Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung wegen Arbeitsverweigerung aus Gewissensgründen
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei verfassungskonformer Auslegung des § 315 BGB darf der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keine Arbeit zuweisen, die den Arbeitnehmer in einen vermeidbaren Gewissens- konflikt bringt.
2. Inhalt und Grenzen des Leistungsbestimmungsrechts (Direktionsrecht) des Arbeitgebers zur Konkretisierung der vertragsgemäßen Arbeitsleistung ergeben sich aus einer Abwägung der beiderseitigen Interessen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob der Arbeitnehmer bei der Eingehung des Arbeitsverhältnisses mit einem Gewissenskonflikt hat rechnen müssen, ob der Arbeitgeber aus betrieblichen Erfordernissen auf dieser Arbeitsleistung bestehen muß, ob dem Arbeitnehmer andere Arbeit zugewiesen werden kann und ob mit zahlreichen weiteren Gewissenskonflikten in der Zukunft zu rechnen ist.
Orientierungssatz
1. Gewissen im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs und des Art 4 GG ist als ein real erfahrbares seelisches Phänomen zu verstehen, dessen Forderungen, Mahnungen und Warnungen für den Menschen unmittelbar evidente Gebote unbedingten Sollens sind.
2. Als Gewissensentscheidung ist jede ernste sittliche dh an den Kategorien von "gut" und "böse" orientierte Entscheidung anzusehen, die der einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfährt, so daß er gegen sie nicht ohne ernste Gewissensnot handeln könnte.
Normenkette
BGB §§ 134, 138, 242, 611; StGB §§ 86, 131; GG Art. 4 Abs. 1; JgefSchrG §§ 3-6; BGB § 315 Abs. 1; KSchG § 1 i.d.F des Gesetzes vom 25. September 1996 (BGBl. I S. 1476)
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 17. März 1980 als Drucker zu einem monatlichen Arbeitsentgelt von zuletzt 3.300,-- DM beschäftigt. Der Kläger ist anerkannter Kriegsdienstverweigerer und seit 1974 aktives Mitglied der "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - VVN - Bund der Antifaschisten", wobei er das Amt des Vorsitzenden der Ortsgruppe P bekleidet und sowohl dem Präsidium des VVN auf Bundesebene als auch dem Geschäftsführenden Vorstand des Landesverbandes Schleswig- Holstein e.V. angehört.
Am 2. November 1981 erhielt der Kläger den Auftrag, Prospekte des Verlages für geschichtliche Dokumentation zu drucken, mit denen für den Kauf von zwei Buchpaketen mit jeweils sechs Büchern über das Dritte Reich und den Zweiten Weltkrieg geworben wurde. Nachdem der Kläger die Ausführung dieses Auftrages verweigert hatte, fand zwischen dem Kläger, dem technischen Leiter des Gesamtbetriebes und zwei Abteilungsleitern ein Gespräch statt. Dem Kläger wurde erklärt, daß die aus seinem Verhalten zu ziehenden Folgerungen geprüft würden, er jedoch schon bei einer überschlägigen Beurteilung wohl mit Konsequenzen zu rechnen habe, wenn er seine Haltung nicht ändere. Danach wurde der Kläger für den Rest der Schicht an eine andere Druckmaschine gestellt. Am 3. November 1981 erhielt der Kläger den Auftrag, folgenden Werbebrief des Dr. Christian Z zu drucken:
"Lieber Leser,
Weihnachten in Moskau ... fast auf den Tag ist es jetzt
40 Jahre her, daß deutsche Soldaten zum Sturm auf die
russische Metropole ansetzten. Nach einem 2000 km langen
unaufhaltsamen Siegeszug, der alles Vorangegangene über-
traf, nach den gewaltigen Kesselschlachten von Roslawl,
Uman und Kiew, denken die Soldaten nur noch an eines -
Moskau so schnell wie möglich zu nehmen] Für sie bedeutet
der Fall der Hauptstadt das Ende des Krieges.
Weihnachten in Moskau ... am 4. Dezember erreichen die
deutschen Spitzen den Stadtrand. Sie stehen an der Halte-
stelle der Moskauer Straßenbahn. Einer von ihnen ist der
Frontarzt Dr. Heinrich Haape. Er ist schon am 22. Juni
1941 dabei gewesen, als sich drei Millionen deutscher
Soldaten zum größten Schicksalskampf des Zweiten Welt-
krieges fertigmachen: dem Unternehmen Barbarossa.
An diesem Tag beginnen seine Aufzeichnungen, die heute zu
den ganz großen zeitgeschichtlichen Dokumentationen zählen.
Wer damals dabei war, wird Haapes Buch nicht ohne Bewegung
lesen. Die Geschichte des Autors ist die Geschichte des
Krieges in Rußland schlechthin: ja, so ist es gewesen] Der
Text wurde gedruckt, wie er geschrieben wurde - ohne Fuß-
noten, ohne nachträglichen Kommentar, unmittelbar aus dem
eigenen Erleben heraus, aus der Perspektive des Frontsol-
daten.
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Buchauswahl bestimmt, mit der ich Ihnen, liebe Leser,
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werden Sie auch diesmal wieder alle Bände zu außerordent-
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richt: Jeder Name, jeder Ort, jede Einzelheit ist echt,
alle Geschehnisse sind wahrhaftig und aus erster Hand,
gesehen mit den Augen des Jahres 1945. Hans Schäufler
war einer der "Soldaten der letzten Stunde", die unter
Einsatz von Leben und Freiheit das große deutsche Ret-
tungswerk möglich gemacht haben: die Flucht der Milli-
onen Frauen und Kinder vor der heranstürmenden Roten
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jenes Fliegers aus Begeisterung und Hingabe, der zum er-
folgreichsten Bomberpilot des Zweiten Weltkrieges wurde.
