Leitsatz
1. Zur Frage der Aufrechnung des FA gegen ein Vorsteuerguthaben der Konkursmasse im massearmen Konkurs.
2. Die Aufrechnung des FA gegen einen Vorsteuervergütungsanspruch der Konkursmasse, der sich aus der anteiligen Konkursverwaltervergütung für den Zeitraum bis zur Feststellung der Masseunzulänglichkeit ergibt, ist jedenfalls dann nicht zulässig, wenn der Konkursverwalter seinen sich bis zu diesem Zeitpunkt ergebenden Vergütungsanspruch nicht abgerechnet hat und das Bestehen eines derartigen Vorsteuerguthabens als Altforderung der Masse im massearmen Konkurs nicht festgestellt worden ist.
Normenkette
AO 1977 § 226 Abs. 1 , BGB § 387 , KO § 55 Nr. 1, § 60
Sachverhalt
Der Kläger war Konkursverwalter über das Vermögen einer GmbH. Im Mai 1994 gab er öffentlich bekannt, dass das Konkursverfahren masseunzulänglich sei. Vor und nach diesem Zeitpunkt hat der Kläger Gegenstände des Vermögens der GmbH verwertet. Nach Abzug von Vorsteuerbeträgen ergab sich für 1994 eine im Jahr 1995 fällige Umsatzsteuerschuld; für 1995 ergab sich ein Vorsteuererstattungsanspruch. Das FA verrechnete dieses Guthaben mit der rückständigen Umsatzsteuer aus 1994. Auch den in der Umsatzsteuererklärung für 1996 angesetzten, sich aus der Konkursverwaltervergütung ergebenden Vorsteuererstattungsanspruch sowie Säumniszuschläge verrechnete das FA.
Auf den Widerspruch des Klägers gegen die Aufrechnungen des FA erließ dieses einen Abrechnungsbescheid, der Gegenstand der erfolgreichen Klage ist.
Entscheidung
Der BFH hielt die vom FA erklärte Aufrechnung mit der Umsatzsteuerforderung des FA aus dem Veranlagungszeitraum 1994 für unzulässig. Denn der dieser Umsatzsteuerforderung zur Aufrechnung gegenübergestellte Vorsteueranspruch der Masse aus der Konkursverwaltervergütung sei nicht vor der Anzeige der Masseunzulänglichkeit entstanden. Er stelle vielmehr einen Neuanspruch der Masse dar, gegen den die Aufrechnung im massearmen Konkurs nach § 60 i.V.m. § 55 Nr. 1 KO analog nicht zulässig sei. Gleiches gelte für den Vorsteuererstattungsanspruch aus der Umsatzsteuerveranlagung 1995.
Eine Aufteilung des Vergütungsanspruchs des Konkursverwalters für die auf die Zeiträume vor und nach der Feststellung der Masseunzulänglichkeit erbrachten Verwaltungsleistungen sei nämlich nicht erfolgt. Sie dürfe auch im finanzgerichtlichen Verfahren nicht erfolgen. Nur das Konkursgericht dürfe aufteilen. Ob ein diesbezügliches Antragsrecht des FA bestünde, sei zweifelhaft. Jedenfalls fehle es in dem für die Zulässigkeit der Aufrechnung durch das FA maßgeblichen Zeitpunkt der Anzeige der Masseunzulänglichkeit hinsichtlich der Vorsteuer aus der Konkursverwaltervergütung mangels getrennter Abrechnung des Konkursverwalters an einem begründeten Vermögensanspruch der Masse. Zudem sei die Entstehung eines eigenständigen Vorsteuererstattungsanspruchs der Gemeinschuldnerin, der sich auf Grund des Vergütungsanspruchs des Konkursverwalters für seine Tätigkeit bis zum Zeitpunkt der Anzeige der Masseunzulänglichkeit ergäbe und gegen den das FA als Altforderung der Masse auch im massearmen Konkurs aufrechnen könnte, weder festgestellt worden noch sei ein solcher Anspruch durch Bescheid oder Umsatzsteuervoranmeldung festgesetzt worden. Die Aufrechnung des FA sei somit mit dem umsatzsteuerrechtlichen Charakter der Vorsteuer als unselbstständige Besteuerungsgrundlage nicht zu vereinbaren.
Hinweis
Die Verteilung der Masse im Fall der Masseunzulänglichkeit, dem "Konkurs im Konkurs", regelt § 60 KO, der auf den Besprechungsfall noch anwendbar war, obwohl die KO zum 1.1.1999 außer Kraft getreten ist. An die Stelle des alten § 60 KO sind inzwischen §§ 208 ff. InsO getreten; diese Vorschriften enthalten insbesondere in § 209 InsO eine u.a. insofern von § 60 KO abweichende Verteilungsregel für den massearmen Konkurs, als sie jetzt den Kosten des Insolvenzverfahrens Vorrang vor anderen Masseverbindlichkeiten einräumen. Das Problem des Besprechungsurteils hat sich damit aber auch für die Zukunft nicht erledigt.
Die §§ 53 bis 55 KO sind auf den verfahrensmäßig nicht näher geregelten "Konkurs im Konkurs" sinngemäß anzuwenden; es gelten also insbesondere die Aufrechnungsverbote des § 55 KO (jetzt mit Änderungen: § 96 InsO). Sie sollen bei der Verteilung des Vermögens einen Interessenausgleich schaffen zwischen der durch die Aufrechnungslage gebildeten Sicherung des Konkursgläubigers einerseits und dem Gebot der gleichmäßigen Gläubigerbehandlung auch im masseunzulänglichen Konkurs andererseits. Nach § 55 Nr. 1 KO ist die Aufrechnung gegen Forderungen unzulässig, welche der Aufrechnende nach Konkurseröffnung "zur Masse schuldig geworden ist" (jetzt § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Sinngemäße Anwendung bedeutet in diesem Zusammenhang, dass Massegläubiger mit ihren Altforderungen gegen die Masse weiterhin gegen solche Ansprüche der Masse wirksam aufrechnen können, die vor Anzeige der Masseunzulänglichkeit entstanden sind. Unzulässig ist dagegen die Aufrechnung
– von Altforderungen gegen Neuansprüche der Masse, di...