Leitsatz (amtlich)
- Ein Betriebsratsmitglied, das vor seiner Freistellung von der beruflichen Tätigkeit Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit geleistet und dafür steuer- und sozialabgebenfrei Zuschläge zum Lohn erhalten hat, kann nach seiner Freistellung vom Arbeitgeber nicht deren ungeschmälerte (unversteuerte und sozialabgebenfreie) Auszahlung verlangen.
Der Arbeitgeber ist gegenüber diesem Betriebsratsmitglied auch nicht verpflichtet, die Differenz zum Nettolohn zu zahlen, die sich für den Arbeitnehmer daraus ergibt, daß nach seiner Freistellung als Betriebsratsmitglied die an ihn weiterzuzahlenden Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit steuer- und sozialversicherungspflichtig sind.
(Abweichung von BAG 22, 57 = AP Nr. 12 zu § 37 BetrVG)
Normenkette
BetrVG 1972 § 37 Abs. 2, § 78 S. 2; BGB § 611 Abs. 1; EStG 1975 § 3b Abs. 1
Verfahrensgang
LAG Schleswig-Holstein (Urteil vom 16.01.1978; Aktenzeichen 3 Sa 572/77) |
ArbG Flensburg (Urteil vom 15.09.1977; Aktenzeichen 1 Ca 357/77) |
Tenor
- Die Revision der Kläger zu 1) und 2) gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 16. Januar 1978 – 3 Sa 572/77 – wird zurückgewiesen.
- Auf die Anschlußrevision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 16. Januar 1978 – 3 Sa 572/77 – insoweit aufgehoben, als die Beklagte auf die Berufung der Kläger zu 1) und 2) verurteilt worden ist, an den Kläger zu 1) 94,50 DM netto und an den Kläger zu 2) 91,63 DM netto jeweils nebst Zinsen zu zahlen. Die Berufung der Kläger zu 1) und 2) gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 15. September 1977 – 1 Ca 357/77 – wird auch insoweit zurückgewiesen.
- Die Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger zu 1) und 2) zu je 11/24 und die Beklagte zu 1/12 zu tragen, soweit darüber nicht bereits durch das Urteil des Landesarbeitsgerichts rechtskräftig entschieden worden ist.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Kläger sind als Mitglieder des Betriebsrats im Betrieb der Beklagten von ihrer beruflichen Tätigkeit freigestellt. Vorher waren sie als gewerbliche Arbeitnehmer auch in der Nachtschicht eingesetzt. Nachdem die Beklagte zunächst von November 1975 bis Juni 1976 die Nachtzuschläge den Klägern zu 1) und 2) steuer- und sozialabgabenfrei ausgezahlt hatte, behielt sie danach die auf diese Beträge entfallenden Steuern und Sozialbeiträge ein und zahlte den Klägern nur noch den sich danach ergebenden Nettobetrag.
Die Kläger hatten zunächst Klage erhoben mit dem Begehren, die für die Monate August bis Oktober 1976 einbehaltenen sowie abgeführten Steuern und Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von jeweils netto 94,50 DM und 91,63 DM an sie zu zahlen. Den Gütetermin in jenem Rechtsstreit haben nach telefonischer Vereinbarung die Prozeßbevollmächtigten beider Parteien nicht wahrgenommen. In der Niederschrift über die Güteverhandlung ist vermerkt, daß sich der Rechtsstreit aufgrund telefonischer Information der Parteivertreter erledigt habe, da sich die Parteien außergerichtlich geeinigt hätten.
Nachdem die Beklagte die seinerzeit eingeklagten Beträge nicht zahlte, haben die Kläger erneut Klage erhoben. Die Kläger zu 1) und 2) begehren nunmehr Zahlung für den Zeitraum August 1976 bis Juni 1977 in der rechnerisch unstreitigen Höhe von 324,01 DM und 334,63 DM.
Die Kläger haben geltend gemacht, die beiderseitigen Prozeßbevollmächtigten hätten seinerzeit sich dahin geeinigt, daß die Forderungen der Kläger für die Monate August bis Oktober 1976 erfüllt würden. Im übrigen sei die Beklagte verpflichtet, ihnen ihr effektives Arbeitseinkommen weiter zu zahlen, wie sie es ohne Freistellung erhalten hätten. Durch die zeitweilige Zahlung der Nachtzuschläge ohne Einbehaltung der Steuern und Sozialabgaben sei im übrigen eine entsprechende stillschweigende Vereinbarung getroffen worden.