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fahrung: Wie nur wenige kannte er die Entwicklung vom
Werden bis zum Fall der Luftwaffe, wußte er um die Füh-
rung des deutschen Luftkrieges und seine Hintergründe.
Einsatz und Erfolg der Kampfflieger war immer aber auch
eine Gemeinschaftsleistung von Besatzung, Staffel und
Verband. "Klotzen, nicht kleckern", hieß die Devise -
und so lange die Luftwaffe das realisieren konnte, war
ihr der Erfolg treu. Einige Kampfflieger haben mit Kön-
nen, Geschick und Glück bis zu 400, 500 ja 600 Einsätze
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Der Kläger verweigerte die Ausführung dieses Auftrages. Daraufhin leitete die Beklagte das Anhörungsverfahren gemäß § 102 BetrVG ein. Der Betriebsrat der Beklagten widersprach durch Beschluß vom 5. November 1981 sowohl einer fristlosen als auch einer fristgerechten Kündigung des Klägers mit folgender schriftlicher Begründung vom 7. November 1981:
1. Da am Montag eine Regelung gefunden wurde, Koll.
S von M 5 zu M 1 im Tausch mit Koll.
M , wäre es bei gutem Willen der Geschäftsl.
auch am Dienstag möglich gewesen. Der Koll.
S war dazu bereit, nochmals zu wechseln.
2. Koll. S hat seine Arbeitsbereitschaft
gegenüber der Geschäftsl. ausgesprochen, an je-
der anderen Maschine zu drucken, M 1 stand.
3. Der Auftrag vom John-Jahr-Verlag wäre am Dienstag
in der Spätschicht abends ausgedruckt gewesen,
der Koll. S hätte am Mittwoch an der M 5
laut Schichtplan weiter arbeiten können, wo er auch
für die Woche eingeteilt war.
Mit Schreiben vom 5. November 1981 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos sowie vorsorglich fristgemäß zum 20. November 1981.
Mit seiner am 10. November 1981 beim Arbeitsgericht eingegangenen Feststellungsklage hat der Kläger sich gegen beide Kündigungen gewehrt.
Er hat vorgetragen, sowohl die angebotenen Bücher wie auch die Prospekte und der Werbebrief für diese Bücher seien kriegsverherrlichend und hätten nationalsozialistischen Charakter. Der Inhalt der Bücher sei ihm am 3. November 1981 teilweise bekannt gewesen. Durch die Werbung für diese Bücher werde § 86 StGB erfüllt sowie die Voraussetzungen des § 6 des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften. Ihm sei auch bekannt, daß der John-Jahr-Verlag bzw. der diesem eng verbundene Verlag für geschichtliche Dokumentation regelmäßig den Krieg oder den Nationalsozialismus verherrlichende Veröffentlichungen herausbringe, die teilweise von der Bundesprüfstelle indiziert worden seien. Ihm habe zudem aus Art. 4 GG in Verbindung mit § 242 BGB ein Leistungsverweigerungsrecht zugestanden. Als Mitglied und Ortsgruppenvorsitzender der VVN und als anerkannter Wehrdienstverweigerer sei der Druckauftrag für ihn besonders belastend und mit seinem Gewissen unvereinbar gewesen. Der Beklagten sei seine Mitgliedschaft in der VVN und seine Eigenschaft als anerkannter Kriegsdienstverweigerer auch bekannt gewesen. Hinzu komme, daß er sich § 4 Ziff. 4 der Satzung der IG Druck und Papier, deren Mitglied er ebenfalls sei, stark verpflichtet fühle, wonach faschistische, militaristische und reaktionäre Einflüsse und alle sonstigen antidemokratischen Bestrebungen zu bekämpfen seien. Er habe die Gründe seiner Arbeitsverweigerung der Beklagten am 2. und 3. November 1981 ausführlich dargelegt. Für die Beklagte habe am 3. November 1981 auch die Möglichkeit bestanden, ihn an eine andere der fünf Druckmaschinen umzusetzen. Während seiner Betriebszugehörigkeit seien bei der Beklagten keine Aufträge ähnlichen Inhaltes bis zu diesem Zeitpunkt angefallen. Aufträge gleicher oder ähnlicher Art seien auch nicht in Sicht gewesen.
Der Kläger hat beantragt festzustellen, daß weder durch die fristlose Kündigung vom 5. November 1981 noch durch die fristgemäße Kündigung vom 5. November 1981 zum 20. November 1981 das Arbeitsverhältnis aufgelöst worden ist, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, sie identifiziere sich zwar nicht mit dem Inhalt der Prospekte und des Werbebriefes, sehe jedoch keinen Anlaß, diese nicht zu drucken, da deren Inhalt nicht verboten sei. Die Mitgliedschaft des Klägers in der VVN sowie dessen Eigenschaft als Kriegsdienstverweigerer seien ihr bei Abschluß des Arbeitsvertrages mit dem Kläger nicht bekannt gewesen. Auch könnten die Drucker innerhalb der einzelnen Druckmaschinen nicht ohne Nachteile ausgetauscht werden. Sie setze in ihrem Betrieb Druckmaschinen verschiedener Größe und verschiedenen Typs ein. Jeder Drucker werde einer bestimmten Maschine zugeordnet, die sozusagen seine Maschine werde. Diese Verfahrensweise habe den Vorteil einer gleichbleibenden Produktivität der Maschine.
