Kommentar

Mehraufwendungen wegen der behindertengerechten Gestaltung und Ausstattung eines für den eigenen Wohnbedarf errichteten Hauses können nur dann als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden, wenn solche Mehrkosten sich ausnahmsweise an Hand eindeutiger und objektiver Kriterien von Aufwendungen unterscheiden lassen, durch die der Steuerpflichtige seinen allgemeinen Wohnbedürfnissen Rechnung trägt. Es muß außerdem ausgeschlossen sein, daß die durch solche Aufwendungen geschaffenen Einrichtungen jemals wertbildende Faktoren für das Haus darstellen können; es muß also eindeutig „verlorener Aufwand” vorliegen.

In Anwendung dieser Grundsätze hat der BFH entschieden, die Ausstattung eines neu errichteten Einfamilienhauses mit einem Fahrstuhl und eine auch sonst behindertengerechte Bauausführung führe grundsätzlich nicht zu außergewöhnlichen Belastungen. Insbesondere seien auch die Aufwendungen für den Einbau breiter Türen, die behindertengerechte Vergrößerung des Bades sowie die Kosten einer sog. Bodendusche nicht als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen, weil solche Einrichtungen nicht von vornherein als nur zur Bewältigung der Behinderung geeignet angesehen werden können. Entsprechend sei das Absenken von Türschwellen , das rollstuhlgerechte Anbringen von niedrigen Fenstergriffen sowie die Schaffung breiterer Innentüren zu werten ( Außergewöhnliche Belastungen – ABC ).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 10.10.1996, III R 209/94

Hinweis:

Die Rechtsprechung der Finanzgerichte zur Behandlung der Aufwendungen für eine behindertengerechte Ausstattung des eigenen Wohnheims war bisher widersprüchlich . So sind die Aufwendungen für die Ausstattung eines Hauses mit einem Fahrstuhl unterschiedlich beurteilt worden (für Anerkennung als außergewöhnliche Belastung z. B. FG Baden-Württemberg, Urteil v. 31. 1. 1996, 5 K 92/94, EFG 1996 S.758, vom BFH aufgehoben durch Urteil v. 6. 2. 1997, III R 47/96, n.v.; a. A. zutreffend z. B. Hessisches FG, Urteil v. 19. 3. 1996, 3 K 2926/95, EFG 1996 S. 924). Die Aufwendungen für einen sog. Treppenschräglift hat das FG Berlin, Urteil v. 1. 11. 1994, VII 369/91, EFG 1995 S.264, als außergewöhnliche Belastung anerkannt, m. E. zutreffend, da der Treppenschräglift kein einheitliches Wirtschaftsgut mit dem Gebäude bildet, sondern sich als gesondert zu bewertendes medizinisches Hilfsmittel – vergleichbar einer Betriebsvorrichtung – werten läßt und die Annahme verlorenen Aufwandes hier vertretbar erscheint.

Die Betriebskosten eines Schwimm- und Bewegungsbades im eigenen Haus sollen ausnahmsweise eine außergewöhnliche Belastung darstellen, wenn es sich nicht um ein normales Schwimmbecken, sondern um ein Bewegungsbad handelt und die krankheitsbedingte Notwendigkeit von dessen Benutzung durch amtsärztliches Zeugnis nachgewiesen ist (FG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 13. 11. 1978, V 15/78, EFG 1979 S. 231; a. A. Niedersächsisches FG, Urteil v. 22. 12. 1975, IV 111/75, EFG 1976 S. 184, m. E. zutreffend, da kein verlorener Aufwand und einheitlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit dem Haus besteht).

Die vorstehend mitgeteilte Entscheidung läßt die Tendenz des Bundesfinanzhofs erkennen, Aufwendungen für die behindertengerechte Ausstattung eines Wohnheims nur noch in seltenen Ausnahmefällen anzuerkennen. Die weitere Entwicklung der Rechtsprechung bleibt abzuwarten. Insbesondere die Voraussetzung, daß eindeutig „verlorener Aufwand” vorliegen muß, dürfte – jedenfalls bei Einbauten im eigenen Haus – nur ganz selten zu bejahen sein. Bei Einbauten in gemieteten Wohnungen wird man dagegen leichter zur Annahme eines verlorenen Aufwandes kommen können, weil ein Mieter auch nur in seltenen Fällen einen Ausgleich, sei es in Form einer ermäßigten Miete oder als Entschädigung bei Auszug, erhalten wird.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge