Leitsatz
Eine Personengesellschaft erbringt bei der Aufnahme eines Gesellschafters gegen Zahlung einer Bareinlage an diesen keine Dienstleistung gegen Entgelt im Sinn des Art. 2 Nr. 1 der 6. EG-RL.
Normenkette
Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der 6. EG-RL , Art. 17 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 5 der 6. EG-RL , Art. 19 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-RL (§ 1, § 2, § 4 Nr. 8 Buchst f, § 15 UStG)
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GbR, an der zunächst zwei GmbHs beteiligt waren, sollte als geschlossener Immobilienfonds geführt werden. Es sollten Gesellschafter mit Bareinlagepflichten in Höhe von insgesamt 38 Mio. DM zuzüglich 5 % Agio aufgenommen werden. 1991 trat C mit einer Bareinlage in Höhe des Gesamtbetrags der Gesellschaft bei. Die Klägerin begehrte vergeblich den Abzug der Vorsteuer aus einer 1991 erteilten Rechnung für rechtliche Beratung für das Fondskonzept und die Gesellschaftsgründung. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Entscheidung
Nach der Entscheidung des EuGH ist die Aufnahme eines Gesellschafters gegen Bareinlage keine Leistung der Gesellschaft oder der Gesellschafter gegen Entgelt. Für eine Sacheinlage kann insoweit nichts anderes gelten.
Entscheidungserheblich ist danach für die vom BFH im Anschluss an die Entscheidung des EuGH zu treffende Entscheidung des Falls, ob die im Zusammenhang mit der Aufnahme des Gesellschafters bzw. der Gründung der Personengesellschaft angefallenen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar sind, weil sie unmittelbar mit einer nicht steuerbaren Leistung zusammenhängen, oder ob sie entsprechend den von der Gesellschaft ausgeführten Umsätzen abziehbar sind, weil es sich um Leistungen handelt, deren Kosten zu den allgemeinen Kosten des Unternehmens und damit zu den Kostenelementen der Ausgangsumsätze der Gesellschaft gehören. Sie sollten entsprechende Fälle offen halten!
Hinweis
Der BFH hatte mit Beschluss vom 27.9.2001 (BFH-PR 2002, 65) dem EuGH die Fragen vorgelegt:
1. Erbringt eine Personengesellschaft bei der Aufnahme eines Gesellschafters gegen Zahlung einer Bareinlage an diesen eine Leistung gegen Entgelt i.S.d. Art. 2 Nr. 1 der 6. EG-RL?
2. Liegt in diesem Fall ein Hilfsumsatz gemäß Art. 19 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-RL vor und kann sich der Steuerpflichtige auf die Regelung des Art. 19 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-RL berufen, wonach derartige Hilfsumsätze den Vorsteuerabzug nicht ausschließen?
Nach bisheriger Auffassung der Finanzverwaltung und des BFH liegt bei der Gründung einer Personengesellschaft und beim Eintritt in eine derartige Gesellschaft eine Leistung der Gesellschaft gegen Entgelt i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG vor, wenn der Gesellschafter an die Gesellschaft eine Sacheinlage oder eine Geldeinlage leistet. Die Gesellschaft erbringt einen Umsatz eines Gesellschaftsanteils gem. § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG, das Entgelt des Gesellschafters besteht in der Sach- oder Geldeinlage (vgl. Abschn. 6 Abs. 2 UStR 2002). Weil die Aufnahme des Gesellschafters nicht aufgrund eines gegenseitigen Vertrags des Gesellschafters mit der Gesellschaft, sondern aufgrund eines Gesellschaftsvertrags der Gesellschafter untereinander erfolgt, war umstritten, ob es sich um eine Leistung der Gesellschaft oder der Gesellschafter handelte.
Der EuGH sah das anders: Zwar sei der Begriff der "wirtschaftlichen Tätigkeit" des Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-RL, der alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden, insbesondere auch Leistungen, die die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen umfasst, weit auszulegen.
Der Begriff der Nutzung bezieht sich ohne Rücksicht auf deren Rechtsform auf alle Vorgänge, die darauf abzielen, mit dem betreffenden Gegenstand nachhaltig Einnahmen zu erzielen. Der bloße Erwerb und das bloße Halten von Gesellschaftsanteilen ist aber nach inzwischen ständiger Rechtsprechung keine wirtschaftliche Tätigkeit im umsatzsteuerrechtlichen Sinn, weil z.B. eine etwaige Dividende allein Ausfluss des Innehabens des Gegenstands ist (Ausnahme: Eingriff des Gesellschafters in die Verwaltung der Gesellschaft, wenn er auch Dienstleistungen – sonstige Leistungen – umfasst!).
Wenn der Erwerb der Beteiligung keine wirtschaftliche Tätigkeit darstelle, müsse dasselbe für die Veräußerung solcher Beteiligungen gelten. D.h. die Aufnahme eines Gesellschafters ist daher weder eine steuerbare Leistung der Gesellschaft noch des Gesellschafters.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 26.6.2003, C-442/01 – KapHag Renditefonds –