Leitsatz
1. Die Grundversorgung des Ruhegehalts eines ehemaligen Bediensteten des EPA ist in Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 EStG (Versorgungsbezüge) und sonstige Einkünfte gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG (Leibrente) aufzuteilen, sofern der Bedienstete von seinem Recht Gebrauch gemacht hat, eine zuvor aufgebaute Anwartschaft bei der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung auf das Versorgungssystem des EPA zu übertragen und diese Übertragung vor dem 01.01.2011 erfolgt ist.
2. Die Aufteilung des Ruhegehalts ist nach § 162 Abs. 1 Satz 1 AO zu schätzen. Hierfür kann das Verhältnis der jeweiligen ruhegehaltsfähigen Dienstzeiten zueinander einen sachgerechten Maßstab bieten.
3. Soweit das Ruhegehalt als Leibrente zu besteuern ist, ist es für Veranlagungszeiträume ab 2005 der Basisversorgung zuzuordnen (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG).
Normenkette
§ 3 Nr. 55e, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2, § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG, § 162 Abs. 1 Satz 1 AO, § 12 Abs. 3 BewG, Art. 1 Abs. 1 DurchfAbk
Sachverhalt
Der Kläger war Beamter beim EPA. Seit seinem Ruhestand bezieht er nach Maßgabe der Versorgungsordnung für das EPA ein Ruhegehalt. Vor Aufnahme seiner Tätigkeit beim EPA war der Kläger rentenversicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Er hatte die ihm eingeräumte Möglichkeit wahrgenommen, die Summe der in die BfA eingezahlten Beiträge zuzüglich 3,5 % Zinsen für jedes vollendete Jahr nach der Beitragszahlung auf das Versorgungssystem des EPA übertragen zu lassen. Dementsprechend wurde ein als "pauschaler Rückkaufwert" bezeichneter Betrag in das Versorgungssystem des EPA gezahlt. Altersversorgungsansprüche des Klägers gegenüber der BfA erloschen damit. Das EPA rechnete den gutgeschriebenen Betrag unter Anwendung eines jährlichen Zinssatzes von 3,5 % auf den Zeitpunkt der Verbeamtung des Klägers zurück. Aus dem so ermittelten Betrag leitete es zusätzliche ruhegehaltsfähige Dienstjahre von knapp 5 Jahren ab.
Das FA sah wegen der Übertragung der Anwartschaft von der BfA auf das Versorgungswerk der EPA einen Anteil von 16 % der Grundversorgung als sonstige Einkünfte gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG an und besteuerte das restliche Ruhegehalt als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Die Aufteilung der Bezüge nahm das FA nach dem BMF-Schreiben vom 3.8.1998 (BStBl I 1998, 1042) vor. Die Klage hatte keinen Erfolg, da das FG den vom FA zugrunde gelegten Aufteilungsmaßstab für zutreffend hielt (FG München, Urteil vom 24.7.2019, 9 K 2869/17, Haufe-Index 13881194).
Entscheidung
Die Revision war begründet. Die vom FG vorgenommene Aufteilung der Einkünfte hielt aus den unter den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen der Höhe nach einer rechtlichen Überprüfung nicht stand, sodass die Sache an das FG zurückverwiesen werden musste.
Hinweis
Die Besteuerung von Altersbezügen, die ehemalige Angehörige von internationalen Institutionen erhalten, bereitet oft Probleme. Im Streitfall waren die Alterseinkünfte eines früheren Beamten des Europäischen Patentamtes (EPA) zu beurteilen.
1. Im Grundsatz führt das Ruhegehalt, das von einer internationalen Organisation bezogen wird, zu Versorgungsbezügen gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 EStG.
2. Dies gilt aber nicht für Versorgungsbezüge, soweit sie auf der Übertragung von bei der BfA bzw. DRV begründeten Rentenanwartschaften beruhen. Insoweit liegen Einkünfte der Basisversorgung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG vor. Dies ist das Ergebnis einer rechtsvergleichenden Qualifizierung der internationalen Bezüge. Gegen die anteilige Zuordnung zu den Einkünften gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG spricht auch nicht, dass mit der Übertragung der Rentenanwartschaft auf das Versorgungssystem der EPA alle Ansprüche des Versicherten gegen die inländische gesetzliche Rentenversicherung erlöschen. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass das EPA die übertragene Anwartschaft – wenn auch in Gestalt eines anderen Systems – fortführt.
3. Daher bedarf es einer Aufteilung der Altersbezüge in Einkünfte gemäß § 19 EStG und solche des § 22 EStG. Ist nicht eindeutig ermittelbar, in welchem Umfang das Ruhegehalt den sonstigen Einkünften zuzuordnen ist, muss geschätzt werden. Hierbei ist es Sache der Tatsacheninstanz zu entscheiden, welcher Schätzungsmethode sie sich bedienen will, sofern diese geeignet ist, ein vernünftiges und der Wirklichkeit entsprechendes Ergebnis zu erzielen.
4. Das BMF-Schreiben zur einkommensteuerlichen Behandlung der Pensionen ehemaliger Bediensteter der koordinierten Organisationen und der Europäischen Patentorganisation vom 3.8.1998 (BStBl I 1998, 1042) regelt in erster Linie die Aufteilung von Ruhestandsbezügen ehemaliger Bediensteter der koordinierten Organisationen, sofern diese vor Einführung eines einheitlichen Pensionssystems (1.7.1974) Beiträge in einen Versorgungsfonds gezahlt und das dort aufgebaute (und aus versteuertem Einkommen er...