Dr. Christian Lösel, Dr. Gernot Brähler
Leitsatz
Das Besteuerungsrecht für die freiberuflichen Einkünfte eines unbeschränkt steuerpflichtigen Unternehmensberaters, die dieser in auf Dauer angelegten festen Geschäftseinrichtungen in Bulgarien, Bosnien, Kosovo und Kasachstan erzielt, steht auch dann dem jeweiligen ausländischen Staat zu, wenn der Aufenthalt im Tätigkeitsstaat jeweils 183 Tage im Kalenderjahr unterschreitet. Eine solche feste Geschäftseinrichtung liegt vor, wenn dem Steuerpflichtigen in den jeweiligen Ländern Büros mit der erforderlichen Ausstattung für die jeweiligen Projekte dauerhaft zur Verfügung stehen, sie Anlaufstelle und Ausgangspunkt seiner Tätigkeit sind und in denen seine örtlichen Mitarbeiter während seiner Abwesenheit (aufgrund paralleler Tätigkeit in anderen Staaten) seine weitere Tätigkeit vor Ort vorbereiten.
Sachverhalt
Ein selbstständiger Unternehmensberater arbeitete für drei verschiedene Firmen in Bosnien-Herzegowina, Bulgarien und im Kosovo. In allen drei Ländern unterhielt er Büros, die er als Ausgangsbasis für seine Tätigkeit und in Bosnien-Herzegowina und Bulgarien auch für Mitarbeiter nutzte. Der Kläger machte im VZ 2001 die Einkünfte in Deutschland als steuerfreie Einkünfte nach DBA geltend, die dem Progressionsvorbehalt unterlägen. Dies wurde durch das FA unter Vorbehalt der Nachprüfung zunächst auch so beschieden. Nach einer Betriebsprüfung vertrat das FA dann jedoch die Auffassung, der Kläger habe in verschiedenen Ländern über keine feste Geschäftseinrichtung verfügt. In 2001 habe sich der Kläger jeweils weniger als 183 Tage im Jahr in den drei Ländern aufgehalten, wodurch das Besteuerungsrecht bei Deutschland liege. Der Kläger erhob mit der Begründung Einspruch, alle drei Projekte hätten eine Laufzeit von mehr als sechs Monaten gehabt und es wären Büros und lokale Mitarbeiter zur Verfügung gestanden. Es sei nicht erforderlich, dass sich der Steuerpflichtige mehr als 183 Tage im Tätigkeitsstaat aufhalte. Der Beklagte wies den Einspruch mit der Begründung zurück, dass das Besteuerungsrecht dem Tätigkeitsstaat nur dann zustehe, wenn dem Steuerpflichtigen dort eine gewöhnliche feste Einrichtung für seine Tätigkeit zur Verfügung stehe. Die Auslegung dieses Begriffs richte sich nach Art. 14 a.F. OECD-MA, wonach die Einrichtung nicht nur vorübergehenden Charakter haben dürfe; eine Dauer von jeweils weniger als sechs Monaten begründe keine feste Einrichtung. Hiergegen richtet sich die Klage.
Entscheidung
Die Klage ist begründet. Zu Unrecht hat das Finanzamt die Einkünfte des Klägers aus freiberuflicher Tätigkeit im Ausland der inländischen deutschen Besteuerung unterworfen. Zwar sei der Kläger aufgrund seines deutschen Wohnsitzes mit seinem Welteinkommen in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig. Die Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit werden jedoch aufgrund der mit Bulgarien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo und Kasachstan geschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen der deutschen Besteuerung entzogen und stehen den ausländischen Staaten zu, wenn für die Tätigkeit eine feste Einrichtung zur Verfügung steht und die Einkünfte dieser Einrichtung zugeordnet werden können. Der Begriff feste Einrichtung ist zwar nicht im Abkommen definiert, jedoch soll eine Tätigkeit im Ausland erst dann besteuert werden, wenn dadurch zum Ausland eine intensive wirtschaftliche Bindung entsteht. Damit korrespondiere der Begriff mit dem Betriebstättenbegriff i.S.d. Art. 5 OECD-MA, der enger gefasst sei als die deutsche Regelung in § 12 Satz 1 AO. Hiernach ist eine Betriebstätte eine feste Geschäftseinrichtung, in der die Tätigkeit ganz oder teilweise ausgeübt wird, über die der Steuerpflichtige eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht besitzt und die von einer gewissen Dauer der Tätigkeit des Unternehmens dient. Ein Mindestzeitraum sei - entgegen einer BFH-Rechtsprechung (I R 80/92, BFHE 171, 297 BStBl 1993 II S. 665) - nach Ansicht des FG nicht erforderlich, da die Sechsmonatsfrist des § 12 AO lediglich eine Richtschnur darstelle und auch der Wortlaut des Art. 14 DBA-Kasachstan und des Art. 15 DBA-Jugoslawien lediglich von einem vermuteten Vorhandensein einer festen Geschäftseinrichtung im Ausland bei einem Mindestaufenthalt von 183 Tagen sprechen. Feste Einrichtung und Mindestaufenthalt von 183 Tagen stehen daher nach Ansicht des FG als alternative Voraussetzungen nebeneinander. Je nach Art der unternehmerischen Betätigung und je nach Intensität des Bezugs zum Ort der Ausübung kann auch eine kürzere Dauer ausreichen, wenn die Einrichtung zumindest auf längere Dauer angelegt ist und dem Steuerpflichtigen zur Verfügung steht, auch wenn er sie nicht kontinuierlich selbst nutzt. Nach der Beurteilung der Gesamtumstände (angemietete Büros mit typischer Büroausstattung - Fax, PC, Telefon - und Arbeitsort für weitere Mitarbeiter) kann nach Ansicht des Gerichts eine feste Einrichtung damit bejaht werden.
Hinweis
Die Beurteilung des Vorliegens einer festen Einrichtung bei Aufenthalten im Ausland von insgesamt weniger als 183 Tagen ist einzelfa...