Entscheidungsstichwort (Thema)
Gleichbehandlung von Angestellten und gewerblichen Arbeitnehmern, Darlegung von Differenzierungsgründen. Weihnachtsgeld. Gleichbehandlung Arbeiter/Angestellte. Ungleichbehandlung von gewerblichen Arbeitnehmern und Angestellten. stärkere Betriebsbindung der Angestellten als Differenzierungsgrund. Darlegungslast des Arbeitgebers bei nicht ohne weiteres erkennbaren Differenzierungsgründen
Leitsatz (amtlich)
- Zahlt der Arbeitgeber ein Weihnachtsgeld als freiwillige Leistung, rechtfertigt es dessen Zweck, zu den anlässlich des Weihnachtsfestes zusätzlich entstehenden Aufwendungen beizutragen und in der Vergangenheit geleistete Dienste zusätzlich zu honorieren, in der Regel nicht, bezüglich der Höhe des Weihnachtsgeldes zwischen Angestellten und gewerblichen Arbeitnehmern zu differenzieren.
- Dem Arbeitgeber ist es nicht verwehrt, der Gruppe der Angestellten ein höheres Weihnachtsgeld zu zahlen, wenn sachliche Kriterien die Besserstellung gegenüber der Gruppe der gewerblichen Arbeitnehmer rechtfertigen. Sind seine Differenzierungsgesichtspunkte und der mit der Zahlung des höheren Weihnachtsgeldes verfolgte Zweck nicht ohne weiteres erkennbar, hat der Arbeitgeber die Gründe für die unterschiedliche Behandlung so substantiiert darzulegen, dass die Beurteilung möglich ist, ob die Gruppenbildung sachlichen Kriterien entsprach.
- Begründet der Arbeitgeber die Begünstigung der Angestellten mit der Absicht, diese stärker an sich zu binden, hat er zugeschnitten auf seinen Betrieb darzulegen, aus welchen Gründen eine stärkere Bindung der Angestellten einem objektiven, wirklichen Bedürfnis entspricht.
Orientierungssatz
- Zahlt ein Arbeitgeber den Angestellten ein höheres Weihnachtsgeld als den gewerblichen Arbeitnehmern, hat er jedenfalls im Rechtsstreit mit einem benachteiligten gewerblichen Arbeitnehmer die Gründe für die von ihm vorgenommene Differenzierung nachvollziehbar und plausibel darzulegen, wenn die Differenzierungsgründe nicht ohne weiteres erkennbar sind.
- Begründet ein Arbeitgeber die Besserstellung der Angestellten beim Weihnachtsgeld mit einer von ihm beabsichtigten stärkeren Betriebsbindung, genügt zur Darlegung sachlicher Kriterien für die Ungleichbehandlung nicht die allgemeine, subjektive Einschätzung des Arbeitgebers, Angestellte seien auf Grund ihres höheren Bildungs- und Qualifikationsstandes auf dem Arbeitsmarkt begehrter. Bildet der Arbeitgeber Gruppen von begünstigten und benachteiligten Arbeitnehmern, muss die Gruppenbildung auf den Betrieb des Arbeitgebers zugeschnitten sein und auf nachvollziehbaren, plausiblen Gesichtspunkten beruhen.
- Dient die Besserstellung einer Arbeitnehmergruppe keinem objektiven, wirklichen Bedürfnis und entspricht die Gruppenbildung des Arbeitgebers deshalb nicht sachlichen Kriterien, kann die benachteiligte Arbeitnehmergruppe verlangen, nach Maßgabe der begünstigten behandelt zu werden.
Normenkette
BGB §§ 242, 611
Verfahrensgang
Tenor
- Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 1. Dezember 2004 – 4 Sa 114/04 – aufgehoben.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 2. Dezember 2003 – 5 Ca 6098/03 – abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 836,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. November 2002 zu zahlen.
- Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf ein höheres Weihnachtsgeld für das Jahr 2002.