Die Kläger haben entsprechende Zahlungsanträge gestellt. Die Beklagte hat beantragt, die Klagen abzuweisen.
Die Klagen hatten vor dem Arbeitsgericht keinen Erfolg. Auf die Berufung der Kläger hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise geändert und die Beklagte verurteilt, den Klägern die für die Zeit von August bis Oktober 1976 auf die Nachtzuschläge abgeführten Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen. Im übrigen hat das Landesarbeitsgericht die Klagen abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.
Mit der zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Klagbegehren weiter, soweit ihm nicht entsprochen ist. Die Beklagte hat Anschlußrevision eingelegt und bittet um Zurückweisung der Revision und um Wiederherstellung des Urteils des Arbeitsgerichts.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision der Kläger ist unbegründet.
Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht einen Anspruch der Kläger gegen die Beklagte auf Zahlung von Beträgen verneint, die den von dieser abgeführten Lohnsteuern und Sozialversicherungsbeiträge für November 1976 bis Juni 1977 gezahlten Nachtzuschläge entsprechen.
1. Das Landesarbeitsgericht hat die von den Klägern in den Vorinstanzen behauptete Vereinbarung mit der Beklagten, die Nachtzuschläge an sie für immer steuer- und sozialversicherungsfrei zu zahlen, nicht für bewiesen erachtet. Hiergegen haben die Kläger mit der Revision keine Angriffe erhoben, so daß insoweit die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts für das Revisionsgericht bindend sind (§ 561 Abs. 2 ZPO).
2. Ebenso ist jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden, daß das Landesarbeitsgericht angenommen hat, die zeitweilige abzugsfreie Auszahlung der Nachtzuschläge an die Kläger habe keine vertragliche Verpflichtung der Beklagten ausgelöst.
Allerdings kann im Gegensatz zur Auffassung des Landesarbeitsgerichts ein Arbeitgeber nicht jederzeit, wenn er an einen Arbeitnehmer irrtümlich Zahlungen geleistet hat, zu deren Berichtigung übergehen; dies kann er jedenfalls dann nicht ohne weiteres, wenn aus der Zahlung selbst auf eine entsprechende rechtsgeschäftliche Verpflichtungserklärung des Arbeitgebers, geschlossen werden kann. Daran fehlt es aber hier, da ein für eine rechtsgeschäftliche Erklärung erforderlicher Geschäftswille bei der Beklagten nicht vorhanden war. Mit der abzugsfreien Zahlung an die Kläger wollte die Beklagte für die Kläger erkennbar keine Verpflichtung eingehen, sondern eine vermeintliche Verpflichtung erfüllen.
3. Das Landesarbeitsgericht hat auch zu Recht einen über § 37 Abs. 2 BetrVG vermittelten Anspruch der Kläger auf abzugsfreie Auszahlung der Nachtzuschläge verneint.
Nach § 37 Abs. 2 BetrVG sind Mitglieder des Betriebsrats von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Dieser Anspruch steht den Klägern als nach § 38 Abs. 1 BetrVG freigestellten Betriebsratsmitgliedern zu. Er umfaßt auch die den Klägern vor ihrer Freistellung entsprechend ihrer Tätigkeit regelmäßig anfallenden Nachtzuschläge (vgl. BAG 4, 192 = AP Nr. 5 zu § 37 BetrVG [betr. Sonntagsarbeit]).
Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, daß die Beklagte nicht verpflichtet ist, den Klägern diese Zuschläge ohne Abzüge auszuzahlen, sondern gegenüber den Klägern berechtigt ist, entsprechend den steuerrechtlichen und den sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen Abzüge vorzunehmen. Daran ändert nichts, daß die Kläger vor ihrer Freistellung, als sie tatsächlich Nachtarbeit leisteten, diese Beträge abgabenfrei ausgezahlt erhielten.
