OFD Hannover, Verfügung v. 6.8.2008, S 0130 - 161 - StO 142
Allgemeines
Mitteilungen und Auskünfte an die Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte zur Verfolgung von nichtsteuerlichen Straftaten sind nur unter den Voraussetzungen des § 30 Abs. 4 und 5 AO zulässig. Die in § 161 StPO begründeten Auskunftsansprüche der Strafverfolgungsbehörden treten gegenüber der Verpflichtung zur Wahrung des Steuergeheimnisses zurück. Das gilt auch bei Auskunftsersuchen der Staatsanwaltschaft nach Eröffnung von Insolvenzverfahren (z.B. über rückständige Steuerzahlungen des Gemeinschuldners, über durchgeführte Außenprüfungen oder über beabsichtigte Steuerstrafverfahren). Bei entsprechenden Auskunftsersuchen der Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte ist daher in jedem Fall zu prüfen, ob das FA zur Offenbarung der Kenntnisse, auf die sich das Ersuchen bezieht, befugt ist.
Dabei ist jedoch zu beachten, dass bei jeder Auskunftserteilung der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel gilt. Es muss also jeweils geprüft werden, ob und inwieweit die vorgesehene Offenbarung in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem Zweck steht. Ist die Befugnis zur Offenbarung gegeben und besteht gleichzeitig nach § 161 StPO eine Verpflichtung zur Auskunft, muss das FA die Auskunft erteilen.
Eine Offenbarung kann nach folgenden Bestimmungen in Betracht kommen:
1. Offenbarung nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO
Die Offenbarung der nach § 30 Abs. 2 AO erlangten Kenntnisse gegenüber den Strafverfolgungsbehörden und den Strafgerichten ist zulässig, soweit sie der Durchführung eines Verfahrens in Steuersachen oder eines Strafverfahrens/Bußgeldverfahrens wegen einer Steuerstraftat bzw. Steuerordnungswidrigkeit dient. Dabei genügt es, dass das Offenbaren für die Einleitung oder den Fortgang dieses Verfahrens nützlich sein könnte.
Allerdings ist zu beachten, dass es sich bei dem strafrechtlichen Verfahren gegen einen Bediensteten der Finanzverwaltung um ein eigenständiges Verfahren handelt, das i.d.R. nicht der Durchführung eines steuerlichen Verfahrens i.S. des § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO dient.
2. Offenbarung nach § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO
Die Offenbarung ist zulässig, soweit sie durch Gesetz ausdrücklich zugelassen ist.
Keine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung zur Offenbarung i.S. des § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO stellt § 6 des Subventionsgesetzes dar, nach dem die Behörden von Bund und Ländern den Strafverfolgungsbehörden Tatsachen mitzuteilen haben, die sie dienstlich erfahren und die den Verdacht des Subventionsbetrugs begründen.
Anzeigen an die Strafverfolgungsbehörden wegen des Verdachts des Subventionsbetrugs sind daher grundsätzlich nicht zulässig, es sei denn, sie wären aufgrund anderer Vorschriften zulässig oder geboten (z.B. nach § 30 Abs. 4 Nr. 4 oder 5b AO).
Betrifft der Subventionsbetrug Investitionszulagen nach dem Investitionszulagengesetz oder dem Eigenheimzulagengesetz, ist dieser Betrug von den Finanzämtern für Fahndung und Strafsachen wie eine Steuerstraftat zu verfolgen (§ 7 InvZulG 2005, § 15 Abs. 2 EigZulG), die Unterrichtung des Finanzamts für Fahndung und Strafsachen ist deshalb geboten.
Zur Unterrichtung der Subventionsgeber über subventionserhebliche Tatsachen i.S. des § 264 Abs. 7 StGB nach § 31a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b Doppelbuchst. bb AO siehe AEAO zu § 31a Nr. 4.12, 4.2 und 4.3.
3. Offenbarung nach § 30 Abs. 4 Nr. 4 AO
3.1 Nach § 30 Abs. 4 Nr. 4 AO ist die Offenbarung zulässig, soweit sie der Durchführung eines nichtsteuerlichen Strafverfahrens dient und die Kenntnisse in einem Verfahren wegen einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit erlangt worden sind; dies gilt jedoch nicht für solche Tatsachen, die der Steuerpflichtige in Unkenntnis der Einleitung des Strafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens offenbart hat oder die bereits vor Einleitung des Strafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens im Besteuerungsverfahren bekannt geworden sind.
Dabei ist es nicht zulässig, auf einen vagen Verdacht hin ein Steuerstrafverfahren oder ein Bußgeldverfahren einzuleiten, um nichtsteuerliche Straftaten dem Schutz des Steuergeheimnisses zu entziehen.
Nicht unter diese Vorschrift fällt die Offenbarung von Kenntnissen für ein Bußgeldverfahren.
3.2 Nach § 30 Abs. 4 Nr. 4b AO ist die Offenbarung zulässig, soweit die Kenntnisse ohne Bestehen einer steuerlichen Verpflichtung (zu den Pflichten siehe AEAO zu § 33 Nr. 1) oder unter Verzicht auf ein Auskunftsverweigerungsrecht (§§ 101 ff. AO) erlangt worden sind (siehe auch AO-Kartei § 30 Karte 9).
Gem. §§ 90 Abs. 1 Satz 2, 97 Abs. 1 Satz 1 AO sind die Steuerpflichtigen zur vollständigen und wahrheitsgemäßen Offenlegung der für die Besteuerung erheblichen Tatsachen, zur Angabe der ihnen bekannten Beweismittel und zur Vorlage von Büchern, Aufzeichnungen, Geschäftspapieren und anderen Urkunden verpflichtet. Weiterhin bestimmt § 150 Abs. 2 AO, dass die Angaben in den Steuererklärungen wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu machen sind.
Ein Steuerpflichtiger, der vorsätzlich falsche Angaben gegenüber dem FA macht und zu ...