Die Beklagte betreibt eine Leichtmetallgießerei. Sie ist nicht tarifgebunden. Ihren ca. 70 Angestellten in ihrem Betrieb in N… zahlte sie für das Jahr 2002 ein Weihnachtsgeld in Höhe eines Bruttomonatsgehalts und ihren ca. 150 gewerblichen Arbeitnehmern in Anlehnung an den Tarifvertrag über die Absicherung eines Teiles eines 13. Monatseinkommens in der bayerischen Metall- und Elektroindustrie vom 12. Dezember 1996 idF vom 1. November 1997 (TV 13. ME) ein Weihnachtsgeld in Höhe von 55 % des monatlichen Bruttogrundlohns. Die Zahlung des Weihnachtsgeldes war nicht mit einem Rückzahlungsvorbehalt verbunden. Der bei der Beklagten als gewerblicher Arbeitnehmer beschäftigte Kläger erhielt ein Weihnachtsgeld iHv. 1.022,40 Euro brutto. Sein monatlicher Grundlohn belief sich auf 1.858,95 Euro brutto. In einem an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 14. Januar 2003 verlangte der Kläger für das Jahr 2002 Weihnachtsgeld in Höhe seines monatlichen Bruttogrundlohns, forderte die Beklagte zu einer Nachzahlung von 836,00 Euro brutto auf und vertrat die Auffassung, die Besserstellung der Angestellten beim Weihnachtsgeld verstoße gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Beklagte lehnte in ihrem Antwortschreiben vom 29. Januar 2003 die vom Kläger beanspruchte Nachzahlung ab und teilte diesem ua. mit:
“Wir möchten Ihre Qualifikation wirklich nicht abwerten, aber in der Regel haben Angestellte einen weitaus höheren Ausbildungs- und Qualifikationsstand – sowie Verantwortungsbereich, der sie auf dem Arbeitsmarkt begehrlich macht.
Nach unserer Erfahrung ist es beschwerlich einen Weggang zu ersetzen. Um dem vorzubeugen hat dieses Unternehmen schon vor Jahren für die Angestellten ein höheres Weihnachtsgeld eingeführt.
Wir hoffen, daß Sie diesen sachgerechten Grund – für die in Ihren Augen ungleiche Behandlung – verstehen und auch akzeptieren können und verbleiben
mit freundlichen Grüßen,
…”
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Ungleichbehandlung der Gruppe der Angestellten und der Gruppe der gewerblichen Arbeitnehmer beim Weihnachtsgeld verstoße gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Gruppenbildung der Beklagten sei angesichts des Zwecks der Weihnachtsgeldzahlung, die Arbeitnehmer für ihre in der Vergangenheit geleisteten Dienste zusätzlich zu entlohnen und zu den anlässlich des Weihnachtsfestes zusätzlich entstehenden Aufwendungen beizutragen, nicht sachgerecht. Es sei unzutreffend, dass Angestellte grundsätzlich ein höheres Bildungsniveau besäßen und schwerer zu ersetzen seien als gewerbliche Arbeitnehmer. Ungeachtet dessen bestehe bei der Beklagten kaum Fluktuation unter den Mitarbeitern.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 836,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 15. November 2002 zu zahlen.
Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, der Kläger habe nicht dargelegt und bewiesen, dass eine willkürliche Ungleichbehandlung vorliege. Mit der Zahlung eines höheren Weihnachtsgeldes an die Angestellten wolle sie diese stärker an sich binden. Angestellte hätten gegenüber gewerblichen Arbeitnehmern einen weitaus höheren Bildungs- und Qualifikationsstand sowie einen Verantwortungsbereich, der sie auf dem Arbeitsmarkt begehrlich mache. Sie habe ein berechtigtes Interesse daran, dass bei den Angestellten möglichst wenig Fluktuation herrsche, weil sie davon ausgehe, dass es beschwerlich sei, den Weggang eines Angestellten zu ersetzen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Anspruch weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger hat aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz Anspruch auf den geltend gemachten Differenzbetrag.
I. Das Landesarbeitsgericht hat zusammengefasst angenommen, die Beklagte habe zwar nicht substantiiert im Sinne greifbarer Sachgründe dargetan, dass die Gruppe ihrer Angestellten wegen eines im Verhältnis zu den gewerblichen Arbeitnehmern unterschiedlichen Anforderungsprofils stärker an ihr Unternehmen gebunden werden dürfe. Obwohl die Beklagte lediglich vorgetragen habe, Angestellte hätten einen höheren Ausbildungs- und Qualifikationsstand sowie Verantwortungsbereich, was sie auf dem Arbeitsmarkt begehrlich mache, sei der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt. Die Beklagte habe nicht willkürlich zwischen Angestellten und gewerblichen Arbeitnehmern unterschieden. Die Merkmale überwiegend geistiger Tätigkeit des Angestellten und überwiegend manueller Tätigkeiten des gewerblichen Arbeitnehmers stellten den typischen Differenzierungsgrund zwischen beiden Arbeitnehmergruppen dar. Die Beklagte habe daher davon ausgehen dürfen, dass der durchschnittliche Qualifikationsstand und Verantwortungsbereich in der Gruppe der Angestellten größer sei als in der Gruppe der gewerblichen Arbeitnehmer. Wenn die Beklagte auf Grund dieser generalisierenden Betrachtungsweise ohne Wertungsfehler ihre Angestellten stärker an den Betrieb habe binden wollen als die gewerblichen Arbeitnehmer, sei dies nicht zu beanstanden. Ohne Bedeutung sei, dass auf Grund der Lage auf dem Arbeitsmarkt keine größere Fluktuation zu verzeichnen sei.