Das Arbeitsgericht hat die fristlose Kündigung als rechtsunwirksam, die fristgerechte Kündigung jedoch als rechtswirksam angesehen. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt.
In der Berufungsinstanz hat der Kläger die Ansicht vertreten, ihm stehe für den Fall, daß er seinen persönlichen Gewissenskonflikt, der der Beklagten bekannt gewesen sei, am 2. und 3. November 1981 nicht genügend deutlich gemacht habe, jedenfalls ein Anspruch auf Wiedereinstellung zu.
Er hat beantragt,
unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten das
angefochtene Urteil abzuändern und festzustellen, daß
das Arbeitsverhältnis des Klägers weder durch die
fristlose noch durch die fristgemäße Kündigung der
Beklagten vom 5. November 1981 aufgelöst worden ist,
hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu den bis-
herigen Arbeitsbedingungen neu einzustellen.
Die Beklagte hat in der Berufungsinstanz beantragt,
unter Zurückweisung der Berufung des Klägers das
Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 11. Mai
1982 abzuändern und die Klage in vollem Umfang
abzuweisen,
hilfsweise,
das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfin-
dung aufzulösen.
Sie hat den hilfsweise gestellten Auflösungsantrag damit begründet, durch vom Kläger veranlaßte Schreiben von Mitgliedern der VVN und die vom Kläger veranlaßte Publizität des Verfahrens sei sie unter Druck gesetzt worden. Dem Kläger gehe es im wesentlichen um eine öffentlichkeitswirksame Darstellung seiner politischen Ansichten und er habe zumindest anklingen lassen, daß auch sie, die Beklagte, durch ihr Verhalten zu den Verteidigern von Militarismus und Faschismus gehöre. Daher sei eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht mehr möglich.
Das Landesarbeitsgericht hat die Berufungen beider Parteien zurückgewiesen. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat der erkennende Senat die Revision gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts durch Beschluß vom 14. Juli 1983 - 2 AZN 81/83 - zugelassen.
Mit der Revision verfolgt der Kläger die Feststellung, daß sein Arbeitsverhältnis auch nicht durch die fristgemäße Kündigung der Beklagten vom 5. November 1981 aufgelöst worden ist, weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Feststellung, daß das Arbeitsverhältnis auch nicht durch die ordentliche Kündigung vom 5. zum 20. November 1981 aufgelöst worden ist. Bezüglich des Auflösungsantrages der Beklagten war der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein zurückzuverweisen.
A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Beklagte habe vom Kläger den Druck des Werbebriefes verlangen können und der Kläger habe diesen Arbeitsauftrag nicht verweigern dürfen. Dabei sei auszugehen von dem Inhalt des Werbebriefes und nicht dem der Prospekte bzw. der Bücher. Die Beklagte habe prüfen müssen, ob der Inhalt des Werbebriefes gegen die Gesetze oder die guten Sitten verstoßen habe bzw. ob die angebotenen Bücher als jugendgefährdend indiziert gewesen oder wegen ihres Inhaltes eine strafgerichtliche Verurteilung erfolgt sei. Der Inhalt des Werbebriefes verstoße weder gegen Gesetze noch gegen die guten Sitten. Dies wäre dann der Fall, wenn die Schrift den freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat angreife oder das Gewalt- und Unrechtsregime des Nazismus verherrliche oder verharmlose. Eine Verherrlichung oder Verharmlosung des nationalsozialistischen Unrechtsstaates scheide jedoch aus, weil der Werbebrief sich nicht mit dem nationalsozialistischen Staat und seinen Handlungen, sondern nur mit Büchern über bestimmte Kriegsereignisse und Kriegserlebnisse beschäftige. Der Inhalt des Werbebriefes sei auch nicht kriegsverherrlichend i.S. des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften.
Zwar seien die Formulierungen einzelner Teile, wie z.B. "Klotzen, nicht kleckern" als Devise für den Einsatz der Luftwaffe anstößig. Ihnen stünden aber gegenteilige Darstellungen gegenüber wie z.B. "Weihnachten in Moskau", das Buch des Hans Schäufler oder der Bildband über die Pferde. In ersterem sollten die Hoffnungen der Frontsoldaten auf Beendigung des gräßlichen Krieges beschrieben werden. Die zweite Buchempfehlung des Werbebriefes betreffe die immensen Schrecken und das unermeßliche Leid, welches dieser Krieg nicht nur für die Überfallenen, sondern auch über das eigene deutsche Volk gebracht hätten, nämlich die Flucht von Millionen Deutschen, insbesondere von Frauen und Kindern vor der heranrückenden Roten Armee. Die Leistungen der Pferde darzustellen stehe mit Kriegsverherrlichung und nationalsozialistischem Gedankengut überhaupt nicht in Verbindung. Es scheine hier so zu sein, daß das Schicksal einer Kreatur - die dem Herrschaftsanspruch des Menschen ausgesetzt sei und in hohem Maße in diesem Krieg habe Opfer bringen müssen - beschrieben und ihr ein "Denkmal" gesetzt werde.
