Leitsatz
1. § 42 AO erfasst auch beschränkt Steuerpflichtige (Bestätigung des Senatsurteils vom 29.10. 1997, I R 35/96, BStBl II 1998, 235).
2. Werden im Inland erzielte Einnahmen zur Vermeidung inländischer Steuer durch eine ausländische Basisgesellschaft in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft "durchgeleitet", so kann ein Gestaltungsmissbrauch unabhängig davon vorliegen, ob der Staat, in dem die Kapitalgesellschaft ihren Sitz hat, ein Niedrigsteuerland ist (ebenfalls Bestätigung des Senatsurteils in BStBl II 1998, 235).
3. Die in § 50d Abs. 1a EStG 1990/1994 getroffene Regelung ist rechtmäßig. Sie geht dem Abkommensrecht vor. Sie ist jedenfalls bei Einschaltung einer ausländischen Basisgesellschaft gemeinschaftsrechtlich unbedenklich und von dem in Art. 1 Abs. 2 der Mutter/Tochter-Richtlinie der EG 90/435 EWG vom 23.7.1990 enthaltenen Missbrauchsvorbehalt gedeckt.
4. Die Steuerentlastung gem. § 50d Abs. 1 Satz 1 EStG 1990/1994 ist der zwischengeschalteten ausländischen Gesellschaft nach § 50d Abs. 1a EStG 1990/1994 zu versagen, soweit an ihr Personen beteiligt sind, denen die Steuerentlastung nicht zustände, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten. Darauf, welche Personen ihrerseits an den Gesellschaftern beteiligt sind, kommt es nicht an.
5. Bei dem zur Erstattung gem. § 50d Abs. 1 Satz 1 EStG 1990/1994 erforderlichen Freistellungsbescheid handelt es sich um einen Steuerbescheid i.S.d. § 155 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 (Bestätigung des Senatsurteils vom 11.10.2000, I R 34/99, BStBl II 2001, 291).
Normenkette
§ 44d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG 1990/1994 , § 44d Abs. 2 EStG 1990/1994 , § 50d Abs. 1 Satz 1 EStG 1990/1994 , § 50d Abs. 1a EStG 1990/1994 , § 42 AO , § 155 Abs. 1 Satz 3 AO
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft (B.V.) niederländischen Rechts. Ihr Sitz befand sich in den Niederlanden in den Geschäftsräumen einer Schwestergesellschaft, deren Telefon- und Telefaxanschlüsse sie nutzte. Beide Gesellschaften, ebenso wie auch weitere Schwesterunternehmen in den Niederlanden, wurden von einem dort ansässigen Geschäftsführer geleitet. Über weiteres Personal verfügte die Klägerin nicht.
Die Anteile der Klägerin wurden von einer auf den Bermudas ansässigen Holdinggesellschaft, der G-Ltd., gehalten, deren Gesellschafter zu 85 % G, Bermudas, und zu jeweils 7,5 % H, Australien, und B, USA, waren. Die G-Ltd. war an weiteren niederländischen Tochtergesellschaften und an zahlreichen Enkelgesellschaften in verschiedenen europäischen und außereuropäischen Ländern beteiligt.
Einzige Tochtergesellschaft der Klägerin war eine deutsche GmbH. Diese schüttete Gewinne aus. Die Klägerin beantragte daraufhin beim BfF, die auf die Ausschüttung für den Anmeldezeitraum 4/1994 einbehaltene KapESt von 25 % gemäß § 44d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 EStG 1990 auf 5 % der Ausschüttung zu ermäßigen und ihr den Unterschiedsbetrag gemäß § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG 1990 zu erstatten.
Das BfF gewährte – unter Hinweis auf § 50d Abs. 1a EStG 1990 in Gestalt des StMBG vom 21.12.1993 (BGBl I 1993, 2310, BStBl I 1994, 50) – EStG 1990/1994 – lediglich eine Teilerstattung für jene 15 %, mit denen H und B – zu jeweils 7,5 % – an der G-Ltd. beteiligt waren, und begrenzte diese Teilerstattung auf die verbleibenden Höchststeuersätze von 10 % und 15 % nach Maßgabe der für H und B einschlägigen DBA (Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Buchst. b, Abs. 3 Satz 1 Buchst. a DBA-USA; Art. 10 Abs. 2 DBA Australien).
Die beantragte weitergehende Erstattung wurde versagt, weil G als Mehrheitsgesellschafter der G-Ltd. auf den Bermudas ansässig sei und ihm deshalb keine abkommensrechtliche Entlastung zustehe. Dementsprechend setzte das BfF den Erstattungsbetrag zunächst durch Bescheid unter VdN fest. Während des dagegen eingeleiteten Klageverfahrens wurde die Erstattung sodann jedoch vollen Umfangs abgelehnt: Entgegen ursprünglicher Auffassung komme es für § 50d Abs. 1a EStG 1990/1994 nicht auf die lediglich mittelbar an der Klägerin beteiligten H und B an, sondern nur auf die G-Ltd. als unmittelbar Beteiligte. Diese residiere indes ebenfalls – nicht anders als G – auf den Bermudas.
Das FG hob den entsprechenden Änderungsbescheid des BfF auf die dagegen weitergeführte Verpflichtungsklage auf, weil die Erstattung nicht durch einen gem. § 164 Abs. 2 AO änderbaren Steuerverwaltungsakt festgesetzt werde und eine andere Rechtsgrundlage für die Änderung fehle. Im Übrigen wies es die Klage aber als unbegründet ab.
Entscheidung
Der BFH gab der Revision des BfF statt, derjenigen der Klägerin hingegen nicht:
Die Klägerin sei nach den tatrichterlichen Feststellungen des FG eine funktionslose Basisgesellschaft ohne eigene wirtschaftliche Bedeutung. Die beantragte Erstattung der KapESt gem. § 50d Abs. 1 EStG scheide deswegen aus, und zwar sowohl auf Basis von § 50d Abs. 1a EStG 1990/1994 als auch gleichermaßen gem. § 42 AO.
Rechtsfolge sei der vollständige Erstattungsausschluss; die anteilige Erstattung gem. DBA Australien und DBA-USA im Hinblick auf die beiden dort ansässigen Anteilsei...