II. Dem folgt der Senat nicht. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass die Gruppenbildung der Beklagten sachlichen Kriterien entsprach.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der Arbeitgeber, der in seinem Betrieb nach von ihm gesetzten allgemeinen Regeln freiwillige Leistungen gewährt, an den arbeitsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung gebunden (vgl. BAG 19. März 2003 – 10 AZR 365/02 – BAGE 105, 266, 270; 8. März 1995 – 10 AZR 208/94 – AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 184 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 131). Dieser Grundsatz verbietet dem Arbeitgeber nicht nur eine sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage. Bildet der Arbeitgeber Gruppen von begünstigten und benachteiligten Arbeitnehmern, muss die Gruppenbildung sachlichen Kriterien entsprechen (BAG 27. Mai 2004 – 6 AZR 129/03 – AP TVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 5 = EzA GG Art. 3 Nr. 101, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, mwN). Eine sachfremde Gruppenbildung liegt nicht vor, wenn sich nach dem Zweck der Leistung Gründe ergeben, die es unter Berücksichtigung aller Umstände rechtfertigen, der einen Arbeitnehmergruppe Leistungen vorzuenthalten, die der anderen Gruppe eingeräumt worden sind. Der Zweck einer Weihnachtsgratifikation rechtfertigt es allerdings in der Regel nicht, hinsichtlich der Höhe zwischen Arbeitern und Angestellten zu differenzieren (BAG 5. März 1980 – 5 AZR 881/78 – BAGE 33, 57, 61; 25. Januar 1984 – 5 AZR 89/82 – BAGE 45, 76, 80 mwN).
2. Die Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes lässt sich nur überprüfen, wenn die Darlegungs- und Beweislast zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sachgerecht verteilt wird (BAG 19. August 1992 – 5 AZR 513/91 – AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 102 = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 52). Der Arbeitgeber hat deshalb nicht ohne weiteres erkennbare Gründe für die von ihm vorgenommene Differenzierung offen zu legen und jedenfalls im Rechtsstreit mit einem benachteiligten Arbeitnehmer so substantiiert darzutun, dass die Beurteilung möglich ist, ob die Gruppenbildung sachlichen Kriterien entsprach. Sind die Unterscheidungsmerkmale nicht ohne weiteres erkennbar, und legt der Arbeitgeber seine Differenzierungsgesichtspunkte nicht dar, oder ist die unterschiedliche Behandlung nach dem Zweck der Leistung nicht gerechtfertigt, kann die benachteiligte Arbeitnehmergruppe verlangen, nach Maßgabe der begünstigten Arbeitnehmergruppe behandelt zu werden (st. Rspr., vgl. BAG 19. März 2003 – 10 AZR 365/02 – BAGE 105, 266, 270; 21. März 2001 – 10 AZR 444/00 – AP BAT § 33a Nr. 17 = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 84).
3. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts entsprach die Gruppenbildung der Beklagten bei der Zahlung des Weihnachtsgeldes für das Jahr 2002 nicht sachlichen Kriterien. Die unterschiedliche Behandlung war nach dem Zweck dieser freiwilligen Leistung der Beklagten sachlich nicht gerechtfertigt.
a) Wird vom Arbeitgeber kein anderweitiger Zweck angegeben, soll die Zahlung eines Weihnachtsgeldes zu den anlässlich des Weihnachtsfestes entstehenden besonderen Aufwendungen des Arbeitnehmers beitragen und seine in der Vergangenheit geleisteten Dienste zusätzlich honorieren (BAG 5. März 1980 – 5 AZR 881/78 – BAGE 33, 57, 60 f.; 30. März 1994 – 10 AZR 681/92 – AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 113 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 110). Von zusätzlichen Aufwendungen anlässlich des Weihnachtsfestes sind gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte in gleicher Weise betroffen. Beide Arbeitnehmergruppen hatten auch in der Vergangenheit in gleicher Weise ihre Arbeitsleistung erbracht. Dass diese von unterschiedlichem Wert gewesen sein mag, fand seine Berücksichtigung schon darin, dass sich die Höhe des Weihnachtsgeldes an der Höhe der Arbeitsvergütung orientierte, die ihrerseits Maßstab für den Wert der Arbeitsleistung war (vgl. BAG 5. März 1980 – 5 AZR 881/78 – BAGE 33, 57, 61).