Für den Kläger ergebe sich auch aus Art. 4 GG kein Leistungsverweigerungsrecht, weil er nicht aus Gewissensnot den Druck des Werbebriefes verweigert habe, sondern seine politischen Überzeugungen habe durchsetzen, fördern und ihnen Publizität verschaffen wollen. Bei dieser Feststellung sei die Kammer davon ausgegangen, daß es Sache des Kündigenden sei, die Gründe für die Kündigung darzulegen und zu beweisen. Dazu gehöre auch, daß der Kündigende vom Gegner vorgetragene Gegentatsachen ausräumen müsse, die das rechtswidrige Verhalten, auf das die Kündigung gestützt werde, als entschuldbar erscheinen ließen. Bei der vom Kläger behaupteten Gewissensnot handele es sich aber um eine innere Tatsache, die nur aus äußeren Indiztatsachen geschlossen werden könne; da nur der Kläger allein diese Tatsachen kenne, sei es seine Sache, die Tatsachen vorzutragen, aus denen auf seine Gewissensnot geschlossen werden könne. Sache der Beklagten wäre es dann, dieses Vorbringen zu widerlegen.
Die vom Kläger vorgetragenen Umstände rechtfertigten jedoch nicht den Schluß, er habe aus Gewissensnot gehandelt. Der Kläger führe als Rechtfertigung für sein Handeln an, er fühle sich den Zielen der VVN und denen aus § 4 Ziff. 4 der Satzung der IG Druck und Papier stark verpflichtet. Bei beiden Vereinigungen handele es sich um politische Vereinigungen mit politischen Zielen. Das Gewissen und die Gewissensnot eines Menschen hätten mit Politik nichts zu tun, sondern beruhten auf sittlich-moralischen und religiösen Wertvorstellungen. Eine echte Gewissensentscheidung sei nur in der Form denkbar, daß Krieg und Gewaltherrschaft in jeglicher Form, wo immer sie vorkämen, für den Betreffenden unerträglich seien. Dem Kläger gehe es aber nach seinen eigenen Angaben nur um die Bekämpfung faschistischer Gewaltherrschaft. Von kommunistischen Regierungen ausgehende militärische Gewalt und Gewaltherrschaft lasse ihn offenbar unberührt. Gegen eine wirkliche Gewissensnot des Klägers spreche auch, daß er in keiner Form bereit gewesen sei, Zugeständnisse zu machen und Verständnis für die Situation der Beklagten aufzubringen.
B. Dieser Würdigung des Landesarbeitsgerichts kann weder in wesentlichen Teilen der Begründung noch im Ergebnis gefolgt werden.
I. Bei der Frage der Sozialwidrigkeit der Kündigung handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden kann, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es bei der gebotenen Interessenabwägung, bei der dem Tatrichter ein Beurteilungsspielraum zusteht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob es in sich widerspruchsfrei ist (vgl. BAG 1, 99 = AP Nr. 5 zu § 1 KSchG; BAG 29, 49 = AP Nr. 4 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit). Auch diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält das Urteil des Berufungsgerichts nicht stand.
II. Nach den insoweit nicht mit zulässigen Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger am 3. November 1981 die Ausführung des ihm von der Beklagten erteilten Auftrages, den Werbebrief des Dr. Z zu drucken, verweigert und die Beklagte ihre am 5. November 1981 ausgesprochene fristgemäße Kündigung allein auf diesen Vorfall gestützt.
Die Verweigerung einer Tätigkeit, zu der der Arbeitnehmer aufgrund seines Arbeitsvertrages verpflichtet ist, ist - nach erfolgter Abmahnung - an sich geeignet, einen Grund zur sozialen Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung abzugeben. Dieser Tatbestand liegt aber entgegen der Würdigung des Landesarbeitsgerichts nicht vor.
III. 1. Die Beklagte hat zwar die am 2. November 1981 vom Kläger erklärte Weigerung, die Prospekte zu drucken, insofern hingenommen, als sie ihn an eine andere Maschine versetzt hat, sie hat ihn jedoch nach dem festgestellten Sachverhalt darauf hingewiesen, daß er mit Konsequenzen rechnen müsse, wenn er seine Haltung beibehalte. Der Kläger mußte daher damit rechnen, daß die Beklagte eine erneute Arbeitsverweigerung nicht mehr hinnehmen werde. Dies reicht für eine Abmahnung aus.
2. Dem Berufungsgericht kann jedoch nicht darin gefolgt werden, der Kläger sei nach der objektiven Rechtslage verpflichtet gewesen, den ihm übertragenen Druckauftrag auszuführen.
a) Da der Kläger bei der Beklagten als Drucker beschäftigt war, war er grundsätzlich dazu verpflichtet, die Arbeiten auszuführen, die zu dem Berufsbild des Druckers gehören.
b) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß der Kläger den Auftrag dann hätte verweigern dürfen, wenn der Inhalt des Werbebriefes gegen Gesetze oder gegen die guten Sitten verstoßen hätte.
aa) Wird der Arbeitnehmer durch den Arbeitsvertrag ausdrücklich verpflichtet, eine Tätigkeit auszuüben, die gegen ein gesetzliches Verbot bzw. gegen die guten Sitten verstößt, so ist der Arbeitsvertrag bzw. die auf dem Arbeitsvertrag beruhende Verpflichtung gemäß § 134 BGB bzw. § 138 BGB nichtig (BAG 28, 83 = AP Nr. 34 zu § 138 BGB). Das gleiche gilt für den Fall, daß die Leistungspflicht des Arbeitnehmers im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschrieben ist und der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aufgrund seines Direktionsrechts Arbeiten zuweist, deren Ausführung gegen gesetzliche Verbote bzw. gegen die guten Sitten verstößt, da das auf dem Arbeitsvertrag beruhende Weisungsrecht seine Grenzen in den Vorschriften der Gesetze findet (vgl. BAG 33, 71 = AP Nr. 26 zu § 611 BGB Direktionsrecht).