Durch § 37 Abs. 2 BetrVG wird für Betriebsratsmitglieder kein eigenständiger Lohnanspruch begründet, sondern es bleiben die dem Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber zustehenden Ansprüche erhalten (vgl. dazu z.B. BAG 25, 23 = AP Nr. 1 zu § 37 BetrVG 1972; AP Nr. 16 und 17 zu § 37 BetrVG 1972). Der Arbeitgeber ist verpflichtet, das dem Arbeitnehmer aufgrund seines Arbeitsverhältnisses geschuldete Arbeitsentgelt trotz Nichterbringung der Arbeitsleistung für die Dauer der Betriebsratstätigkeit weiterzuzahlen. Damit schuldet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer weiterhin das üblicherweise als Bruttovergütung bezeichnete Entgelt, also die Vergütung, die er bereits vor der Wahl des betreffenden Arbeitnehmers als Mitglied des Betriebsrats zu zahlen hatte, sofern die Arbeitsvertragsparteien nicht eine ausdrückliche Vereinbarung darüber getroffen haben, daß der Arbeitgeber die anfallenden Steuern und Sozialversicherungsbeiträge allein übernimmt (vgl. BAG Urteil vom 31. Mai 1978, AP Nr. 9 zu § 2 LohnFG). Dafür bestehen hier jedoch keine Anhaltspunkte.
Der Arbeitgeber erfüllt seine Verpflichtung zur Zahlung der Vergütung gegenüber dem Arbeitnehmer auch dadurch, daß er die vom Arbeitnehmer zu entrichtenden Beträge für Steuern (§ 38 Abs. 2 S. 1 EStG 1975) und Sozialversicherungsbeiträge vom Lohn einbehält und an das Finanzamt (§ 38 Abs. 3 S. 1 EStG 1975) bzw. an den Sozialversicherungsträger kraft gesetzlicher Verpflichtung abführt.
Zwar bestand keine Verpflichtung der Kläger zur Zahlung von Lohnsteuer für die Ihnen zustehenden Nachtarbeitszuschläge, solange sie tatsächlich Nachtarbeit leisteten (vgl. § 3b Abs. 1 EStG 1975 in der Fassung vom 5. September 1974 BGBl. I 2165). Entsprechendes gilt für die Beiträge zur Sozialversicherung. Diese steuer- bzw. sozialversicherungsrechtliche Vergünstigung ist jedoch mit der Freistellung der Kläger als Betriebsratsmitglieder weggefallen. Wird tatsächlich keine Nachtarbeit bzw. Sonntags- und Feiertagsarbeit geleistet, unterliegen diese Lohnzuschläge der Steuer- bzw. der Sozialversicherungspflicht. Das trifft nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs auch für Zuschläge zu, die freigestellten Betriebsratsmitgliedern nach § 37 Abs. 2 BetrVG 1972 weitergezahlt werden müssen, da diese Arbeitnehmer nicht die in § 3b EStG genannten Merkmale erfüllen, also nicht tatsächlich Nachtarbeit leisten (BFH, Urteil vom 3. Mai 1974 – BStBl. 1974 II, 646 = DB 1974, 1991 f., zur inhaltsgleichen Vorschrift des § 34a Abs. 1 EStG 1971; entsprechend für Lohnbestandteile, die in die Berechnung des Urlaubsentgelts eingehen, BFH, Urteil vom 14. Juni 1967, BStBl. 1967 III 609; vgl. auch Altehoefer-Schwarz, Steuerrecht und Arbeitsverhältnis, 1978, S. 97 ff. [104]). Damit war die Beklagte gegenüber den Klägern berechtigt (und im übrigen gegenüber dem Finanzamt bzw. dem Sozialversicherungsträger verpflichtet), die sich nach diesen Lohnbestandteilen zu berechnenden Steuern und Sozialabgaben einzubehalten und abzuführen.
4. Hiervon ist im Grundsatz auch der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom 10. Juni 1969 (BAG 22, 57 = AP Nr. 12 zu § 37 BetrVG) ausgegangen.