b) Die Beklagte hat bezüglich des den Angestellten gezahlten höheren Weihnachtsgeldes einen weiteren Zweck behauptet. Sie hat geltend gemacht, sie habe ihre Angestellten durch die Zahlung eines höheren Weihnachtsgeldes stärker als die gewerblichen Arbeitnehmer an den Betrieb binden wollen. Das hatte sie sinngemäß dem Kläger bereits in ihrem Antwortschreiben vom 29. Januar 2003 mitgeteilt. Allerdings hat sie den von ihr behaupteten Bindungswillen nicht dadurch zum Ausdruck gebracht, dass sie die Zahlung des höheren Weihnachtsgeldes an die Angestellten an einen Rückzahlungsvorbehalt geknüpft hätte. Eine freiwillige Leistung, die mit einer Rückzahlungsklausel verbunden ist, macht regelmäßig deutlich, dass der Arbeitgeber zu künftiger Betriebstreue einen Anreiz geben will (st. Rspr., vgl. BAG 19. März 2003 – 10 AZR 365/02 – BAGE 105, 266, 273 mwN). Selbst wenn zu Gunsten der Beklagten angenommen würde, dass die Zahlung eines höheren Weihnachtsgeldes auch ohne Rückzahlungsklausel grundsätzlich geeignet war, die Angestellten stärker als die gewerblichen Arbeitnehmer an die Beklagte zu binden, wäre die Ungleichbehandlung jedoch sachlich nicht gerechtfertigt.
c) Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verbietet der Gleichbehandlungsgrundsatz dem Arbeitgeber zwar nicht, Angestellten eine höhere Jahressonderzuwendung als den gewerblichen Arbeitnehmern zu gewähren, um sie stärker an das Unternehmen zu binden, wenn Angestellte mit den im Betrieb benötigten Kenntnissen und Fähigkeiten auf dem Arbeitsmarkt nicht oder nur schwer zu finden sind und in der Regel eine längere interne Ausbildung durchlaufen (BAG 19. März 2003 – 10 AZR 365/02 – BAGE 105, 266, 271; 30. März 1994 – 10 AZR 681/92 – AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 113 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 110; 25. Januar 1984 – 5 AZR 89/82 – BAGE 45, 76, 82). Diese Voraussetzungen einer sachlich gerechtfertigten Differenzierung waren jedoch bei der Zahlung des Weihnachtsgeldes für das Jahr 2002 nicht erfüllt.
aa) Eine stärkere Bindung der Angestellten der Beklagten diente keinem objektiven, wirklichen Bedürfnis. Das hat das Landesarbeitsgericht im Ausgangspunkt zutreffend erkannt, indem es festgestellt hat, dass die Beklagte greifbare Sachgründe für eine stärkere Bindung der Angestellten an ihr Unternehmen nicht substantiiert dargelegt hat. Die Beklagte hat nicht behauptet, dass Angestellte mit den in ihrem Betrieb erforderlichen Kenntnissen und Fähigkeiten im Gegensatz zu gewerblichen Arbeitnehmern auf dem Arbeitsmarkt nicht oder nur schwer zu finden waren und in der Regel eine längere interne Ausbildung durchlaufen mussten. Sie hat auch nicht dargetan, dass ihre Angestellten besondere Kenntnisse und Fähigkeiten benötigten oder eine erhöhte Gefahr der Abwerbung bestand. Schließlich hat sie auch nicht erläutert, aus welchen besonderen Gründen es beschwerlich gewesen wäre, beim Weggang eines Angestellten diesen zu ersetzen. Die allgemeine, nicht auf ihren Betrieb bezogene subjektive Einschätzung der Beklagten, Angestellte seien auf Grund ihres weitaus höheren Bildungs- und Qualifikationsstandes auf dem Arbeitsmarkt begehrter als gewerbliche Arbeitnehmer, rechtfertigt die Besserstellung ihrer Angestellten gegenüber ihren gewerblichen Arbeitnehmern nicht. Eine vom Arbeitgeber vorgenommene Gruppenbildung muss auf die Anforderungen in seinem Betrieb zugeschnitten sein (BAG 18. November 2003 – 3 AZR 655/02 –) und auf nachvollziehbaren, plausiblen Gesichtspunkten beruhen (BAG 21. März 2001 – 10 AZR 444/00 – AP BAT § 33a Nr. 17 = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 84). Dem werden die von der Beklagten offen gelegten Differenzierungsgesichtspunkte nicht gerecht.