bb) Der Kläger hätte mit der Ausführung des von ihm verlangten Druckauftrages nicht gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen. Das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, das Drucken des Werbebriefes erfülle schon deshalb nicht den Tatbestand des § 86 Abs. 1 StGB in Verb. mit § 27 StGB, weil die Bücher bzw. der Werbebrief nicht von einer in § 86 Abs. 1 StGB genannten Partei oder Vereinigung vertrieben werden. Aus dem festgestellten Sachverhalt bzw. dem Vortrag des Klägers sind auch keine Umstände ersichtlich, wonach die Bücher bzw. Teile der Bücher als Schriften i.S. des § 131 StGB (Schriften, die Gewalttätigkeiten gegen Menschen in grausamer oder sonst unmenschlicher Weise schildern und d a d u r c h eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrücken oder die zum Rassenhaß aufstacheln) anzusehen sind.
Der vorliegende Sachverhalt läßt auch keine Anhaltspunkte dafür erkennen, daß der Kläger durch die Ausführung des Druckauftrages gegen Vorschriften des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften verstoßen hätte.
Das Verbreitungsverbot der §§ 3, 4 GjS sowie das Werbungsverbot des § 5 GjS gelten nur für Schriften, deren Aufnahme in die Liste bekannt gemacht ist. Der Kläger hat jedoch nicht vorgetragen, daß die beworbenen Bücher in die Indexliste aufgenommen worden sind. Zwar unterliegen gemäß § 6 GjS schwergefährdende Schriften i.S. des § 6 Ziff. 1 bis 3 GjS auch dann den Beschränkungen der §§ 3 bis 5 GjS, wenn sie noch nicht in die Liste aufgenommen bzw. dieses bekannt gemacht worden ist. Vorliegend sind jedoch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß die Bücher schwere Gefährdungen i.S. des § 6 GjS beinhalten.
cc) Es kann dahingestellt bleiben, ob der Inhalt des Werbebriefes und das Drucken desselben gegen die guten Sitten verstößt (§ 138 BGB), denn unabhängig davon hatte der Kläger das Recht, den Abdruck des Werbebriefes aus Gewissensnot zu verweigern.
c) Der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts hat bereits in seinem Urteil vom 29. Januar 1960 (- 1 AZR 200/58 - BAG 9, 1 = AP Nr. 12 zu § 123 GewO) entschieden, "kein Bürger der Bundesrepublik (könne) nach seinem Arbeitsvertrag verpflichtet sein, für eine Zeitschrift, die den freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat angreift oder das blutbefleckte Gewalt- und Unrechtsregime des Nazismus verherrlicht oder verharmlost, auch nur im geringsten tätig zu werden. Ein Arbeitnehmer habe bei einem derartigen Verlangen des Arbeitgebers das Recht und auch die Pflicht, eine solche Tätigkeit abzulehnen." Dieser nicht näher begründeten Auffassung des Ersten Senats schließt sich der erkennende Senat mit der Maßgabe an, daß aufgrund der mittelbaren Wirkung des Grundrechts der Gewissensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) über § 315 Abs. 1 BGB der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keine Arbeit zuweisen darf, die den Arbeitnehmer in einen solchen Gewissenskonflikt versetzt, der unter Abwägung der beiderseitigen Interessen vermeidbar gewesen wäre.
aa) Zwar lehnt ein Teil der Literatur und Rechtsprechung eine Berechtigung des Schuldners, aus Gewissensgründen die Erfüllung seiner vertraglichen Pflicht zu verweigern, ab (vgl. Wieacker, Vertragsbruch aus Gewissensnot, JZ 1954, 466 bis 468; Diederichsen, Gewissensnot als Schuldbefreiungsgrund? in: Festschrift für Karl Michaelis, S. 36 bis 62, insbes. S. 60; LAG Frankfurt, ARSt I Nr. 327; ArbG Hamburg, ARSt I Nr. 654 und LAG Stuttgart, ARSt II Nr. 889).
Ganz überwiegend wird jedoch in Rechtsprechung und Schrifttum zu Recht die Berücksichtigung von Gewissenskonflikten gegenüber privatrechtlichen Pflichten bejaht (vgl. z.B. Bosch/Habscheid, JZ 1954, 213 bis 217; dieselben JZ 1956, 297 bis 303; Blomeyer, JZ 1954, 309 bis 312; Krüger, RdA 1954, 365 bis 375; Kaufmann, Die Einrede der entgegenstehenden Gewissenspflicht, AcP 161, 289 bis 316; Molitor, Anm. zu LAG Bayern vom 13. März 1958 - N 275/57/VI, SAE 1958, 167; Kraft, Rechtspflicht und Gewissenspflicht, AcP 163, 472 bis 486; Habscheid, JZ 1964, 246 bis 249; Brecher, Grundrechte im Betrieb, in: Festschrift für Hans Carl Nipperdey, Bd. II, S. 29 bis 54; Scheschonka, Arbeits- und Leistungsverweigerung aus Glaubens- oder Gewissensnot, Diss. Hamburg 1972; Isenhardt, Die Freiheit des Gewissens im Privatrecht, Diss. Köln 1972; Otto, Personale Freiheit und soziale Bindung, 1978, S. 108 ff.; Mayer-Maly, Das Gewissen und das Arbeitsrecht, Festschrift für Gerhard Müller, S. 325 bis 332; LAG Düsseldorf, BB 1964, 597; LG Heidelberg, NJW 1966, 1922 bis 1925).