Gleichwohl hat der Erste Senat eine Verpflichtung des Arbeitgebers angenommen, die Beträge, die er an Lohnsteuern auf Sonntags- und Nachtzuschläge einbehalten und an das Finanzamt abgeführt hat, zusätzlich an das freigestellte Betriebsratsmitglied auszuzahlen. Der Erste Senat hat sich dabei von der Erwägung leiten lassen, der Arbeitgeber sei in erster Linie dazu berufen und verpflichtet, den Mitgliedern des Betriebsrats dem Grundgedanken des § 37 Abs. 2 BetrVG 1952 [nunmehr inhaltsgleich § 37 Abs. 2 BetrVG 1972] entsprechend den bisherigen Lebensstandard zu erhalten. Das führe dazu, daß dem Betriebsratsmitglied sein bisheriges Nettoeinkommen erhalten bleiben müsse, weil der Lebensunterhalt daraus und nicht aus dem Bruttoeinkommen bestritten werde. Dies ergebe sich auch aus der Regelung des § 53 Abs. 2 BetrVG 1952 [nunmehr § 78 Satz 2 Halbs. 1 BetrVG 1972], die als grundlegende Vorschrift zur Auslegung von § 37 Abs. 2 BetrVG heranzuziehen sei. Als Konsequenz folge daraus, daß der Arbeitgeber den nach Abzug der infolge der Freistellung von den Finanzbehörden erhobenen Lohnsteuern an den Arbeitnehmer auszuzahlenden Nettobetrag auf den ohne einen solchen Lohnsteuerabzug sich ergebenden Betrag aufzustocken habe. Das Betriebsratsmitglied sei allerdings verpflichtet, Zug um Zug gegen Auszahlung der Beträge durch den Arbeitgeber seinen etwaigen Erstattungsanspruch gegenüber dem Finanzamt an den Arbeitgeber abzutreten. Diese Auffassung hat Zustimmung und Widerspruch gefunden (vgl. zustimmend Fitting-Auffarth-Kaiser, BetrVG, 12. Aufl., § 37 Anm. 26; Galperin-Löwisch, BetrVG, 5. Aufl., § 37 Anm. 38; Gnade-Kehrmann-Schneider, BetrVG, § 37 Anm. 6; Däubler, SAE 1970, 143 f.; Hässler, Die Geschäftsführung des Betriebsrats, 4. Aufl., S. 46 Fußn. 6; kritisch Dietz-Richardi, BetrVG, 5. Aufl., § 37 Anm. 33; Mager-Wisskirchen, BetrVG, § 37 Anm. 14; Kammann-Hess-Schlochauer, BetrVG, § 37 Anm. 42; Stege-Weinspach, BetrVG, 3. Aufl., S. 171; Wiedemann, II. Anm. zu AP Nr. 12 zu § 37 BetrVG, z. T. auch Däubler, SAE 1970, 143).
5. Dieser Auffassung des Ersten Senats folgt der nunmehr zuständige erkennende Senat nicht.
a) Es ist zutreffend, daß zur Zeit der Entscheidung des Ersten Senats im Jahre 1969 die steuerrechtliche Beurteilung nicht eindeutig war. So bestimmte das EStG i.d.F. vom 27. Februar 1968 (BGBl. 1968 I, 172) in § 34a, daß die gesetzlichen oder tariflichen Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit steuerfrei waren, wenn der Arbeitslohn insgesamt 24.000,– DM im Kalenderjahr nicht überstieg. Diese Regelung ist durch das EStG i.d.F. vom 1. Dezember 1971 (BGBl. 1971 I, 1881 [1911]) geändert worden. Nunmehr wurde in § 34a EStG erstmals darauf abgestellt, daß gesetzliche oder tarifvertragliche Zuschläge, die für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit neben dem Grundlohn gezahlt werden, steuerfrei sind. Dieser Inhalt hat auch § 36 Abs. 1 EStG 1975 vom 5. September 1974 (BGBl. 1974 I, 2165 [2172]) beibehalten und nunmehr unverändert § 3b EStG 1979 vom 30. Juni 1979 (BGBl. 1979 I, 721 [729]). Konnte somit noch im Jahre 1969 zweifelhaft sein, ob nach dem Steuerrecht von einer Steuerpflichtigkeit der an freigestellte Betriebsratsmitglieder weitergezahlten Zuschläge für Nachtarbeit auszugehen war, so ist seit 1971 durch die verschiedenen Regelungen in den Einkommenssteuergesetzen klargestellt, daß eine Steuerbefreiung hierfür nicht vorgesehen ist.
