Leitsatz
1. Aus einer jahrelangen Übung zusammen veranlagter Eheleute, wonach die von beiden geschuldeten Einkommensteuern stets allein von demselben Ehegatten gezahlt wurden, ist auf den beiderseitigen Willen zu schließen (konkludentes Verhalten), von einem Ausgleich nach § 426 Abs. 1 BGB abzusehen.
2. Wer diesem Schluss nach dem Tod eines oder beider Ehegatten widerspricht, hat die zur Begründung seiner Einwendungen vorgetragenen Tatsachen zu beweisen.
Normenkette
§ 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG , § 426 Abs. 1 BGB
Sachverhalt
Der Kläger ist Alleinerbe seiner Ehefrau. Die Eheleute waren in getrennten Praxen als Rechtsanwälte tätig, ließen sich aber zusammen zur Einkommensteuer veranlagen. Die gemeinsam geschuldeten Steuern zahlte stets allein der Kläger. Ein Ausgleich erfolgte zu Lebzeiten der Ehefrau nicht.
Nach deren Tod rechnete der Kläger aus, welche Steuern bei einer Aufteilung gem. den §§ 268 ff. AO auf die Ehefrau entfallen wären, und verlangte in dieser Höhe den Abzug von Nachlassverbindlichkeiten. Dies lehnte das FA ab. Auch die Klage und die Revision blieben erfolglos.
Entscheidung
Der BFH führt aus, zusammen veranlagte Eheleute sind Gesamtschuldner der dabei festgesetzten Steuern. Erfüllt ein Ehegatte die Steuerschulden vollen Umfangs, hat er gem. § 426 Abs. 1 BGB gegen den anderen Ehegatten einen Ausgleichsanspruch, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist. Solch eine abweichende Bestimmung kann sich aus dem Gesetz, aus einer Vereinbarung, aus Inhalt und Zweck des Rechtsverhältnisses oder aus der Natur der Sache ergeben.
Eine abweichende Vereinbarung kann schriftlich, mündlich oder durch konkludentes Verhalten zustande gekommen sein. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist aus einem Verhalten wie dem der Eheleute im Streitfall der Schluss zu ziehen, dass sie einen Ausgleich konkludent ausgeschlossen haben. Dieser Schluss ist nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Gesamtschuldner entgegen ihrem Verhalten ernsthaft schriftlich oder mündlich vereinbart haben, auf einem Ausgleich zu bestehen. Für eine derartige Absprache trägt derjenige die Feststellungslast, der sich auf sie beruft.
Hinweis
Nach dem Tod des einen Ehegatten haben sich etwaige Ausgleichsansprüche des überlebenden Ehegatten und Alleinerben sowie etwaige Ausgleichspflichten des verstorbenen Ehegatten in der Person des Überlebenden vereinigt. Gleichwohl gelten etwaige Ausgleichsansprüche gem. § 10 Abs. 3 ErbStG als nicht erloschen.
Vereinbarungen können nicht nur schriftlich oder mündlich zustande kommen, sondern – gleichsam als dritte Art des Zustandekommens – auch durch konkludentes Verhalten. Wird aus einem bestimmten Verhalten im Rechtsverkehr auf einen konkreten Willen geschlossen, muss derjenige, der diesen Schluss nicht gegen sich gelten lassen will, dies während des Verhaltens so deutlich zum Ausdruck bringen, dass er den abweichenden Willen ggf. auch beweisen kann. Das konkludente Verhalten bewirkt auf diese Weise eine Art Beweislastumkehr.
Ob in dem Verzicht auf einen Ausgleich nach § 426 Abs. 1 BGB während der Ehe eine freigebige Zuwendung liegt, ist noch offen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 15.1.2003, II R 23/01