Leitsatz
1. Eine Aufteilung von Sachzuwendungen an Arbeitnehmer in Arbeitslohn und Zuwendungen im betrieblichen Eigeninteresse ist grundsätzlich möglich, wenn die Zuwendungen bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls gemischt veranlasst sind.
2. Bei gemischt veranlassten Reisen sind für die Aufteilung zunächst die Kostenbestandteile der Reise abzutrennen, die sich leicht und eindeutig dem betriebsfunktionalen Bereich und dem Bereich, der sich als geldwerter Vorteil darstellt, zuordnen lassen. Die danach verbleibenden Kosten sind grundsätzlich im Weg sachgerechter Schätzung (§ 162 AO) aufzuteilen. Als Aufteilungsmaßstab ist dabei i.d.R. das Verhältnis der Zeitanteile heranzuziehen, in dem Reise-Bestandteile mit Vorteilscharakter zu den aus betriebsfunktionalen Gründen durchgeführten Reise-Bestandteilen stehen.
3. Der Wert einer dem Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber zugewandten Reise kann grundsätzlich anhand der Kosten geschätzt werden, die der Arbeitgeber für die Reise aufgewendet hat. Sofern sich ein Beteiligter auf eine abweichende Wertbestimmung beruft, muss er konkret darlegen, dass eine Schätzung des üblichen Endpreises am Abgabeort nach den aufgewandten Kosten dem objektiven Wert der Reise nicht entspricht.
4. Macht der Arbeitgeber in schwierigen Fällen, in denen ihm bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt Zweifel über die Rechtslage kommen müssen, von der Möglichkeit der Anrufungsauskunft (§ 42e EStG) keinen Gebrauch, so ist ein auf dieser Unterlassung beruhender Rechtsirrtum grundsätzlich nicht entschuldbar und steht der Inanspruchnahme des Arbeitgebers im Weg der Haftung nicht entgegen.
Normenkette
§ 8 EStG , § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG , § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG , § 38 Abs. 3 EStG , § 42d EStG , § 42e EStG
Sachverhalt
Die Klägerin veranstaltete vom 4. bis 8. November (Mittwoch bis Sonntag) eine Jahrestagung ihrer Außendienste in einem Hotel in Portugal unter dem Motto: "Wettbewerbsvorteile durch Kundenmanagement". An der Tagung nahmen etwa 310 angestellte Außen- und Innendienstmitarbeiter teil. Das Tagungsprogramm hatte teilweise Dienst-, teilweise Incentive-Charakter. Die mit der Durchführung der Reise beauftragte X-GmbH stellte der Klägerin insgesamt rd. 803.000 DM in Rechnung.
Das FA vertrat die Auffassung, die der Klägerin insgesamt entstandenen Kosten seien – nach Abzug der Kosten für die Tagungsräume – bei den Mitarbeitern als Arbeitslohn zu beurteilen. Dies führte im Weg eines Haftungsbescheids zu einer Nachforderung i.H.v. rd. 250.000 DM.
Die Klage blieb erfolglos. Mangels eines geeigneten Maßstabs zur Aufteilung der mit der Außendiensttagung verbundenen Kosten in solche mit und solche ohne Entlohnungscharakter sei die Reise einheitlich als Zuwendung eines geldwerten Vorteils zu beurteilen.
Entscheidung
Die Revision der Klägerin führte zu einer Herabsetzung der Haftungsschuld. Die Aufwendungen des Arbeitgebers stellten nicht in vollem Umfang Arbeitslohn dar. Arbeitslohn liege nur vor, wenn und soweit der dem Arbeitnehmer zugewendete Vorteil Entlohnungscharakter habe.
Entsprechend den in den Praxis-Hinweisen angeführten neuen Grundsätzen seien als Arbeitslohn (ohne Aufteilung) anzusetzen: Kosten für Ausflüge, Sportprogramm, Entertainment, örtliche Führer = rd. 50.000 DM.
Aufzuteilende Kosten nach Zeitanteilen (hier: 50 %): u.a. Flugbeförderung, Hotel-Unterbringung, Transfer, Vorreisen, Betreuung und Honorar der X-GmbH = rd. 521.000 DM – davon 50 % = rd. 260.500 DM. Aufzuteilende Verpflegungskosten: Gesamtsumme: rd. 228.500 DM abzüglich 50 % der Höchst- bzw. Pauschbeträge: rd. 83.000 DM = anteiliger Arbeitslohn: rd. 145.500 DM.
Als geldwerter Vorteil (Arbeitslohn) insgesamt anzusetzen: rd. 456.000 DM.
Hinweis
1. Wendet ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer eine Reise zu, die sowohl Elemente einer Dienstreise als einer sog. Incentive-Reise enthielt, so war nach bisheriger Rechtsprechung die Zuwendung im Rahmen der durchzuführenden Gesamtwürdigung grundsätzlich nur einheitlich, d.h. ohne die Möglichkeit einer Aufteilung zu beurteilen, d.h. die Zuwendung stellte insgesamt einen geldwerten Vorteil (und damit Arbeitslohn) dar. Die Rechtsprechung war der Auffassung, dass bei einer einheitlichen Zuwendung grundsätzlich kein Maßstab für eine quantitative Abgrenzung zwischen Arbeitslohn und Nicht-Arbeitslohn vorhanden sei. Bei der Beurteilung einer vom Arbeitgeber bezahlten Reise wurde eine Aufteilung nur ausnahmsweise zugelassen, und zwar dann, wenn die Kosten rein betriebsfunktionaler Elemente sich leicht und eindeutig von sonstigen Aufwendungen mit Entlohnungscharakter abgrenzen ließen.
2. Dieser Rechtsprechung wurde insbesondere entgegengehalten, sie führe zu einer Überbesteuerung bzw. es fehle an einer Begründung für die Annahme, der zugewandte Vorteil könne nur einheitlich beurteilt werden. Im Ergebnis werde das Aufteilungs- und Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 EStG auch auf die Einnahmenseite angewendet. Da § 12 EStG auf Einnahmen aber keine Anwendung finde (siehe hierzu die neuere Rechtsprechung: BFH, Urteil vom 28.1.2...