Auch die Erwartungen des Ersten Senats des Bundesarbeitsgerichts in die Rechtsprechung der Finanzgerichtsbarkeit haben sich nicht erfüllt. Der Erste Senat hatte bei seiner Entscheidung die Hoffnung geäußert, daß die steuerrechtliche Behandlung, über die zu jener Zeit noch nicht höchstrichterlich entschieden war, zu einer steuerrechtlichen Befreiung der Betriebsratsmitglieder für die ihnen weiter zu gewährenden Zuschläge führen werde und damit nur von einer vorübergehenden Belastung der Arbeitgeber durch die Kosten auszugehen war, die durch die (nochmalige) Auszahlung der den abzuführenden Steuern entsprechenden Beträge entstehen.
Der Bundesfinanzhof hat mit seinem Urteil vom 3. Mai 1974, aaO, hierzu klargestellt, daß die einem Betriebsratsmitglied weiterzuzahlenden Zuschläge zum steuerpflichtigen Arbeitslohn gehören. Hieran ändere nichts, daß das Arbeitsentgelt eines freigestellten Betriebsratsmitglieds nach § 37 Abs. 2 BetrVG 1952 nicht gemindert und ein Betriebsratsmitglied wegen seiner Tätigkeit gem. § 53 Abs. 2 BetrVG 1952 ganz allgemein nicht benachteiligt oder begünstigt werden dürfe. Diesen Bestimmungen komme keine Wirkung für das Steuerrecht zu. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs lassen § 37 Abs. 2 und § 53 Abs. 2 BetrVG 1952 wohl die Zielvorstellung des Gesetzgebers erkennen, die von der praktischen Tätigkeit freigestellten Betriebsratsmitglieder vergleichbaren Arbeitnehmern, die praktische betriebliche Tätigkeit verrichten, in jeder Beziehung gleichzustellen. Diese Zielvorstellung sei indes für das Steuerrecht nicht verwirklicht. Der Bundesfinanzhof hat dargelegt, daß er die im Einkommenssteuergesetz abschließend angeführten Befreiungstatbestände nicht im Hinblick auf die arbeitsrechtliche Regelung in § 37 Abs. 2 und § 52 Abs. 2 BetrVG 1952 im Wege der Gesetzesauslegung zu erweitern vermag. Die weitgehend politische Entscheidung, ob Teile der Verdienstausfall-Entschädigung von freigestellten Betriebsratsmitgliedern steuerfrei sein sollen, müsse dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben.
b) Im Gegensatz zur Auffassung des Ersten Senats ist aus den vom Bundesfinanzhof unter steuerrechtlichen Aspekten geprüften Regelungen des BetrVG 1952, denen nunmehr die Regelungen in § 37 Abs. 2 und § 78 S. 2 Halbs. 1 BetrVG 1972 entsprechen, kein Anspruchsgrund für die von den Klägern begehrten Leistungen zu entnehmen.
Das vom Ersten Senat hierfür herangezogene Lebensstandardprinzip ist weder Merkmal von § 37 Abs. 2 BetrVG noch von § 78 S. 2 Halbs. 1 BetrVG, sondern allenfalls eine Beschreibung von gesetzgeberischen Motiven oder von Folgen, die sich aus dem Gesetz ergeben. Dieses Prinzip kann deshalb nicht umgekehrt zur Auslegung von § 37 Abs. 2 oder von § 78 S. 2 Halbs. 1 BetrVG verwandt werden. Hierauf hat schon Wiedemann (aaO) zu Recht hingewiesen. Entsprechend wird einem Arbeitnehmer weder nach dem Lohnfortzahlungs- (vgl. § 2 Abs. 1 S. 1 LohnFG) noch nach dem Urlaubsrecht (vgl. § 11 Abs. 1 S. 1 BUrlG) ein Anspruch auf ungeschmälerte (unversteuerte) Auszahlung der Nachtzuschläge zugebilligt (vgl. BAG AP Nr. 9 zu § 2 LohnFG; Boldt-Röhsler, BUrlG, 2. Aufl., § 11 Anm. 104; Schmelzer, Urlaubsrecht, 2. Aufl., S. 32, 88), obwohl anerkannt ist, daß auch diese Regelungen Ausprägungen des Lebensstandardprinzips sind.
