OFD Hannover, Verfügung v. 7.2.2001, S 7340 - 152 - StH 531/S 7340 - 68 - StO 355
1 Allgemeines
Am 1.1.1999 trat die Insolvenzordnung (InsO) in Kraft –Art. 110 Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung (EGInsO). Sie löst die zuvor geltenden Vorschriften über Konkurs-, Vergleichs- und Gesamtvollstreckungsverfahren ab.
Auf Konkurs-, Vergleichs- und Gesamtvollstreckungsverfahren, die vor dem 1.1.1999 beantragt worden sind, und deren Wirkungen sind weiter die zuvor geltenden gesetzlichen Vorschriften (Konkurs-, Vergleichs-, Gesamtvollstreckungsordnung) anzuwenden Art. 103 Satz 1 EGInsO). Gleiches gilt für Anschlusskonkursverfahren, bei denen der dem Verfahren vorausgehende Vergleichsantrag vor dem 1.1.1999 gestellt worden ist.
Die Entstehung der Steueransprüche wird durch die Vorschriften des Insolvenzrechts nicht beeinflusst (vgl. BFH-Urteil vom 16.7.1987, V R 80/82, BStBl 1987 II S. 691). Hierfür bleiben die steuerrechtlichen Bestimmungen weiterhin maßgebend. Auch die Unternehmereigenschaft und die Steuerschuldnerschaft des Insolvenzschuldners bleiben unberührt. Die Geltendmachung der Umsatzsteueransprüche des Finanzamts richtet sich jedoch nach Insolvenzrecht.
2 Maßnahmen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens
2.1 Offene Steuerfestsetzungen
Wird bekannt, dass ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Unternehmers gestellt worden ist, teilt die Vollstreckungsstelle dies den betroffenen Arbeitsbereichen des Finanzamts mit (Vordruck InsO 60). Unbearbeitete Umsatzsteuererklärungen und/oder Umsatzsteuer-Voranmeldungen sind vom zuständigen Amtsprüfer bzw. der UVSt sofort zu bearbeiten. Erforderliche Umsatzsteuerfestsetzungen sollten möglichst vor Eröffnung des Verfahrens wirksam werden (sog. titulierte Forderungen), um die spätere Weiterverfolgung von Widersprüchen (bestrittene Forderungen – § 179 Abs. 2 InsO) zu erleichtern.
2.2 Vorsteuerberichtigungsansprüche des Finanzamtes
Im Hinblick auf die vermutliche Zahlungsunfähigkeit des betroffenen Unternehmers sind die geltend gemachten Vorsteuern zu überprüfen. Kann bezüglich einer vorliegenden Anmeldung nach Aktenlage ohne weitere Ermittlungen festgestellt werden, dass und insbesondere in welcher Höhe sich Rückforderungsansprüche des Finanzamtes ergeben, sind diese festzusetzen.
2.3 Verwertung von Sicherungsgut
Soweit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Verwertung von Sicherungsgut erfolgte, die nach den Grundsätzen in Abschnitt 2 Abs. 1 UStR zu einem Doppelumsatz führt, ist zu prüfen, ob die sich daraus ergebende Umsatzsteuer vom Erwerber im Abzugsverfahren entrichtet worden ist § 51 Abs. 1 Nr. 2 UStDV). Der Leistungsempfänger ist für diese Steuer ggf. im Wege der Haftung nach § 55 UStDV in Anspruch zu nehmen.
Erfolgte die Verwertung durch den qualifizierten vorläufigen Insolvenzverwalter (vgl. Tz. 2.4.1), gehören die daraus begründeten Umsatzsteuerverbindlichkeiten nach Eröffnung des Verfahrens zu den Massekosten § 55 Abs. 2 InsO, vgl. Tz. 9.4.7).
2.4 Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters vor Verfahrenseröffnung
Hat das Insolvenzgericht vor Eröffnung des Verfahrens zur Sicherung der Masse einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt, gilt Folgendes:
2.4.1 Wurde nach § 22 Abs. 1 InsO ein allgemeines Verfügungsverbot verhängt, geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis bezüglich des Schuldnervermögens auf den vorläufigen Insolvenzverwalter über (sog. qualifizierter vorläufiger Insolvenzverwalter). Jeglicher Schriftverkehr (einschließlich der Bekanntgabe von Steuerbescheiden) darf nur mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter geführt werden.
2.4.2 Wird ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt, ohne dass ein allgemeines Verfügungsverbot ergangen ist, bleibt der Schuldner Adressat der an ihn gerichteten Verwaltungsakte.
3 Unternehmereigenschaft, Verwaltungs- und Verfügungsrecht nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens
3.1 Unternehmereigenschaft
Der Insolvenzschuldner bleibt Unternehmer (vgl. BFH-Urteil vom 24.9.1987, V R 196/83, BStBl 1987 II S. 873). Die Insolvenzmasse, zu der auch das während der Dauer des Insolvenzverfahrens neu erworbene Vermögen gehört § 35 InsO), wird nicht von seinem übrigen Vermögen getrennt. Es gilt der Grundsatz der Einheit des Unternehmens.
3.2 Verwaltungs- und Verfügungsrecht
Nach Verfahrenseröffnung wird das Verwaltungs- und Verfügungsrecht in Bezug auf die Insolvenzmasse nach § 80 InsO anstelle des Schuldners durch den Insolvenzverwalter ausgeübt. Er hat damit die Stellung eines Vermögensverwalters gemäß § 34 Abs. 3 AO. Deshalb muß der Insolvenzverwalter für den Schuldner die Steuererklärungen einschließlich Umsatzsteuer-Voranmeldungen – auch für Zeiträume vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens – abgeben und Zahlungen nach den gesetzlichen Bestimmungen leisten (siehe auch Tz. 11.1 und 14.1). Er unterliegt den haftungsrechtlichen Folgen der §§ 69, 191 Abs. 2 AO.
3.3 Ausnahme: Eigenverwaltung §§ 270 ff. InsO)
Hat das Insolvenzgericht Eigenverwaltung der Insolvenzmasse durch den Schuldner angeordnet, steht di...