Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
Ein Näheverhältnis i.S. des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG des Gläubigers der Kapitalerträge zu einer Personengesellschaft ist zu bejahen, wenn der Gläubiger eine Beteiligung innehat, die es ihm ermöglicht, seinen Willen in der Gesellschafterversammlung der Personengesellschaft durchzusetzen. Das Gleiche gilt, wenn die Anteile an der Personengesellschaft zwar von einer rechtsfähigen Stiftung gehalten werden, der Gläubiger jedoch aufgrund seiner beherrschenden Stellung in der Stiftung mittelbar in der Lage ist, seinen Willen in der Gesellschafterversammlung der Personengesellschaft durchzusetzen.
Normenkette
§ 20 Abs. 1 Nr. 7, § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG
Sachverhalt
Die Kläger waren zunächst jeweils zur Hälfte als Kommanditisten an der N‐GmbH & Co. KG (N‐KG) beteiligt. Komplementärin der N‐KG mit der Befugnis zur Geschäftsführung, aber ohne Kapitalanteil und Beteiligung am Gesellschaftsvermögen, war die N‐GmbH, an der die Kläger ebenfalls zunächst jeweils zur Hälfte beteiligt waren.
Mit Wirkung zum 1.7.2014 übertrugen die Kläger ihre Anteile an der N‐KG und an der N‐GmbH auf die von ihnen errichtete O‐Familienstiftung (Stiftung). Deren Zweck bestand darin, dem Wohle der Familie der Stifter zu dienen. Alleiniges Stiftungsorgan war der aus drei Personen bestehende Vorstand. Die Kläger waren Vorstandsmitglieder auf Lebenszeit. Sie benannten nach der Stiftungssatzung einvernehmlich das weitere Mitglied des Vorstands.
Der Kläger und die Klägerin gewährten der N‐KG unabhängig voneinander Darlehen. Das FA vertrat die Auffassung, dass die Zinseinnahmen der Kläger gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG nicht dem Abgeltungsteuersatz i.S.d. § 32d Abs. 1 EStG, sondern dem tariflichen ESt-Satz unterliegen. Das FG gab der hiergegen erhobenen Klage statt (FG Münster, Urteil vom 28.2.2019, 3 K 2547/18 E, Haufe-Index 13116064, EFG 2019, 976).
Entscheidung
Der BFH hat die Revision des FA als unbegründet zurückgewiesen.
Hinweis
1. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Zinseinkünfte der Kläger dem Abgeltungsteuersatz nach § 32d Abs. 1 EStG unterlagen und dieser nicht nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG ausgeschlossen war. Denn die Kläger als Gläubiger der Kapitaleinkünfte und die N-KG als Darlehensnehmer waren keine nahestehenden Personen i.S. dieser Vorschrift. Dies setzt nach der Rechtsprechung des BFH ein Beherrschungsverhältnis voraus. In der vorliegenden Entscheidung hat der BFH dessen Voraussetzungen bei der Darlehensgewährung an eine Personengesellschaft noch einmal konkretisiert.
2. Die Beherrschung einer Personengesellschaft durch einen ihrer Gesellschafter ist grundsätzlich nur gegeben, wenn dieser eine Beteiligung an der Personengesellschaft innehat, die es ihm ermöglicht, seinen Willen in der Gesellschafterversammlung der Personengesellschaft durchzusetzen. Dies setzt keine unmittelbare Beteiligung voraus. Die Beherrschung kann auch mittelbar über eine Beteiligungsgesellschaft ausgeübt werden.
3. In besonders gelagerten Ausnahmefällen kann der Gesellschafter trotz fehlender rechtlicher Möglichkeit zur Durchsetzung des eigenen Willens die Gesellschaft auch faktisch beherrschen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn auf die Gesellschafter Druck dahin gehend ausgeübt werden kann, dass sie sich dem Willen der beherrschenden Person unterordnen. Dass solche besonderen Umstände vorliegen, muss im Einzelfall festgestellt werden. Die objektive Feststellungslast hat derjenige zu tragen, der daraus günstige Rechtsfolgen für sich ableitet.
4. Nach diesen Grundsätzen ist das FG zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass zwischen den Klägern als Darlehensgebern und der N‐KG als Darlehensnehmerin kein Beherrschungsverhältnis i.S.d. § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG vorlag. Eine Beherrschung der N‐KG aufgrund einer Gesellschafterstellung der Kläger scheidet bereits deswegen aus, weil die Kläger im Zuflusszeitpunkt der Zinsen nicht mehr an der N‐KG beteiligt waren.
5. Die Kläger beherrschten die N‐KG auch nicht mittelbar über die von ihnen errichtete Stiftung. Zwar hatte die Stiftung aufgrund ihrer Stellung als alleinige Kommanditistin einen beherrschenden Einfluss in der N‐KG. Jedoch waren weder der Kläger noch die Klägerin jeweils für sich betrachtet in der Lage, die Einflussmöglichkeiten der Stiftung auf die N‐KG mittelbar zu beherrschen.
6. Auch die Stellung der Kläger als jeweils einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer der N‐GmbH als Komplementärin der N‐KG führt nicht zu einer Beherrschung der N‐KG durch die Kläger. Denn die Aufnahme eines Darlehens durch die N-KG war nicht von der Geschäftsführungsbefugnis der N‐GmbH umfasst.
7. Es lag auch kein Näheverhältnis aufgrund eines wirtschaftlichen Interesses an der Erzielung der Einkünfte des jeweils anderen vor. Zwar war die Finanzierung der N‐KG durch die Kläger für die Gesellschaft wirtschaftlich vorteilhaft, weil diese sich sonst anderweitig hätte refinanzieren müssen. Die N‐KG hätte dies aber tun und dann ggf. höhere Zinsaufwendungen als Betriebsausgaben abz...