Entscheidungsstichwort (Thema)

Gerichtsstandsbestimmung für Schadensersatzansprüche wegen Lieferfristüberschreitung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses entfällt dann, wenn er jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als objektiv willkürlich betrachtet werden muss. Hierfür genügt nicht, dass der Beschluss inhaltlich unrichtig oder fehlerhaft ist. Willkür liegt nur vor, wenn der Verweisungsbeschluss bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (ebenso BGH BeckRS 2015, 11660).

2. Ein professionelles Speditionsunternehmen muss als Auftragnehmer von Transportleistungen mit der Verwendung einer Klausel des Auftraggebers in dessen Auftragsbedingungen rechnen, in der ein alleiniger Gerichtsstand am Sitz der Niederlassung des Auftraggebers geregelt ist. Eine entsprechende Bestimmung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist nicht überraschend iSv § 305c Abs. 1 BGB.

 

Normenkette

BGB § 269 Abs. 1, § 305c Abs. 1; ZPO §§ 30, 35, 36 Abs. 1 Nr. 6, § 38 Abs. 1, § 261 Abs. 3 Nr. 2

 

Tenor

Zuständig ist das Landgericht Regensburg.

 

Gründe

I. Mit Klageschrift vom 21. August 2018 erhob die Klägerin Klage zum Landgericht Regensburg, Kammer für Handelssachen. Mit dieser macht sie Schadensersatzansprüche wegen Lieferfristüberschreitung aus einem mit der Beklagten geschlossenen Subunternehmervertrag über die Beförderung von Schienen aus einem Lager in Gelsenkirchen zu einer Bahnbaustelle in Lindau geltend. Die Klägerin selbst war von einem Münchener Unternehmen als Spediteurin mit der Durchführung der Beförderung beauftragt worden. Die Beklagte, bei der es sich ebenfalls um ein Speditionsunternehmen handelt, gab den Auftrag ihrerseits an eine Subunternehmerin, die Streithelferin auf Seiten der Beklagten, weiter.

Die Klägerin hat ihren Sitz im Landgerichtsbezirk Regensburg, die Beklagte im Bezirk des Landgerichts Siegen.

Zur Begründung der örtlichen Zuständigkeit des Landgerichts Regensburg berief sich die Klägerin auf eine zwischen den Parteien geschlossene, auf Seite 2 des Transportauftrags (Anlage K 1) in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung, welche lautet:

(5) Abweichend von der ADSp gilt als Erfüllungsort und Gerichtsstand Regensburg.

In Ziffer (2) der aus insgesamt zehn Ziffern bestehenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen heißt es:

(2) Für die Transportdurchführung gelten die gesetzlichen Bestimmungen nach Maßgabe des eingesetzten Fahrzeugs in Verbindung mit den für unsere Tätigkeit geltenden "Allgemeinen deutschen Spediteurbedingungen 2017 (ADSp 2017)" in derzeit gültiger Fassung. Der Auftragnehmer sichert dem Auftraggeber zu, die Pflichten zur Zahlung des Mindestlohns nach dem MiLoG in der jeweils gültigen Höhe an seine Arbeitnehmer einzuhalten. Sie werden bei der Erbringung unserer Leistungen keine Nachunternehmer einsetzen.

In der Klageerwiderung vom 31. Oktober 2018 erhob die Beklagte die Rüge der örtlichen Unzuständigkeit mit der Begründung, in dem Transportauftrag sei eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung nicht enthalten. Die Frachtauftragsregelungen seien überraschend und intransparent. Die ADSp 2017 sähen in Ziffer 30 eine Gerichtsstandsregelung vor, die sich auf Rechtsstreitigkeiten gegen die Klägerin als auftragnehmende Spediteurin bezögen; daher sei ein abweichender Gerichtsstand vorliegend ausgeschlossen. Wenigstens könne sich auch die Gerichtsstandsklausel nur auf Klagen gegen die Klägerin beziehen. Bei Geltung der ADSp seien Abweichungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen überdies nicht zu erwarten. Solche hätten außerdem deutlich gekennzeichnet und abgehoben werden müssen. Ansonsten könne aus Sicht eines Auftragnehmers schlechterdings nicht nachvollzogen werden, welche der unterschiedlichen Gerichtsstandsvereinbarungen denn nun Geltung beanspruchen solle.

Die Beklagte brachte weiter vor, sie sei aus Opportunitätsgründen mit einer Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht München I, Kammer für Handelssachen, als zu vereinbarendem Gericht einverstanden. Wenn die Klägerin dem nicht zustimmen wolle, möge die Verweisung an das Gericht des Abgangsorts gemäß § 30 ZPO, mithin das Landgericht Essen, Kammer für Handelssachen, erfolgen.

Die Klägerin erwiderte mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2018, es sei im Geschäftsverkehr zwischen Speditionen üblich und keineswegs überraschend, zum einen die Geltung der ADSp und zum anderen einen gesonderten Gerichtsstand, insbesondere am Sitz des Auftraggebers, zu vereinbaren. Abgesehen davon ergebe sich die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ohnehin aus Ziffer 30.3 ADSp 2017. Danach sei neben dem Ort der Niederlassung des Spediteurs, an den der Auftrag gerichtet sei, auch der Ort der Niederlassung des Auftraggebers, hier also der Klägerin, zuständiger Gerichtsstand, wobei ihr die Wahl des Gerichtsstands obliege (§ 35 ZPO). Für den Fall, dass sich das Landgericht Regensburg dennoch für unzuständig halte...

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