Zum Teil wird auf eine unmittelbare Wirkung von Art. 4 Abs. 1 GG im Privatrecht abgestellt (z.B. Krüger, aaO), zum Teil wird ein Leistungsverweigerungsrecht angenommen, das sich aus der verfassungskonformen Auslegung der Generalklausel des § 242 BGB ergeben soll. Dabei wird zumeist auf den Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit abgestellt (Bosch/Habscheid, JZ 1954, 213 f.; JZ 1956, 297 f.; Molitor, aaO, S. 167; Otto, aaO, S. 117; Mayer, Arbeitsverweigerung aus Gewissensgründen, BlStSozArbR 1983, 343 bis 347; Soergel/Siebert/Knopp, BGB, 10. Aufl., § 242 Rz 28; Scheschonka, aaO, S. 55 f. m.w.N.; LAG Düsseldorf, JZ 1964, 258).
bb) Nach Auffassung des Senats bedarf es in der Regel wie auch im vorliegenden Falle weder der unmittelbaren Berufung auf Art. 4 GG noch der Berufung auf die Generalklausel des § 242 BGB. Vielmehr ergibt sich vorliegend eine Einschränkung des Direktionsrechts des Arbeitgebers aus § 315 BGB i.V.m. Art. 4 GG.
Aufgrund seines Weisungsrechts kann der Arbeitgeber einseitig die im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht des Arbeitnehmers nach Zeit, Ort und Art der Leistung bestimmen. Das Weisungsrecht, das seine Grenzen in Vorschriften der Gesetze, des Kollektiv- und des Einzelarbeitsvertragsrechts findet, darf gemäß § 315 Abs. 1 BGB nur nach billigem Ermessen ausgeübt werden (BAG 33, 71 = AP Nr. 26 zu § 611 BGB Direktionsrecht). Die in § 315 BGB geforderte Billigkeit wird inhaltlich auch durch das Grundrecht der Gewissensfreiheit bestimmt (vgl. Söllner, Grundriß des Arbeitsrechts, 8. Aufl., S. 33, inbes. Fn 32; derselbe, Einseitige Leistungsbestimmung im Arbeitsverhältnis, 1966 S. 134).
Was dem billigen Ermessen i.S. von § 315 BGB entspricht, ist unter Abwägung der Interessenlage beider Vertragsparteien festzustellen (vgl. BAG Urteil vom 15. Dezember 1976 - 5 AZR 600/75 - AP Nr. 3 zu § 611 BGB Arzt-Krankenhaus-Vertrag). Insoweit ist es letztlich eine Frage des Einzelfalles, ob die Zuweisung einer den Arbeitnehmer in Gewissenskonflikte stürzenden Tätigkeit nicht der Billigkeit des § 315 BGB entspricht und der Arbeitnehmer daher nicht verpflichtet ist, diese Tätigkeit auszuüben.
Für die Interessenabwägung ist grundsätzlich von Bedeutung, ob der Arbeitnehmer schon bei Vertragsabschluß damit rechnen mußte, daß ihm eine derartige Tätigkeit zugewiesen werden könnte (vgl. Krüger, aaO, 373; Scheschonka, S. 190 ff.; Otto, aaO, S.121). Derjenige Arbeitnehmer, der einen Arbeitsvertrag mit dem Inhaber eines Rüstungsbetriebes abschließt, kann sich daher nicht darauf berufen, die Zuweisung einer bestimmten, der Rüstung dienenden Tätigkeit sei unbillig, denn er könne aus Gewissensgründen diese Tätigkeit nicht ausüben. Weiterhin ist bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen, ob der Arbeitgeber aus betrieblichen Erfordernissen darauf bestehen muß, daß gerade der sich auf den Gewissenskonflikt berufende Arbeitnehmer den Auftrag ausführt. Stehen z.B. in einem Krankenhaus mehrere Ärzte für einen vorzunehmenden Schwangerschaftsabbruch zur Verfügung, handelt der Arbeitgeber unbillig, der darauf besteht, diese Tätigkeit solle von einer die Abtreibung aus Gewissensgründen ablehnenden Ärztin ausgeführt werden. Schließlich ist bei der Frage, ob die Zuweisung einer Tätigkeit dem billigen Ermessen i.S. von § 315 BGB entspricht, auch zu berücksichtigen, ob der Arbeitgeber in der Zukunft mit zahlreichen weiteren Gewissenskonflikten rechnen muß und ob er gegebenenfalls in der Lage ist, dem Arbeitnehmer einen freien Arbeitsplatz anzubieten, an dem der Gewissenskonflikt nicht auftritt.
3. Bei Anwendung dieser Grundsätze hätte das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis kommen müssen, die Beklagte habe den Kläger nicht zum Druck des Werbebriefes anhalten und der Kläger diese Arbeit aus Gewissensgründen verweigern dürfen.
a) Zutreffend ist das Berufungsgericht zunächst davon ausgegangen, es sei Sache des Kündigenden, die Gründe für die Kündigung darzulegen und zu beweisen. Dem Landesarbeitsgericht ist auch darin zuzustimmen, daß es sich bei der vom Kläger behaupteten Gewissensnot um eine innere Tatsache handelt, die nur aus äußeren Indiztatsachen geschlossen werden kann. Wie sich bereits aus § 138 Abs. 2 ZPO ergibt, hat der Kläger die Tatsachen vorzutragen, aus denen sich seine Gewissensnot ergeben soll, während es Sache der Beklagten ist, das Vorbringen des Klägers zu widerlegen (vgl. KR-Wolf, 2. Aufl., Grundsätze Rz 421 und KR-Hillebrecht, 2. Aufl., § 626 BGB Rz 277).
b) Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht aber angenommen, der Kläger habe nicht aus Gewissensnot gehandelt.