Auch wenn § 78 S. 2 Halbs. 1 BetrVG zur Auslegung von § 37 Abs. 2 BetrVG herangezogen wird, ergibt sich für den Lohnfortzahlungsanspruch des Betriebsratsmitglieds kein anderes Ergebnis. Nach § 78 S. 2 Halbs. 1 BetrVG ist u.a. die Benachteiligung von Betriebsratsmitgliedern wegen der Ausübung ihrer Tätigkeit untersagt. § 37 Abs. 2 BetrVG betrifft das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer: Der Rückgriff auf § 78 S. 2 Halbs. 1 BetrVG zur Auslegung von § 37 Abs. 2 BetrVG kann sich deshalb nur auf Handlungen bzw. Unterlassungen des Arbeitgebers beziehen. Mit der Ersetzung des Verbots der Benachteiligung durch das Gebot der Erhaltung des Lebensstandards wird aber verdeckt, daß der Arbeitgeber durch die Abführung von Steuern und Sozialversicherungsanteilen nicht den Arbeitnehmer benachteiligt, sondern einer öffentlich-rechtlichen gesetzlichen Verpflichtung nachkommt, die im übrigen auch gegenüber dem Arbeitnehmer besteht. Die “Benachteiligung” durch Veränderung des Lebensstandards beruht damit nicht auf einer Handlung des Arbeitgebers, sondern auf steuerrechtlichen Regelungen und ihrer Anwendung (vgl. dazu Dietz-Richardi, aaO, § 78 Anm. 18). Es ist daher auch nicht einzusehen, den Arbeitgeber mit einem Ausgleichsanspruch des Betriebsratsmitglieds für die aufgrund steuerrechtlicher und sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften eintretenden Folgen zu belasten.
c) Die vom Ersten Senat vertretene Auffassung wird auch nicht etwa durch Art. 3 Abs. 1 GG als verfassungskonforme Auslegung des § 37 Abs. 2 BetrVG geboten. Auch die Ungleichbehandlung des freigestellten Betriebsratsmitglieds gegenüber seinen weiterhin in der Nachtschicht tätigen Kollegen bei der Behandlung der Nachtzuschläge geht nicht vom Arbeitgeber aus und kann folglich nicht im Wege der (verfassungskonformen) Auslegung einer Norm (§ 37 Abs. 2 BetrVG), die den Arbeitgeber zum Adressaten hat, ausgeglichen werden, selbst wenn die steuerrechtliche Ungleichbehandlung entgegen der Ansicht des Bundesfinanzhofs, aaO, gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen sollte.
d) Die Auffassung des Ersten Senats, mit der er den Arbeitgeber hinsichtlich der Nachtzuschläge nach § 37 Abs. 2 BetrVG zur Erstattung der Steuern bzw. zum Nichtabzug der vom Betriebsratsmitglied zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge verpflichten will, bedeutet im übrigen nicht Schutz vor einer Minderung des Arbeitsentgelts, sondern die Statuierung einer Ausfallshaftung (vgl. Wiedemann, aaO), die gerade nicht Inhalt des weiterbestehenden Lohnanspruchs nach § 37 Abs. 2 BetrVG ist. Vielmehr ist im Steuerrecht als dem einschlägigen Sachgebiet in § 3b EStG 1975/79 ausdrücklich und abschließend geregelt, unter welchen Voraussetzungen Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit steuerfrei bleiben. Daß darin eine abschließende Regelung zu sehen ist, die nicht durch eine Rechtsfortbildung auf dem Gebiete des Betriebsverfassungsrechts korrigiert werden kann, erhellt weiter daraus, daß der Gesetzgeber des Bundespersonalvertretungsgesetzes vom 15. März 1974 in Kenntnis der damaligen Steuergesetze in § 46 Abs. 2 BPersVG, der § 37 Abs. 2 BetrVG entspricht, nicht angeordnet hat, daß Zuschläge der genannten Art an Personalratsmitglieder auch bei Arbeitsausfall steuerfrei zu zahlen sind, wie auch umgekehrt in § 34a EStG 1974 (i.d.F. vom 15. August 1974, BGBl. I S. 1993 [2026]) trotz des Urteils des Bundesfinanzhofs vom 3. Mai 1974 (aaO) keine weitere Steuerfreiheit für Betriebsrats- bzw. Personalratsmitglieder normiert worden ist. Dazu hätte aber Veranlassung bestanden, nachdem sich der vom Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts, aaO, zur Lösung des Interessenkonflikts gewiesene Weg, durch das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 3. Mai 1974, aaO, als nicht gangbar erwiesen hatte. Einer steuergesetzlichen Regelung hätte es auch bedurft, weil die vom Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts seinerzeit dem Arbeitgeber auferlegte Ausgleichszahlung weitere steuerrechtliche Probleme auslöst, da diese Ausgleichszahlung wiederum als Einkommen aus nicht selbständiger Arbeit nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, § 2 Abs. 3 Nr. 5 LStDV zu versteuern ist. Der Arbeitgeber müßte, um den Nettolohn des freigestellten Betriebsratsmitglieds zu erhalten, über die Ausgleichszahlung hinaus einen Betrag zur Verfügung stellen, der nach Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen die Höhe der auf die Zuschläge abzuführenden Steuern und Sozialversicherungsbeiträge erreicht (Däubler, SAE 1970, 143 [144]). Das würde weiterhin eine Steigerung des Arbeitgeberanteils an den Sozialabgaben nach sich ziehen.