bb) Das Landesarbeitgericht hat bezüglich der für einen Einsatz bei der Beklagten geeigneten Angestellten und gewerblichen Arbeitnehmer keine Unterschiede auf dem Arbeitsmarkt festgestellt. Das von der Beklagten behauptete allgemeine Interesse an verminderter Fluktuation von Angestellten entsprach damit keinem objektiven, wirklichen Bedürfnis. Das steht der Annahme des Landesarbeitsgerichts entgegen, die Ungleichbehandlung der Gruppe der Angestellten und der Gruppe der gewerblichen Arbeitnehmer sei ungeachtet der Lage auf dem Arbeitsmarkt im Interesse einer stärkeren Bindung der Angestellten sachlich gerechtfertigt gewesen. Reichte bereits eine allgemeine subjektive, nicht auf die konkrete Situation in seinem Betrieb bezogene Einschätzung eines Arbeitgebers zur Darlegung sachlicher Kriterien für eine Ungleichbehandlung von Arbeitnehmergruppen aus, wie dies das Landesarbeitsgericht zu Unrecht angenommen hat, wäre allein die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Arbeitnehmergruppe für die Begünstigung oder Benachteiligung maßgebend. Dies käme im Ergebnis einer ohne das Vorliegen besonderer, objektiver Gründe grundsätzlich nicht zulässigen Differenzierung zwischen Arbeitern und Angestellten bei der Zahlung von Weihnachtsgeld gleich (BAG 5. März 1980 – 5 AZR 881/78 – BAGE 33, 57, 61; 25. Januar 1984 – 5 AZR 89/82 – BAGE 45, 76, 80).
cc) Ohne Bedeutung ist, dass die Beklagte den gewerblichen Arbeitnehmern das Weihnachtsgeld in Anlehnung an den TV 13. ME gezahlt hat. Nach Nr. 1 und Nr. 2 TV 13. ME steht gewerblichen Arbeitnehmern und Angestellten ein Weihnachtsgeld in gleicher Höhe zu. Damit haben die Tarifvertragsparteien erkennbar zum Ausdruck gebracht, das sie im Geltungsbereich des Tarifvertrages keine Gründe für eine unterschiedliche Behandlung der beiden Arbeitnehmergruppen gesehen haben.
d) Auch soweit die Beklagte erstmals in der Revisionsinstanz die Besserstellung der Angestellten damit begründet hat, als familiengeführtes Unternehmen lege sie Wert darauf, dass die Angestellten als Mitarbeiter im administrativen Bereich eine besondere Bindung persönlicher Art und somit Konstanz mit der Geschäftsleitung aufbauten, hat sie keine sachlichen Gründe für die Besserstellung der Angestellten nachvollziehbar und plausibel dargelegt. Selbst wenn trotz revisionsrechtlicher Bedenken die Beklagte mit diesem Vortrag noch gehört werden könnte, obwohl sie diesen für den Kläger nicht erkennbaren Differenzierungsgrund entgegen der Rechtsprechung des Dritten und des Fünften Senats des Bundesarbeitsgerichts (BAG 17. Februar 1998 – 3 AZR 783/96 – BAGE 88, 23, 28; 20. Juli 1993 – 3 AZR 52/93 – BAGE 73, 343, 350; 5. März 1980 – 5 AZR 881/78 – BAGE 33, 57, 62) nicht spätestens im Januar 2003 offen gelegt hat, als der Kläger an sie herantrat und ein Weihnachtsgeld in Höhe seines monatlichen Bruttogrundlohns für das Jahr 2002 beanspruchte, fehlten sachliche Kriterien für die Besserstellung der ca. 70 Angestellten der Beklagten. Eine Mitarbeit im “administrativen Bereich” und eine “besondere Bindung persönlicher Art” rechtfertigen keine Begünstigung von Angestellten gegenüber gewerblichen Arbeitnehmern. Auch in einem familiengeführten Unternehmen ist eine Differenzierung zwischen gewerblichen Arbeitnehmern und Angestellten bei der freiwilligen Zahlung von Weihnachtsgeld nur bei Vorliegen sachlicher Kriterien für die Gruppenbildung zulässig.
Unterschriften
Dr. Freitag, Brühler, Creutzfeldt, Staedtler, N. Schuster
Fundstellen
Haufe-Index 1456609 |
BAGE 2007, 136 |
BB 2006, 336 |
DB 2006, 283 |