Es hat schon den Begriff der Gewissensentscheidung verkannt.
aa) "Gewissen" i.S. des allgemeinen Sprachgebrauchs und des Art. 4 GG ist als ein real erfahrbares seelisches Phänomen zu verstehen, dessen Forderungen, Mahnungen und Warnungen für den Menschen unmittelbar evidente Gebote unbedingten Sollens sind. Als eine Gewissensentscheidung ist jede ernste sittliche, d.h. an den Kategorien von "gut" und "böse" orientierte Entscheidung anzusehen, die der einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfährt, so daß er gegen sie nicht ohne ernste Gewissensnot handeln könnte (BVerfGE 12, 45, 54 bis 55). Das Gewissen kann durch äußere Einflüsse geweckt und veranlaßt werden, zu einem bestimmten Ereignis Stellung zu beziehen und nach innerer Prüfung eine Entscheidung zu treffen. Diese von außen kommenden Anregungen können verschiedener Art sein. Sie können nicht bloß aus religiösen oder ethischen Vorstellungen kommen, sie können auch in gefühlsmäßigen Erwägungen, in weltanschaulichen Grundsätzen oder politischen Überzeugungen wurzeln. Allerdings darf die Entscheidung nicht ausschließlich verstandesmäßigen, politischen oder weltanschaulichen Gefühlen entspringen; diese Motive können jedoch zur Auslösung der Gewissensentscheidung beitragen (BVerwGE 7, 242, 246).
bb) Dagegen verkürzt das Berufungsgericht den Begriff des Gewissens, wenn es ausführt, das Gewissen und die Gewissensnot eines Menschen hätten mit Politik nichts zu tun, sondern sie beruhten auf sittlich-moralischen und religiösen Wertvorstellungen. Zwar kann von einer Gewissensentscheidung dann keine Rede sein, wenn eine Handlung nur deswegen abgelehnt wird, weil sie mit der Zielsetzung einer Partei nicht vereinbar ist, der der Handelnde angehört. So kann sich derjenige Kriegsdienstverweigerer nicht auf Gewissensnot berufen, der dem Dienst mit der Waffe gleichgültig gegenübersteht, jedoch meint, den Kriegsdienst deshalb verweigern zu müssen, weil er Mitglied einer Partei ist, die die Wehrpflicht abschaffen will.
Gerade davon kann aber beim Kläger nicht ausgegangen werden. Er hat zwar erklärt, er fühle sich der in § 4 Ziff. 4 der Satzung der IG Druck und Papier verankerten Zielsetzung verpflichtet, an der Bekämpfung von faschistischen, militaristischen und reaktionären Einflüssen und aller sonstigen antidemokratischen Bestrebungen mitzuwirken sowie die Ziele der VVN zu verwirklichen. Daraus läßt sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts jedoch nicht entnehmen, der Kläger trete der Verherrlichung des nationalsozialistischen Unrechtsregimes und der Kriegsverherrlichung nur deshalb entgegen, weil dies der Zielsetzung dieser politischen Vereinigungen entspreche, deren Mitglied er ist. Das Landesarbeitsgericht hätte sich vielmehr zunächst mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob nicht der Kläger gerade deswegen Mitglied dieser Vereinigungen geworden ist, weil er seine - vom Gewissen geleiteten - Vorstellungen in diesen Vereinigungen am besten verwirklichen kann. Dafür spricht bezüglich der VVN, daß deren wesentliche Zielsetzung ist, neonazistischen und militaristischen Bestrebungen entgegenzuwirken.
cc) Nicht nachvollziehbar ist die Schlußfolgerung des Berufungsgerichts, es spreche gegen eine wirkliche Gewissensnot des Klägers, daß er in keiner Form bereit gewesen sei, Zugeständnisse zu machen und Verständnis für die Situation der Beklagten aufzubringen. Hätte der Kläger Zugeständnisse gemacht und aus Verständnis für die Situation der Beklagten den Werbebrief ganz oder teilweise gedruckt, spräche ein derartiges Verhalten gerade gegen eine Gewissensentscheidung. Wesen der Gewissensentscheidung ist es gerade, daß sie "vernünftigen" Argumenten nicht mehr zugänglich ist.
dd) Schließlich hat das Berufungsgericht nicht berücksichtigt, daß der Kläger unstreitig anerkannter Kriegsdienstverweigerer ist, der Ersatzdienst geleistet hat. Das setzt voraus, daß dem Kläger vom Prüfungsausschuß für Kriegsdienstverweigerer des Kreiswehrersatzamtes bestätigt worden ist, er könne den Kriegsdienst mit seinem Gewissen nicht vereinbaren. Die Beklagte hat zwar zu Recht darauf hingewiesen, der Status des Kriegsdienstverweigerers sei öffentlich-rechtlicher Natur. Darauf kommt es aber in diesem Zusammenhang nicht an: Mit dem Hinweis auf seinen Status als Kriegsdienstverweigerer hat der Kläger nämlich eine Indiztatsache dargelegt, die darauf schließen läßt, daß er tatsächlich in Gewissensnot geriet, als er den Auftrag erhielt, den Werbebrief zu drucken, dessen Inhalt kriegsverherrlichend ist, wie noch auszuführen sein wird. Es wäre daher Sache der Beklagten gewesen, nunmehr darzulegen, aus welchen Gründen der Kläger trotz allem nicht aus Gewissensnot die Arbeit verweigert haben soll. Da dies die Beklagte unterlassen hat, hätte das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis kommen m ü s s e n, der Kläger habe am 3. November 1981 sich aus Gewissensnot geweigert, den Werbebrief des Dr. Z zu drucken.
