Leitsatz
Wird die nach § 168 AO i.V.m. § 18 Abs. 3 UStG erforderliche Zustimmung zu einer Umsatzsteueranmeldung schriftlich erteilt, beginnt die Rechtsbehelfsfrist nur, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt worden ist.
Normenkette
§ 168 AO , § 356 AO , § 18 Abs. 3 UStG , § 19 Abs. 2 Satz 4 UStG
Sachverhalt
Die Klägerin begann 1994 ihre Tätigkeit. 1996 gab sie durch den Steuerberater die USt-Erklärung für das Jahr 1994 ab, in der sie ein Vorsteuerguthaben errechnete. Das FA sah darin zugleich einen Verzicht auf die Nichtbesteuerung als Kleinunternehmerin (§ 19 Abs. 2 UStG).
Zusammen mit der Abrechnungsverfügung teilte es der Klägerin mit, die nach § 168 Satz 2 AO erforderliche Zustimmung sei erteilt worden. Eine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt das Schreiben nicht.
Nach Ablauf der Einspruchsfrist widerrief die Klägerin den Verzicht. Für die Folgejahre leistete sie zwar Vorauszahlungen, begehrte aber schließlich erfolglos die Nichtbesteuerung als Kleinunternehmer.
FA und FG meinten, die Klägerin habe die Verzichtserklärung vor Ablauf der Bindungsfrist von fünf Jahren nicht mehr widerrufen können, weil die Zustimmung formlos zulässig sei und es deshalb keiner Rechtsbehelfsbelehrung bedürfe.
Entscheidung
Die Klägerin bekam Recht. Aber: Als Kleinunternehmerin schuldet sie die ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 3 UStG. Sie kann zwar die durch den unberechtigten Umsatzsteuerausweis eingetretene Gefährdung des Steueraufkommens – z.B. durch Rückforderung der Rechnung – wieder beseitigen; der Steueranspruch entfällt aber nicht rückwirkend, sondern erst in diesem Besteuerungszeitraum. Daran hätte der Steuerberater denken müssen.
Hinweis
Ein Rechtsschutzinteresse für die Anfechtung eines Umsatzsteuerbescheids besteht auch, wenn dieser wegen des Vorsteuerüberhangs zu einer Erstattung führt, sich aber – z.B. wegen der Bindung des Verzichts auf die Kleinunternehmerbesteuerung für mindestens fünf Kalenderjahre nach § 19 Abs. 2 Satz 2 UStG – ein zunächst günstiger Verzicht in den folgenden vier Kalenderjahren nachteilig auswirken kann. Das genügt.
Bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung kann der Unternehmer erklären, dass er auf die Anwendung des § 19 Abs. 1 UStG verzichtet. Gleiches gilt für den Widerruf des Verzichts.
Unter Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung ist die formelle Bestandskraft der ersten Steuerfestsetzung zu verstehen; unanfechtbar i.d.S. ist deshalb auch ein Bescheid unter Vorbehalt der Nachprüfung.
Ist die Zustimmung der Finanzbehörde erforderlich (§ 168 Satz 2 AO), beginnt die Rechtsbehelfsfrist nach § 355 Satz 2 Halbsatz 2 AO binnen eines Monats nach Bekanntwerden der Zustimmung des FA. Die Erkennbarkeit der Zustimmung reicht aus.
Ergeht ein Verwaltungsakt schriftlich, so beginnt nach § 356 Abs. 1 AO die Einspruchsfrist nur, wenn der Beteiligte eine Rechtsbehelfsbelehrung erhält; fehlt diese, so ist die Einlegung des Einspruchs noch binnen eines Jahres seit Bekanntgabe des Verwaltungsakts zulässig (§ 356 Abs. 2 AO). Es gibt keinen Grund, weshalb diese allein auf die Schriftlichkeit des Verwaltungsakts abstellende Regelung nicht gelten sollte, wenn ein Verwaltungsakt zwar nicht schriftlich erteilt werden muss, aber tatsächlich schriftlich erteilt wird. Das gilt auch für die formlos zulässige (§ 168 Satz 3 AO) Zustimmung.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 9.7.2003, V R 29/02