Damit muß ein Anspruch der Kläger auf ungeschmälerte (unversteuerte und sozialabgabenfreie) Auszahlung der Nachtzuschläge ausscheiden.
6. Der erkennende Senat verkennt nicht, daß die sozialpolitischen Folgen für die betroffenen Arbeitnehmer hinsichtlich der Höhe ihres Einkommens außerordentlich unerwünscht sein können. Angesichts der arbeits- und auch der steuerrechtlichen Rechtslage kann es jedoch nicht Aufgabe der Rechtsprechung der Arbeitsgerichtsbarkeit sein, den Widerspruch zu beseitigen, der darin liegt, daß Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschläge steuerfrei zu gewähren sind, der über § 37 Abs. 2 BetrVG vermittelte Anspruch eines Betriebsratsmitglieds auf Fortzahlung dieser Zuschläge dagegen der Versteuerung unterliegt.
Es wäre Aufgabe des Gesetzgebers, hier durch Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes oder des Einkommenssteuergesetzes eine für die Beteiligten erträgliche Regelung zu schaffen, die nicht zuletzt auch im Interesse einer reibungslosen Tätigkeit der betriebsverfassungsrechtlichen Organe liegt.
II. Die Anschlußrevision der Beklagten ist begründet.
Den Klägern steht auch ein Zahlungsanspruch für die Monate August bis Oktober 1976 nicht zu.
1. Das Landesarbeitsgericht hat die von den Klägern behauptete Vereinbarung über einen Ausgleich ihrer damaligen Klagforderung aufgrund der Vernehmung der Prozeßbevollmächtigten des Vorprozesses mit folgender Begründung für erwiesen erachtet: Die Bekundungen der Zeugen, insbesondere die Vernehmung des Rechtssekretärs L… hätten ergeben, daß beide Parteivertreter sich einig gewesen seien, den Termin zur Güteverhandlung aufzuheben, weil beide Parteien sich geeinigt hätten. Eine Einigung habe nur so aussehen können, daß sich die Beklagte verpflichtet habe, die mit der Klage geltend gemachten Beträge voll zu zahlen, denn beide Parteivertreter hätten gewußt, um was es ging. Eine Quotelung der Beträge sei nicht vorgesehen gewesen, weil es eine solche auch nicht habe geben können. Gegen dieses Ergebnis stehe auch nicht die Aussage des Zeugen P…. Dieser habe selbst bekundet, daß er dem Vertreter der Kläger erklärt habe, daß die Rechtsprechung gegen die Beklagte spreche. Damit sei der Fall für den Rechtsschutzsekretär klar gewesen, nämlich daß die Beklagte den Klägern den eingeklagten Betrag zahlen werde. Anders habe L… die Erklärung des Zeugen P… nicht auffassen können. Auch aus dem Protokoll der alten Verfahren gehe hervor, daß der Rechtsstreit erledigt sei. Dieses Protokoll habe der Rechtsvertreter der Beklagten an diese mit dem Kommentar geschickt, daß der Rechtsstreit sich aufgrund der außergerichtlichen Einigung erledigt habe. Irgendwelche Einschränkungen seien in dem Anschreiben des Zeugen P… an die Beklagte nicht enthalten.
