Leitsatz
1. Hat ein Gesellschafter, dessen Besteuerungsgrundlagen mangels Abgabe einer Feststellungserklärung zu schätzen sind, Verluste im Bereich seines Sonderbetriebsvermögens erlitten, kann sein Anteil am Gesamtgewinn der Mitunternehmerschaft nur dann mit 0 DM/Euro festgestellt werden, wenn ausreichend Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Sonderbetriebseinnahmen oder sein Anteil am Gesellschaftsgewinn diesen Verlust auszugleichen vermögen.
2. Der Ausgleichsanspruch gegen die KG, der einem Kommanditisten zusteht, weil er Schulden der KG beglichen hat, gehört zu dessen Sonderbetriebsvermögen. Wird der Anspruch wertlos, wird der hieraus resultierende Verlust erst dann realisiert, wenn die Mitunternehmerschaft – beispielsweise durch Veräußerung aller wesentlichen Betriebsgrundlagen – beendet wird.
Normenkette
§ 162 AO , § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO , § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG , § 5 Abs. 1 EStG , § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG , § 15a Abs. 2 EStG
Sachverhalt
Der Kläger war Kommanditist einer in Konkurs gefallenen GmbH & Co. KG. Weil der Konkursverwalter keine Gewinnfeststellungserklärung abgab, schätzte das FA den Gewinn. Im Rahmen der Schätzung löste es das negative Kapitalkonto des Klägers auf und verrechnete den Gewinn mit den gleich hohen verrechenbaren Verlusten i.S.d. § 15a EStG. Dem Antrag des Klägers auf Berücksichtigung von Sonderbetriebsausgaben in Höhe wertlos gewordener Forderungen gegen die KG entsprach das FA nicht.
Das FG wies die Klage ab und vertrat die Auffassung, bei einer Schätzung sei das FA nicht verpflichtet, einzelnen Sonderbetriebsausgaben nachzugehen, solange die positiven Einkünfte aus der Beteiligung nicht ermittelt werden könnten.
Entscheidung
Die Revision des Klägers hatte Erfolg und führte zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Nach Ausführungen dazu, dass der Konkursverwalter nicht habe beigeladen werden müssen, widersprach der BFH der Auffassung des FG zum Umfang einer Schätzung. Eine Schätzung sei so vorzunehmen, dass sie dem ordnungsgemäß durchgeführten Bestandsvergleich möglichst nahe komme. Ob im Streitfall bei den Sonderbetriebsausgaben zu berücksichtigen sei, dass Ausgleichsforderungen gegen die KG wertlos geworden seien, lasse sich nach den getroffenen Feststellungen noch nicht abschließend beurteilen.
Hinweis
1. Dass im Zusammenhang mit einem Insolvenzverfahren Steuerbescheide auf Grund einer Schätzung erlassen werden, ist nicht ungewöhnlich. Nur der Insolvenzverwalter verfügt über die Buchhaltungsunterlagen. Wenn er, z.B. wegen unzureichender Masse, die Aufstellung einer Steuerbilanz ablehnt, bleibt dem FA nur die Schätzung.
Ein Personengesellschafter sollte auf den Eingang eines Schätzungsbescheids allerdings nicht warten, wenn ihm Sonderbetriebsausgaben entstanden sind. Diese sind auch im Rahmen einer Schätzung zu berücksichtigen, wie der BFH im Besprechungsfall klargestellt hat. Deshalb sollten die erforderlichen Informationen dem FA rechtzeitig vor Ergehen des Schätzungsbescheids zugänglich gemacht werden.
2. Hat der Personengesellschafter eine Forderung gegen seine Gesellschaft, sei es aus Vereinbarungen mit der Gesellschaft (z.B. Darlehen), sei es aufgrund gesetzlichen Forderungsübergangs (z.B. bei Zahlung als Bürge für Gesellschaftsschulden), gehört diese zwar zu seinem Sonderbetriebsvermögen. Bei Betrachtung der sog. Gesamtbilanz aus Sonderbilanzen und Gesamthandsbilanz erscheint der Forderungsbetrag aber als Eigenkapital. Der BFH hat es dementsprechend immer abgelehnt, Wertberichtigungen auf solche Forderungen vor Liquidation der Gesellschaft oder Ausscheiden der Gesellschafter zuzulassen. Hieran hält er auch im Besprechungsurteil fest.
Beachten Sie, dass maßgeblicher Zeitpunkt die Aufgabe des Gewerbebetriebs bzw. dessen Veräußerung ist. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens führt noch nicht zur Betriebsaufgabe. Erst wenn alle wesentlichen Betriebsgrundlagen vom Insolvenzverwalter veräußert worden sind, kann von einer Betriebsaufgabe ausgegangen werden. Zeitgleich sind auch die Wertberichtigungen auf Forderungen gegen die Gesellschaft vorzunehmen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 5.6.2003, IV R 36/02