ee) Dem Kläger kann auch nicht entgegengehalten werden, der Werbebrief des Dr. Z sei von seinem Inhalt her gar nicht geeignet gewesen, ihn in Gewissensnot zu bringen. Dieser Werbebrief verharmlost und verherrlicht nämlich den Krieg: Die Anpreisung der Bücher von Schäufler, Baumbach, über die Me 262 und die Besetzung von Kreta besteht aus glorifizierenden Beurteilungen kriegerischer Leistungen; dabei erscheint der Krieg als ritterlicher Lebensstil und wird einem Abenteuer gleichgestellt. Daß im Krieg Menschen getötet werden, kommt nur bei der Würdigung der kriegerischen Leistungen deutscher Soldaten mittelbar zum Ausdruck und wird hier gebilligt, etwa wenn die Devise der Luftwaffe "Klotzen, nicht kleckern" gelobt wird oder das Geschick und Können der Kampfflieger hervorgehoben wird, die bis zu 400 bis 600 Einsätze geflogen sind.
c) Der Senat hat auch abschließend feststellen können, daß die Beklagte bei Abwägung der Interessen beider Vertragsteile vorliegend das Direktionsrecht unbillig ausgeübt hat und aus diesem Grunde das Arbeitsverhältnis auch durch die ordentliche Kündigung nicht aufgelöst worden ist.
Der Kläger hat bei Abschluß des Arbeitsvertrages nicht damit rechnen müssen, daß die Beklagte von ihm verlangen werde, kriegsverherrlichende Werbebriefe für entsprechende Literatur oder diese selbst zu drucken, denn zu diesem Zeitpunkt hatte die Beklagte derartige Druckaufträge noch nicht. Erst mehr als anderthalb Jahre nach dem Beginn des Arbeitsverhältnisses erhielt die Beklagte Druckaufträge, die den Kläger in einen Gewissenskonflikt brachten. Die Beklagte hat auch nicht damit rechnen müssen, es komme in Zukunft zu häufigen, immer wiederkehrenden Arbeitsverweigerungen des Klägers, denn sie hat selbst nicht behauptet, es lägen weitere Druckaufträge kriegsverharmlosender oder kriegsverherrlichender Art vor. Die Beklagte hat auch nicht aus betrieblichen Erfordernissen darauf bestehen müssen, daß gerade der Kläger den Werbebrief des Dr. Z am 3. November 1981 druckte. Die Beklagte hätte nämlich diesen Druckauftrag einem Arbeitskollegen geben können, der hierdurch keinem Gewissenskonflikt ausgesetzt gewesen wäre, und den Kläger solange an eine andere Druckmaschine stellen können. Genügend andere Druckaufträge lagen vor, der Kläger war zu dem Wechsel bereit, eine andere Maschine stand still. Am Vortage, als der Kläger erstmals einen Druckauftrag aus Gewissensgründen abgelehnt hatte, war die Beklagte auch so verfahren. Dementsprechend hätte die Beklagte am 3. November 1981 ihr Leistungsbestimmungsrecht gemäß § 315 Abs. 1 BGB in Verb. mit Art. 4 Abs. 1 GG so ausüben müssen, daß der Kläger nicht überflüssigerweise in den Gewissenskonflikt geraten wäre. Dementsprechend ist die ordentliche Kündigung sozial nicht gerechtfertigt und damit unwirksam.
C. Da das Berufungsgericht die Klage gegen die ordentliche Kündigung abgewiesen hat, brauchte es von seinem Standpunkt aus nicht auf den Auflösungsantrag der Beklagten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG einzugehen. Die Beklagte hat zwar im Revisionsverfahren nur beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen. Gleichwohl ist der Auflösungsantrag auch in der Revisionsinstanz anhängig geworden (vgl. dazu eingehend BAG 34, 309 ff. = AP Nr. 22 zu § 102 BetrVG 1972). Insoweit war der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Auch die Kostenentscheidung bleibt dem Landesarbeitsgericht vorbehalten.
Hillebrecht Triebfürst Dr. Weller
Strümper Dr. Wolter
Fundstellen
Haufe-Index 437915 |
BAGE 47, 363-379 (LT1-2) |
BAGE, 363 |
BB 1985, 1853-1855 (LT1-2) |
DB 1985, 2689-2690 (LT1-2) |
NJW 1986, 85 |
NJW 1986, 85-87 (LT1-2) |
ARST 1986, 71-72 (LT1-2) |
BlStSozArbR 1985, 308-308 (T) |
JR 1986, 527 |
NZA 1986, 21-23 (LT1-2) |
AP § 611 BGB Direktionsrecht (LT1-2), Nr 27 |
AR-Blattei, Direktionsrecht Entsch 19 (LT1-2) |
AR-Blattei, ES 600 Nr 19 (LT1-2) |
AfP 1986, 96 |
ArbuR 1986, 379-383 (LT1-2) |
EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung, Nr 16 (LT1-2) |
JZ 1985, 1108-1111 (LT1-2) |
JuS 1986, 490-491 (LT1-2) |
MDR 1985, 1051-1052 (LT1-2) |