Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
1. Der Transfer der Steuerbegünstigung für Betriebsvermögen, für vermieteten Wohnraum und für das selbstgenutzte Familienheim unter Miterben setzt voraus, dass die Übertragung der Vermögenswerte im Rahmen der Teilung des Nachlasses erfolgt. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn die Teilung des Nachlasses mehr als sechs Monate nach dem Erbfall erfolgt (entgegen H E 13a.11 der Hinweise zu den Erbschaftsteuer-Richtlinien 2019).
2. Beruht der Entschluss, den Nachlass zu teilen und dabei begünstigtes (Betriebs‐)Vermögen gegen nicht begünstigtes Vermögen zu übertragen, auf einer neuen Willensbildung der Erbengemeinschaft, die den Nachlass zunächst willentlich ungeteilt belassen hat, ist die Übertragung nicht begünstigt.
Normenkette
§ 13a Abs. 3 Satz 2, § 13b Abs. 3, § 13c Abs. 2 Satz 3 ErbStG a.F., § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 4 ErbStG
Sachverhalt
Die Eltern des Klägers starben im Dezember 2015 kurz nacheinander. Der Kläger und sein Bruder beerbten sowohl die Mutter als auch den Vater (Erblasser) je zur Hälfte. Zum Nachlass der Mutter gehörten unter anderem Grundstücke, zum Nachlass des Erblassers gehörten Grundstücke, eine 20%ige Kommanditbeteiligung an einer gewerblich tätigen GmbH & Co. KG (KG) sowie eine 20%ige Beteiligung an der Komplementärgesellschaft der KG (GmbH). Die übrigen Beteiligungen von 80 % an der KG und der GmbH hielt im Zeitpunkt des Erbfalls der Kläger.
Das FA berücksichtigte bei der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) stehenden ErbSt-Festsetzung vom 2.3.2018 für den KG-Anteil die Begünstigung nach § 13a ErbStG a.F. Für einzelne Grundstücke wurde die Begünstigung nach § 13c ErbStG a.F. teilweise gewährt. Für die vom Kläger nach dem Erbfall bewohnte Wohnung wurde zudem die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG a.F. gewährt. Der Bescheid wurde formell bestandskräftig.
Das Ergebnis der im Jahr 2018 erfolgten Erbauseinandersetzung des Klägers mit seinem Bruder war, dass der Bruder ein Grundstück und der Kläger die Gesellschaftsbeteiligungen und die anderen Grundstücke jeweils zum Alleineigentum erhielten. Daraufhin beantragte der Kläger die Änderung des Bescheides vom 2.3.2018 nach § 164 AO, da aufgrund der Erbauseinandersetzung die erbschaftsteuerrechtlichen Begünstigungen nach §§ 13a, 13b und 13c ErbStG a.F. neu zuzuordnen und bei seiner ErbSt-Festsetzung zu berücksichtigen seien. Das FA lehnte den Antrag ab.
Das FG gab der hiergegen erhobenen Klage statt (FG Düsseldorf, Urteil vom 21.4.2021, 4 K 1154/20 Erb, Haufe-Index 14501910, EFG 2021, 1216).
Entscheidung
Der BFH hat die Revision des FA als unbegründet zurückgewiesen.
Hinweis
1. Der BFH ist mit der vorliegenden Entscheidung der Auffassung der Finanzverwaltung entgegengetreten, dass ein Begünstigungstransfer von Freibeträgen anlässlich der Erbauseinandersetzung nur dann möglich ist, wenn diese innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall erfolgt. Der BFH hat einen Zeitraum von bis zu drei Jahren nach dem Erbfall für die Erbauseinandersetzung als noch angemessen angesehen. Ausreichend ist – wie vom FG zutreffend erkannt –, dass ein innerer Zusammenhang zum Erbfall besteht. Dies ist allerdings nicht der Fall, wenn die Teilung des Nachlasses auf einer neuen Willensbildung der Erbengemeinschaft beruht, die den Nachlass zunächst ungeteilt belassen hat.
2. Dabei bildet der zeitliche Abstand zwischen dem Anfall des Nachlasses und der Übertragung der Vermögensgegenstände im Zusammenhang mit der Erbauseinandersetzung nur ein Indiz dafür, ob die Übertragung noch im Rahmen der Teilung des Nachlasses erfolgt. Je nach dem Umfang des Nachlasses und den Schwierigkeiten bei der Bewertung einzelner Vermögensgegenstände kann im Einzelfall – entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung – auch bei einem über sechs Monate hinausgehenden Zeitraum zwischen Erbfall und Übertragung des Vermögens noch von einer Übertragung im Rahmen der Teilung des Nachlasses ausgegangen werden.
3. Nach der aktuellen Regelung ist ein Begünstigungstransfer bei Betriebsvermögen nach § 13a Abs. 5 ErbStG möglich, wenn ein Erbe im Rahmen der Teilung des Nachlasses begünstigtes Vermögen i.S.d. § 13b Abs. 2 ErbStG auf einen Miterben überträgt. In diesem Fall erhöht sich insoweit der Wert des begünstigten Vermögens des Miterben um den Wert des von ihm hingegebenen Vermögens, höchstens jedoch um den Wert des übertragenen Vermögens. Eine Frist für die Teilung des Nachlasses oder weitere Voraussetzungen sieht weder die dem Urteil des BFH zugrunde liegende alte Fassung der Vorschrift noch die aktuelle Fassung des § 13b Abs. 5 ErbStG vor. Danach kann die Übertragung von erbschaftsteuerlich begünstigtem Betriebsvermögen im Rahmen der Erbauseinandersetzung zur Erhöhung der Bemessungsgrundlage für die Steuerbefreiung führen.
4. Dies gilt auch für die Übertragung von selbst genutztem Wohnraum (Familienheim) nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b des aktuell geltenden ErbStG. Für den Begünstigungstransfer ist erforderlich, dass für das Familienheim überhaupt die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b...