2. Diese Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts verletzt, wie die Anschlußrevision zu Recht rügt, § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO, weil sie auf Denkfehlern beruht.
a) Ohne die Glaubwürdigkeit eines der beiden Zeugen in Zweifel zu ziehen, hat das Landesarbeitsgericht von seiner Feststellung ausgehend, daß die damaligen Prozeßbevollmächtigten der Parteien eine Einigung erzielt hätten und wußten, worum es ging, gefolgert, daß eine Einigung nur so aussehen konnte, daß sich die Beklagte zur vollen Zahlung verpflichtete, obwohl der Zeuge P… eine Zahlungszusage ausdrücklich in Abrede gestellt hat. Diese Folgerung ist nicht haltbar, weil durchaus andere Inhalte einer vergleichsweisen Einigung vorstellbar sind.
b) Denkfehlerhaft ist auch die Annahme, daß es eine Quotelung der Beträge nicht habe geben können. Abgesehen davon, daß eine Einigung sich überhaupt nicht auf die Begründung einer Zahlungspflicht bezogen zu haben brauchte, ist durchaus vorstellbar, daß z.B. nur für die Lohnsteuer ein Ausgleich gezahlt werden sollte.
c) Warum für den damaligen Klägervertreter mit der vom Zeugen P… bekundeten Erklärung, daß die Rechtsprechung gegen die Beklagte spreche, “der Fall” in dem Sinne klar gewesen sein sollte, daß die Beklagte den eingeklagten Betrag zahlen werde, ist nicht nachzuvollziehen. Dies um so weniger, wenn die weitere Äußerung des Zeugen P… hinzugenommen wird, wonach er der Beklagten (nur) raten wollte, die Beträge nach Überprüfung ihrer Höhe zu zahlen.
d) Auch aus den Niederschriften über den Gütetermin des Arbeitsgerichts F… vom 7. Dezember 1976 läßt sich für den Anspruch der Kläger nichts entnehmen. Der Vermerk, daß sich aufgrund telefonischer Information der Parteivertreter der Rechtsstreit erledigt habe, da sich die Parteien außergerichtlich geeinigt hätten, enthält den Inhalt der Einigung gerade nicht.
e) Ebenso verhält es sich mit dem Zusatz des damaligen Beklagtenvertreters bei der Weiterleitung der Niederschriften an die Beklagte, daß sich die Rechtsstreitigkeiten aufgrund der außergerichtlichen Einigung erledigt hätten. Daß sie nach Ansicht des nach seiner Aussage ohnehin nicht mehr mit der Angelegenheit befaßten damaligen Beklagtenvertreters (zunächst) erledigt waren, heißt nicht, daß die Einigung auf die volle Zahlung der Klagbeträge ging. Anderenfalls hätte es nahe gelegen, die Beklagte auf ihre zumindest nunmehr bestehende Zahlungspflicht hinzuweisen.
3. Obwohl die Beweiswürdigung in erster Linie Aufgabe der Tatsacheninstanzen ist, bedarf es vorliegend keiner Zurückverweisung, weil offensichtlich keine weiteren Tatsachen festzustellen sind und nicht zu erwarten ist, daß die vom Landesarbeitsgericht erhobenen Beweise unter Berücksichtigung der Auffassung des Senats hierzu anders gewürdigt werden könnten als vom Senat. Unter diesen Umständen ist die Sache zur Endentscheidung reif (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Danach mußte die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts insoweit aufgehoben werden, als es eine Zahlungspflicht der Beklagten gegenüber den Klägern angenommen hat, weil nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts keine konkrete Einigung über eine Zahlung der von den Klägern begehrten Beträge bewiesen ist.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.
Unterschriften
Dr. Auffarth, Dr. Leinemann, Mayer, Dr. Martin
Frau Richterin Michels-Holl befindet sich auf einer Tagung und ist verhindert, zu unterschreiben.
Dr. Auffarth
Fundstellen
Haufe-Index 1458821 |
BAGE, 80 |
NJW 1981, 1287 |