Leitsatz
1. Energieerzeugnisse, die zum Ausgleich von Wärmeverlusten in einem Fernwärmenetz verheizt werden, sind auch dann nach § 54 Abs. 1 Satz 1 EnergieStG begünstigungsfähig, wenn der Betreiber des Fernwärmenetzes Wärme von anderen Unternehmen abnimmt und er für den Ausgleich der nach dem Übergabepunkt eintretenden Wärmeverluste verantwortlich ist.
2. Die Höhe der Entlastung ist durch die vom Betreiber des Fernwärmenetzes selbst verheizte Menge an Energieerzeugnissen begrenzt.
3. Die für Übertragungsverluste begünstigungsfähigen Mengen an Energieerzeugnissen können nicht im Wege einer bilanziellen Zuordnung einer bestimmten Anlage zugerechnet werden, sondern sind – bezogen auf das betreffende Fernwärmenetz – anteilig nach den jeweils erzeugten Wärmemengen auf die einzelnen Anlagen des Steuerpflichtigen aufzuteilen.
Normenkette
§ 54 Abs. 1 Satz 1 EnergieStG
Sachverhalt
Die Klägerin ist ein kommunales Energieversorgungsunternehmen und erzeugt Wärme in eigenen Anlagen (BHKW und Heizkessel) und bezieht daneben Wärme von anderen Anlagenbetreibern (sog. Bezugswärme).
Im Streitjahr 2014 betrieb die Klägerin drei Fernwärmenetze. An jedes Rohrleitungsnetz waren jeweils mehrere Heizkessel und BHKW angeschlossen. In zwei Wärmenetze speisten neben der Klägerin auch andere KWK-Anlagenbetreiber Wärme ein, sodass diese beiden Netze aus drei Wärmequellen gespeist wurden. In das dritte Netz speiste (nur) die Klägerin "Kesselwärme" und "KWK-Wärme" ein.
Zur Wärmeerzeugung verwendete die Klägerin leichtes Heizöl (d.h. Gasöl i.S.v. § 2 Abs. 3 Nr. 1 EnergieStG) sowie Erdgas. Das leichte Heizöl wurde bereits durch die Lieferanten der Klägerin versteuert. Das Erdgas bezog sie unversteuert und meldete hierfür selbst jährlich die Energiesteuer an.
Während des Transports der Wärme vom Einspeisepunkt des jeweiligen Rohrleitungsnetzes bis zum Entnahmepunkt kam es aus physikalischen Gründen zu unvermeidbaren Wärmeverlusten.
Am 11.12.2015 stellte die Klägerin für das Kalenderjahr 2014 einen Antrag auf Entlastung von der Energiesteuer nach § 54 EnergieStG. Die Klägerin ermittelte die entlastungsfähigen Mengen, indem sie im Wesentlichen die in den Heizkesseln eingesetzten Erdgasmengen dem Ausgleich von Wärmeverlusten zuordnete. Dabei ging sie davon aus, dass es sich bei dem Ausgleich von Wärmeverlusten im Netz um eine Nutzung der Wärme zu ihren eigenen betrieblichen Zwecken handelte.
Das HZA berücksichtigte dagegen lediglich den Eigenverbrauch der Klägerin. Im Einspruchsverfahren berücksichtigte das HZA zusätzlich getrennt für jedes Fernwärmenetz auch Wärmeverluste im Verhältnis der von den Anlagen der Klägerin abgegebenen zur insgesamt in das jeweilige Netz eingespeisten Wärmeenergie und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück.
Die Klage hatte keinen Erfolg (FG Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, Urteil vom 19.5.2020, 11 K 1272/18, Haufe-Index 14039897). Im Fall der Wärmeeinspeisung aus verschiedenen Anlagen in ein gemeinsames Rohrleitungsnetz sei es aufgrund der im Netz stattfindenden Vermengung physikalisch unmöglich, die Herkunft der transportierten Wärme zu ermitteln. Entsprechend unmöglich sei es in solchen Fällen auch, die im Netz auftretenden Übertragungsverluste auf eine bestimmte Wärmequelle zurückzuführen. Die Klägerin habe abgesehen davon keinen Nachweis dafür erbracht, dass die Netzverluste überproportional von ihren Heizkesseln ausgeglichen worden seien. Die in den drei Netzen entstandenen Verluste seien deshalb getrennt für jedes Fernwärmenetz den jeweils angeschlossenen Anlagen der Klägerin im Verhältnis der von diesen eingespeisten Wärmeenergie zuzuordnen.
Entscheidung
Der BFH hat die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen. Das FG wird ermitteln müssen, welche Energieerzeugnisse anteilig auf bereits nach anderen Vorschriften begünstigte KWK-Anlagen und welche auf andere Anlagen bzw. die Heizkessel entfallen.
Hinweis
Im Streitfall ging es um den Entlastungsanspruch eines Betreibers eines Fernwärmenetzes und insbesondere um die Behandlung von aus physikalischen Gründen unvermeidbaren Wärmeverlusten in diesem Netz.
Gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 EnergieStG wird eine Steuerentlastung auf Antrag gewährt für Energieerzeugnisse, die nachweislich nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, 3 bis 5 versteuert worden sind und von einem Unternehmen des produzierenden Gewerbes i.S.d. § 2 Nr. 3 StromStG oder von einem Unternehmen der LuF i.S.d. § 2 Nr. 5 StromStG zu betrieblichen Zwecken verheizt oder in begünstigten Anlagen nach § 3 EnergieStG verwendet worden sind. Nach § 1a Satz 1 Nr. 12 EnergieStG ist Verheizen das Verbrennen von Energieerzeugnissen zur Erzeugung von Wärme. Entlastungsberechtigt ist derjenige, der die Energieerzeugnisse verwendet hat (§ 54 Abs. 4 EnergieStG).
Der BFH hatte sich bereits in der Vergangenheit mit der Besteuerung von Fernwärmenetzen befasst. So hatte er in seiner Entscheidung zu den Wärmeverlusten in Fernwärmenetzen (BFH, Urteil vom 8.11.2016, VII R 6/16, BFH/NV 2017, 304, Haufe-Index 1...