine „Dienstvereinbarung über Auswahlrichtlinien des Personalabbaus in der L.” und eine „Dienstvereinbarung über einen Sozialplan”.
In der Dienstvereinbarung über Auswahlrichtlinien wurde unter Präambel folgendes vereinbart:
„Die Dienstgeberin kann ihre vier Krankenhäuser T., C., W. und N. kaum wirtschaftlich betreiben. Deshalb haben die Dienstgeberin und die bei ihr gebildete MAV bereits am 29. Dezember 2009 eine Dienstvereinbarung über den Verzicht auf Weihnachtszuwendungen geschlossen. Ziel war es, durch diese Einsparung Arbeitsplätze zu erhalten und einen Abbau der vorhandenen Personalüberhänge durch betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden. Die notwendigen Personalanpassungen sollten auf natürlichem Wege erreicht werden.
Am 21. Oktober 2010 hat die arbeitsrechtliche Kommission des Deutschen Caritasverbandes eine Änderung der AVR beschlossen. Diese bedeutet für die Dienstgeberin erhebliche Mehrkosten. Sie gefährden die Dienstgeberin in ihrem Bestand. Die Geschäftsleitung der Dienstgeberin hat sich deshalb entschlossen, entgegen den ursprünglich mit der MAV getroffenen Absprachen nunmehr betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen.
Die MAV nimmt die Entscheidung der Geschäftsleitung zur Kenntnis. lhr ist bewusst, dass sie den Personalabbau letztlich nicht verhindern kann. Die Dienstgeberin und die Mitarbeitervertretung sind nach sorgfältiger Prüfung der wirtschaftlichen und finanziellen Lage der Einrichtung und des Rechtsträgers unter Hinzuziehung sachkundiger Personen darüber einig, dass ein kurzfristiger Personalabbau zur Vermeidung der konkreten Gefahr einer Insolvenz notwendig ist.”
Unter Nr. 2 heißt es:
„Die Dienstgeberin wird die Arbeitsverhältnisse von 121 Mitarbeitern schnellstmöglich aus betriebsbedingten Gründen beenden. Die Dienstgeberin strebt an, diese Beendigungen einvernehmlich mit den Mitarbeitern durch Aufhebungsverträge herbeizuführen. Soweit Kündigungen erforderlich sind, wird die Dienstgeberin gegenüber
Mitarbeitern, die unter den Geltungsbereich der Dienstvereinbarung vom 29. Dezember 2009 fallen, außerordentlich unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist, die der jeweiligen in den AVR vorgesehenen Kündigungsfrist entspricht,
allen übrigen Mitarbeitern unter Einhaltung der jeweiligen in den AVR vorgesehenen Kündigungsfrist
kündigen. Alle Beendigungen sollen spätestens zum Ablauf des 30. September 2011 erfolgt sein.
Der zur Vermeidung der konkreten Gefahr einer Insolvenz notwendige Personalabbau soll nach dem Willen der Mitarbeitervertretung durch Regelungen in Form eines Aufhebungsvertrages (ggf. bei gleichzeitigem Abschluss eines Arbeitsvertrages mit einer Transfergesellschaft, sog. Dreiseitiger Vertrag) erreicht werden.
Die MAV weist in diesem Zusammenhang auf die Dienstvereinbarung vom 29. Dezember 2009 hin, die unverändert gilt.
[…]
Für außerordentlich betriebsbedingte Kündigungen, die durch die Dienstgeberin angesichts der Insolvenzgefahr erklärt werden, fehlt eine höchstrichterliche Rechtsprechung. Die Erfolgsaussichten eines Kündigungsrechtsstreits sind damit ungewiss.”
Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlag...