OFD Hannover, Verfügung v. 6.1.1999, S 7340 - 152 - StH 531/S 7340 - 68 - StO 352
A. Allgemeine Hinweise
Am 1.1.1999 trat die Insolvenzordnung (InsO) in Kraft – Art. 110 Einführungsgesetz zur lnsolvenzordnung (EGInsO). Sie löst die zuvor geltenden Vorschriften über Konkurs-, Vergleichs- und Gesamtvollstreckungsverfahren ab.
Auf Konkurs-, Vergleichs- und Gesamtvollstreckungsverfahren, die vor dem 1.1.1999 beantragt worden sind, und deren Wirkungen sind weiter die zuvor geltenden gesetzlichen Vorschriften (Konkurs-, Vergleichs-, Gesamtvollstreckungsordnung) anzuwenden Art. 103 Satz 1 EGInsO). Gleiches gilt für Anschlußkonkursverfahren, bei denen der dem Verfahren vorausgehende Vergleichsantrag vor dem 1.1.1999 gestellt worden ist Art. 103 Satz 2 EGInsO). Für die nach altem Recht abzuwickelnden Verfahren gilt die Veranlagungsverfügung III/8 Nr. 7 b. Erläuterungen zu Verfahrensfragen ergeben sich auch aus der Vollstreckungskartei – lnsolvenzverfahren – Karten 1 ff.
Die Entstehung der Steueransprüche wird durch die Vorschriften des Insolvenzrechts nicht beeinflußt, vgl. BFH-Urteil vom 16.7.1987, V R 80/82 (BStBl 1987 II S. 691). Hierfür bleiben die steuerrechtlichen Bestimmungen weiterhin maßgebend. Auch die Unternehmereigenschaft und die Steuerschuldnerschaft des Insolvenzschuldners bleiben unberührt. Die Geltendmachung der Umsatzsteueransprüche des Finanzamts richtet sich jedoch nach Insolvenzrecht.
B. Steuererhebung bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens
Die Verfahrenseröffnung führt in zweifacher Hinsicht zu einem Einschnitt.
I. lnsolvenzschuldner/Insolvenzverwalter
Der Insolvenzschuldner bleibt Unternehmer, vgl. BFH-Urteil vom 24.9.1987, V R 196/83 (BStBl 1987 II S. 873). Die Insolvenzmasse, zu der auch das während der Dauer des Insolvenzverfahrens neu erworbene Vermögen gehört § 35 InsO), wird nicht von seinem übrigen Vermögen getrennt. Es gilt der Grundsatz der Einheit des Unternehmens.
Das Verwaltungs- und Verfügungsrecht in Bezug auf die lnsolvenzmasse wird nach § 80 lnsO anstelle des Gemeinschuldners grundsätzlich durch den Insolvenzverwalter ausgeübt. Er hat damit die Stellung eines Vermögensverwalters gem. § 34 Abs. 3 AO. Deshalb muß der Insolvenzverwalter für den Schuldner die Steuererklärungen einschließlich Umsatzsteuer-Voranmeldungen – auch für Zeiträume vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens – abgeben und Zahlungen nach den gesetzlichen Bestimmungen leisten. Er unterliegt den haftungsrechtlichen Folgen der §§ 69, 191 Abs. 2 AO.
Etwas anderes gilt im Falle der Eigenverwaltung §§ 270 ff. InsO). Hat das Insolvenzgericht die Eigenverwaltung der Insolvenzmasse durch den Schuldner angeordnet, steht diesem die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis in Bezug auf die Insolvenzmasse weiterhin zu – allerdings unter der Aufsicht eines sog. Sachwalters (siehe hierzu auch Tz. 4 der Vollstreckungskartei – lnsolvenzverfahren – Karte 2).
II. Anmeldung zur Insolvenztabelle/Steuerbescheide gegenüber dem lnsolvenzverwalter
Das FA kann – wie jeder andere Gläubiger – seine offenen, bis zur Verfahrenseröffnung begründeten Ansprüche (Insolvenzforderungen) nur noch nach den Regeln der Insolvenzordnung, also durch Anmeldung zur Insolvenztabelle, geltend machen. Steuerbescheide wegen Insolvenzforderungen dürfen während des lnsolvenzverfahrens nicht erlassen werden.
Umsatzsteueransprüche, die erst nach Verfahrenseröffnung durch Handlungen des lnsolvenzverwalters begründet werden (Masseforderungen), sind durch Steuerbescheid, dessen Adressat der lnsolvenzverwalter ist, geltend zu machen. Im Fall der Eigenverwaltung §§ 270 ff. InsO) sind Bescheide über Ansprüche aus Maßnahmen des Schuldners dagegen an den Schuldner zu adressieren.
C. lnsolvenzforderungen/Masseforderungen
I. lnsolvenzforderungen, § 38 InsO
Insolvenzforderungen sind die bis zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung begründeten Ansprüche gegen den Schuldner. Begründet in diesem Sinne ist eine Umsatzsteuerforderung dann, wenn sich der einzelne Tatbestand nach §§ 1, 14 Abs. 2, Abs. 3, 15 a, 17 UStG bis zum Zeitpunkt der lnsolvenzeröffnung verwirklicht hat (unbeschadet einer evtl. erst späteren Entstehung des Steueranspruchs nach § 13 UStG).
Insolvenzforderungen werden von der Vollstreckungsstelle zur Insolvenztabelle angemeldet.
Nach der lnsolvenzordnung werden alle lnsolvenzgläubiger grundsätzlich gleichrangig befriedigt. Ausnahmen gelten für die in § 39 InsO genannten nachrangigen Insolvenzgläubiger, für abweichende Regelungen durch einen Insolvenzplan §§ 217 ff. InsO) sowie für bestehende Ansprüche auf Aussonderung §§ 47 f. InsO) und Absonderung §§ 49 ff. InsO).
II. Masseforderungen, §§ 53 bis 55 lnsO
Umsatzsteuerforderungen, die sich aus Maßnahmen des Insolvenzverwalters zur Verwahrung, Verwertung oder Verteilung der Masse ergeben, stellen Masseforderungen dar § 55 Abs. 1 InsO); das gilt auch für Umsatzsteuerforderungen