Leitsatz
1. Als außergewöhnliche Belastung geltend gemachte, einzeln nachgewiesene Kosten schwer geh- und stehbehinderter Steuerpflichtiger sind nur angemessen i.S.d. § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG, soweit sie die in den EStR und LStR für die Berücksichtigung von Kfz-Kosten als Werbungskosten und Betriebsausgaben festgesetzten Pauschbeträge nicht übersteigen.
2. Decken die Pauschbeträge wegen der nur geringen Jahreskilometerleistung nicht die tatsächlichen Aufwendungen, kann der behinderte Steuerpflichtige anstelle der Pauschbeträge die Kosten, die ihm für Fahrten mit einem – behindertengerechten – öffentlichen Verkehrsmittel, ggf. auch mit einem Taxi, entstanden sind, als außergewöhnliche Belastung geltend machen.
Normenkette
§ 33 EStG , § 33b EStG
Sachverhalt
Der Kläger ist zu 100 % schwerbehindert und außergewöhnlich gehbehindert (Merkmale "a.G." und "H."). In der Einkommensteuererklärung für 2001 machte er Kfz-Kosten in Höhe von 8.146 DM als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG geltend. Bezogen auf die Fahrleistung im Streitjahr von 3.601 km ergaben sich daraus Kosten in Höhe von 2,26 DM pro Kilometer.
Das FA berücksichtigte die Kfz-Kosten nur in Höhe von 2.089 DM, weil ein höherer Ansatz als der Kilometer-Pauschbetrag mit 0,58 DM/km unangemessen sei. Das FG gab der Klage statt. Die Revision des FA führte zur Klageabweisung.
Entscheidung
Ein höherer Abzugsbetrag von 0,58 DM je gefahrenen Kilometer sei unangemessen. Aus der gesetzlichen Begrenzung der abziehbaren Kfz-Aufwendungen auf einen angemessenen Betrag folge, dass auch der schwer Geh- und Stehbehinderte grundsätzlich keinen Anspruch darauf habe, für seine Fortbewegung außerhalb des Hauses stets die tatsächlich entstandenen Kosten für die Benutzung eines privaten Kfz als außergewöhnliche Belastung abzuziehen.
Hinweis
Steuerpflichtige, die so gehbehindert sind, dass sie sich außerhalb des Hauses nur mit Hilfe eines Kfz bewegen können, dürfen nach Ansicht des BFH grundsätzlich alle Kfz-Kosten für private Fahrten neben den Pauschbeträgen für Körperbehinderte (§ 33b EStG) als außergewöhnliche Belastung geltend machen. Begrenzt ist der Abzug allerdings auf Kosten für Fahrten bis zu 15.000 km im Jahr und nur bis zur Höhe der Kilometerpauschbeträge, die in den EStR und LStR für den Abzug von Kfz-Kosten als Werbungskosten oder Betriebsausgaben festgelegt sind; im Streitjahr waren dies 0,58 DM (jetzt: 0,30 Euro). Diese Rechtsprechung führt, bedingt durch den Wandel der gesellschaftlichen Verhältnisse, zu einer Begünstigung schwer Geh- und Stehbehinderter, die durch § 33 EStG eigentlich nicht mehr gedeckt ist. Denn danach können nur die Mehraufwendungen abgezogen werden, die diesem Personenkreis wegen seiner Behinderung entstehen. Mittlerweile halten die meisten Einkommensbezieher, auch die weniger verdienenden, ein privates Kfz und tragen die Aufwendungen dafür aus versteuertem Einkommen. Da bei schwer Gehbehinderten sämtliche Kfz-Kosten bis zu einer Fahrleistung von 15.000 km als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen sind, werden bei diesem Personenkreis Fahrtaufwendungen steuermindernd berücksichtigt, die Nichtbehinderten ebenfalls entstehen, ohne sich aber steuerlich auszuwirken. Angesichts der langjährigen Rechtsprechung, der die Finanzverwaltung folgt, hält der BFH zwar an den Grundsätzen fest, lehnt aber eine Ausdehnung dieser Rechtsprechung ab.
Mit diesem Urteil hat der BFH entschieden, dass mehr als der Kilometerpauschbetrag (0,30 Euro) nicht abgezogen werden kann, und zwar auch dann nicht, wenn wegen der geringen Fahrleistung die tatsächlichen Kosten je gefahrenen Kilometer höher sind. Decken die Pauschbeträge wegen nur geringer Jahreskilometerleistung nicht die tatsächlich angefallenen Aufwendungen für die Benutzung und den Unterhalt des privaten Kfz, kann der Steuerpflichtige aber anstelle der Pauschbeträge die ihm für die Inanspruchnahme eines – behinderungsgerechten – öffentlichen Verkehrsmittels, gegebenenfalls auch eines Taxis, entstandenen Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung geltend machen (bis zu einem Höchstbetrag von 15.000 km x 0,30 Euro/km = 4.500 Euro).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 18.12.2003, III R 31/03