LfSt Bayern v. 23.10.2008, S 0256.1.1 - 1/4 St 41
1. Geltungsbereich
Werden im Besteuerungsverfahren Auskünfte von Dritten und Sachverständigen eingeholt, bestimmt sich ihre Entschädigung nach § 107 AO in Verbindung mit dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG, vgl. Amtliches AO-Handbuch 2008, Anhang 21). Die Vorschrift des § 107 AO gilt in allen Abschnitten des Besteuerungsverfahrens einschließlich des Außenprüfungs-, Erhebungs-, Vollstreckungs- und Einspruchsverfahrens. Personen, die ausschließlich als Vorlageverpflichtete nach § 97 AO vom FA herangezogen werden, steht keine Entschädigung zu (vgl. Tz. 2 und 3).
In Steuerstraf- oder in Bußgeldverfahren, in denen die Finanzbehörde die Ermittlungen selbstständig durchführt, sind die von der Finanzbehörde zu Beweiszwecken herangezogenen Zeugen und Sachverständigen entsprechend § 405 AO zu vergüten.
Eine besondere gesetzliche Regelung besteht für Dritte, die aufgrund eines Beweiszwecken dienenden Ersuchens der Strafverfolgungsbehörde Gegenstände herausgeben (§ 95 Abs. 1 StPO) oder die Pflicht zur Herausgabe entsprechend einer Anheimgabe der Strafverfolgungsbehörde abwenden, Auskunft erteilen oder die Überwachung und Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs ermöglichen (§ 100b Abs. 3 StPO). Diese Dritten haben nach § 23 Abs. 1 JVEG einen Anspruch darauf, wie Zeugen entschädigt zu werden.
2. Abgrenzung zwischen Vorlageverlangen und Auskunftsersuchen
2.1. Allgemein
Ein reines Vorlageersuchen i.S. des § 97 AO liegt nur dann vor, wenn keinerlei eigenes Wissen des in Anspruch Genommenen abgefragt bzw. darauf zurückgegriffen werden muss. (vgl. BFH vom 8.8.2006, VII R 29/05, BStBl 2007 II S. 80). Dies ist dann der Fall, wenn das FA die vorzulegenden Unterlagen so konkret und eindeutig benennt, dass sich die geforderte Tätigkeit des Vorlageverpflichteten auf rein mechanische Hilfstätigkeiten wie das Heraussuchen und Lesbarmachen der angeforderten Unterlagen beschränkt.
2.2. Abgrenzung bei Anfragen an Kreditinstitute
Damit bei einer Anforderung von Bankunterlagen von einem entschädigungsfreien reinen Vorlageverlangen ausgegangen werden kann, ist Voraussetzung, dass das FA bereits weiß, z.B. durch einen durchgeführten Kontenabruf nach § 93 Abs. 7 AO, welche Konten und Depots oder sonstigen Bankverbindungen der Steuerpflichtige bei dem jeweiligen Kreditinstitut unterhält. Nur bei Angabe der Konto- oder Depotnummer wird die ersuchte Bank ausschließlich durch Herausgabe der geforderten Urkunden tätig.
Fragt das FA hingegen ohne genaue Kenntnis der Konten und Depots allgemein nach Unterlagen an, steht der Bank ein Kostenerstattungsanspruch nach § 107 AO zu. Zur Vermeidung dieser Kosten bitte ich daher bei der Durchführung von Ermittlungsmaßnahmen, wenn das Auskunftsersuchen an den Beteiligten erfolglos war oder keinen Erfolg verspricht (vgl. § 93 Abs. 1 Satz 3 AO), vor der Anfrage bei einem Kreditinstitut einen Kontenabruf nach § 93 Abs. 7 AO durchzuführen.
§ 97 Abs. 2 Satz 1 AO steht einem Vorlageverlangen nach vorab durchgeführtem Kontenabruf nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift „soll” die Vorlage von Büchern, Aufzeichnungen, Geschäftspapieren und anderen Urkunden in der Regel erst dann verlangt werden, wenn der Vorlagepflichtige eine Auskunft nicht erteilt hat, wenn die Auskunft unzureichend ist oder Bedenken gegen ihre Richtigkeit bestehen. Diese Vorschrift geht jedoch ins Leere, wenn das FA alle relevanten Daten (Name des Kontoinhabers, Name des Kreditinstituts und Kontonummer) bereits kennt. Ein vorgeschaltetes Auskunftsersuchen nach § 93 AO ist in derartigen Fällen unzulässig, da die Auskunft nicht mehr erforderlich ist.
3. Anspruchsberechtigte
Die von einem FA zu Beweiszwecken herangezogenen Auskunftspflichtigen (§ 93 AO) und Sachverständigen (§ 96 AO) erhalten auf Antrag eine Entschädigung bzw. Vergütung in entsprechender Anwendung des JVEG, soweit sie weder Beteiligte (§§ 78, 359 AO) sind noch die Auskunftspflicht für einen Beteiligten zu erfüllen haben (wie z.B. die gesetzlichen Vertreter und die Verfügungsberechtigten i.S. der §§ 34, 35 AO sowie die Bevollmächtigten und die von Amts wegen bestellten Vertreter der Beteiligten i.S. der §§ 80, 81 AO).
Auskunftspflichtige können natürliche Personen, juristische Personen und Personengesellschaften sein.
Nimmt ein Auskunftspflichtiger oder ein Sachverständiger eine Hilfsperson (z.B. Steuerberater) in Anspruch, so hat diese keinen eigenen Entschädigungsanspruch (Urteil des Niedersächsischen FG vom 28.10.1988, XII 649/87, n.v.).
Die dem Drittschuldner durch die Erfüllung seiner Erklärungspflicht gem. § 316 AO entstehenden Kosten sind nicht nach § 107 AO zu erstatten. Dies gilt auch, wenn das FA die Angaben in der Drittschuldnererklärung für unzureichend hält und deshalb um Ergänzung oder Vervollständigung nachsucht. Eine Entschädigung kommt aber in Betracht, wenn das FA den Drittschuldner um Auskünfte ersucht, die über dessen Erklärungspflicht gem. § 316 AO hinausgehen.
4. Anspruch auf Entschädigung
Die Entscheidung darübe...