Dipl.-Finanzwirt Karl-Heinz Günther
Leitsatz
Die zur Vorsorge für den Krankheitsfall geleisteten Beiträge an einen Solidarverein, der kein Versicherungsunternehmen ist und dem auch keine Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb im Inland erteilt ist, können als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a Satz 1 EStG berücksichtigt werden, soweit die Beiträge zur Erlangung eines durch das SGB XII bestimmten sozialhilfegleichen Versorgungsniveaus erforderlich sind.
Sachverhalt
Die Steuerpflichtigen zahlten an einen Solidarverein Beiträge für ihre Absicherung im Krankheits- und Pflegefall. Bei diesem Verein handelt es sich um eine aufsichtsfreie Personenvereinigung und nicht um eine Krankenkasse oder Krankenversicherung. In der Satzung ist geregelt, dass sich die Mitglieder gegenseitig rechtlich verbindlich eine umfassende flexible Krankenversorgung zusichern, die in Quantität und Qualität mindestens dem Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht.
Die Höhe der von den Mitgliedern zu leistenden Beiträge ist einkommensabhängig. Nach der Zuwendungsordnung besteht freie Therapiewahl und es wird ein Zuwendungsrahmen festgelegt, der Obergrenzen für einzelne Behandlungsleistungen enthält. Im Aufnahmebogen des Vereins ist die Formulierung enthalten, dass kein Rechtsanspruch auf bestimmte Leistungen besteht.
Das Finanzamt ließ den hinsichtlich der Beiträge geltend gemachten Sonderausgabenabzug mit der Begründung nicht zu, es fehle an einem Rechtsanspruch auf Leistungen. Im ersten Rechtsgang hatte auch das nachfolgende Klageverfahren keinen Erfolg (FG Münster, Urteil v. 9.2.2022, 11 K 820/19 E). Der BFH hob dieses Urteil jedoch auf BFH, Urteil v. 23.8.2023, X R 21/22, und verwies die Sache an das FG zurück.
Entscheidung
Das FG entschied nunmehr im zweiten Rechtsgang, dass für die im Streitjahr durch die Steuerpflichtigen an einen Verein zur Krankenabsicherung geleisteten Beträge die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a Satz 1 EStG vorlagen. Im Einzelnen begründete es seine Entscheidung wie folgt:
- Die durch die Steuerpflichtigen an den Verein zur Vorsorge für den Krankheitsfall geleisteten Beiträge sind zur Erlangung eines durch das SGB XII bestimmten sozialhilfegleichen Versorgungsniveaus erforderlich (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a Satz 1 1. Halbsatz EStG).
- Die Mitglieder des Vereins haben gegen ihn auch einen rechtlich verbindlichen Anspruch auf Leistungen im Krankheitsfall.
- Die Steuerpflichtigen hatten im Streitjahr die streitbefangenen Beiträge zur Vorsorge für den Krankheitsfall auch an einen der in § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG genannten Empfänger geleistet, da im Streitfall die Voraussetzungen aus § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 2 EStG vorliegen. Danach werden Krankenversicherungsbeiträge über § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 1 EStG, der nur Beiträge an Versicherungsunternehmen bzw. solche Rechtsträger erfasst, denen die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb im Inland erteilt ist, hinaus nur berücksichtigt, wenn es sich um Beiträge an eine Einrichtung handelt, die eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V oder eine der Beihilfe oder freien Heilfürsorge vergleichbare Absicherung im Sinne des § 193 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 VVG gewährt. Das ist im Streitfall im Hinblick auf den Verein, der im Streitjahr kein Versicherungsunternehmen war und auch keine Genehmigung zum Geschäftsbetrieb im Inland aufwies, der Fall.
- Schließlich hatten die Steuerpflichtigen gegenüber dem Verein als Beitragsempfängerin auch in die Datenübermittlung eingewilligt (§ 10 Abs. 2 Satz 3 EStG).
Dagegen verneinte das FG den Sonderausgabenabzug der durch die Steuerpflichtigen gegenüber dem Verein für die Pflegevorsorge aufgewendeten Beträge als Sonderausgaben. Denn nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. b EStG sind (nur) "Beiträge zu den gesetzlichen Pflegeversicherungen (soziale Pflegeversicherung und private Pflicht-Pflegeversicherung)" abziehbar. Der Verein gehört jedoch weder zu den Trägern der sozialen Pflegeversicherung (vgl. hierzu § 1 Abs. 1 SGB XI und § 1 Abs. 3 SGB XI) noch bietet er eine private Pflicht-Pflegeversicherung (§ 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XI) an.
Hinweis
Das FG hat zwar die Revision zugelassen, jedoch haben weder das Finanzamt noch die Steuerpflichtigen Revision eingelegt. Denn das FG hat den aufgrund der vertraglichen Gegebenheiten möglichen Sonderausgabenabzug der Beiträge zur Absicherung im Krankheitsfall umfangreich und rechtlich fundiert begründet und auch den Sonderausgabenabzug der Beiträge zur Absicherung von Pflegeaufwendungen zutreffend verneint.
Link zur Entscheidung
FG Münster, Gerichtsbescheid v. 01.03.2024, 11 K 820/19 E