Leitsatz
Führt ein Arbeitnehmer in dem Zeitraum, für den er Konkursausfallgeld erhält, Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte durch, sind die Aufwendungen gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit abzuziehen. Zwischen den fraglichen Aufwendungen und dem Konkursausfallgeld besteht kein unmittelbarer Zusammenhang i.S.d. § 3c EStG.
Normenkette
§ 9 Abs. 1 Sätze 1 und 2, § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4, § 3 Nr. 2, § 3c EStG
Sachverhalt
Anstelle von Arbeitslohn erhielt der Kläger für die letzten drei Monate vor Konkurseröffnung Konkursausfallgeld. Für diese Monate schloss das FA die Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte vom Werbungsabzug aus. Es unterwarf das Konkursausfallgeld in voller Höhe dem Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 2 Nr. 1 EStG, ohne auch insoweit die fraglichen Aufwendungen zu berücksichtigen. Das FG gab der Klage statt.
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Entscheidung des FG. Ein unmittelbarer Zusammenhang der fraglichen Aufwendungen mit dem Konkursausfallgeld bestehe nicht.
Hinweis
Das Arbeitsamt deckt nicht erfüllte Lohnansprüche der letzten der Konkurseröffnung vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses (§ 141b AFG). Die hierfür von der Bundesanstalt für Arbeit (BfA) benötigten Mittel werden von den Arbeitgebern über die Berufsgenossenschaften aufgebracht (§§ 186b AFG). Das Konkursausfallgeld zählt zu den nach § 3 Nr. 2 EStG steuerfreien Leistungen wie im Übrigen aufgrund der § 141m Abs. 1 und § 141n Abs. 2 AFG nunmehr auch die von den Arbeitnehmern auf die BfA gesetzlich übergeleiteten Ansprüche auf Arbeitsentgelt.
Im Streitfall hatte das FA argumentiert, die Aufwendungen des Arbeitnehmers für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte könnten nach § 3c EStG nicht abgezogen werden, da das Konkursausfallgeld eine steuerfreie Lohnersatzleistung darstelle. Diese Ansicht berücksichtigt die wirtschaftlichen Zusammenhänge nicht hinreichend.
Berufliche Aufwendungen des Arbeitnehmers in der Krise seines Arbeitgebers werden nicht deshalb getätigt, um Konkursausfallgeld zu erhalten. Im Gegenteil, der Arbeitnehmer wendet Kosten auf, um seinen Arbeitsplatz zu erhalten. In der Krise des Unternehmens wird vielfach auch unklar sein, ob es zu einer Konkurseröffnung kommt oder ob Sanierungsmaßnahmen greifen.
§ 3c EStG erfordert einen unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang von Ausgaben mit steuerfreien Einnahmen. Dieser Zusammenhang besteht indessen nicht zwischen dem Konkursausfallgeld und – wie im Streitfall – den Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Der unmittelbare Bezug der beruflichen Fahrten zum Arbeitsverhältnis hat Vorrang und verdrängt den nur mittelbaren Zusammenhang mit dem als Ersatz für den ausgefallenen Arbeitslohn von der BfA gezahlten Konkursausfallgeld. Der Gesichtspunkt der – vergeblichen – Werbungskosten tritt eindeutig in den Vordergrund.
Der BFH konnte offen lassen, ob es sich bei dem nach § 3 Nr. 2 EStG steuerfrei gestellten Konkursausfallgeld um eine steuerbare Leistung (Ersatz für entgangenen Arbeitslohn i.S.d. § 24 Nr. 1a EStG) handelt oder ob der Gesichtspunkt einer nicht steuerbaren Versicherungsleistung im Vordergrund steht.
Das Konkursausfallgeld unterliegt nach § 32b Abs. 1 Nr. 1a EStG dem Progressionsvorbehalt. Der BFH brauchte insoweit der Frage nicht nachzugehen, ob es mit dem Grundsatz der Leistungsfähigkeit vereinbar ist, bei der Berechnung des besonderen Steuersatzes nach § 32b Abs. 2 Nr. 1 EStG (im Gegensatz zu Nr. 2) von den Einnahmen nur den Arbeitnehmer-Pauschbetrag zum Abzug zuzulassen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 23.11.2000, VI R 93/98