Prof. Dr. Heinz-Jürgen Pezzer
Leitsatz
Das Bundesministerium der Finanzen wird zur Frage der Behandlung der USt bei der 1 %-Regelung gem. § 122 Abs. 2 S. 3 FGO zum Beitritt aufgefordert.
Normenkette
§ 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2, § 12 Nr. 3, § 4 Abs. 3 EStG, § 3 Abs. 9a S. 1 Nr. 1 UStG, § 122 Abs. 2 S. 3 FGO
Sachverhalt
Der Kläger ermittelte seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG. In seinem Betriebsvermögen befand sich ein Pkw mit einem Bruttolistenpreis von 130 000 DM. Nach einer Außenprüfung gelangte das FA zu dem Ergebnis, die private Pkw-Nutzung sei nach der Listenpreismethode gem. § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG zu bewerten. Die Gewinnerhöhung um die darauf entfallende USt gem. § 12 Nr. 3 EStG ermittelte das FA wie folgt: Ausgehend vom Bruttolistenpreis von 130 000 DM ergab sich ein Kfz-Eigenverbrauch von 15 600 DM zzgl. USt i.H.v. 1 996,80 DM (umsatzsteuerpflichtig 80 % = 12 480 DM, umsatzsteuerfrei 20 % = 3 120 DM). Für ein weiteres Streitjahr legte das FA unter Berücksichtigung der Deckelung auf die tatsächlichen Kosten einen Wert von 11 510,60 DM zzgl. USt i.H.v. 1 473,36 DM (umsatzsteuerpflichtig 9 208,48 DM, umsatzsteuerfrei 2 302,12 DM) zugrunde.
Der Kläger vertrat die Auffassung, da umsatzsteuerlich nur eine private Pkw-Nutzung von 12,5 % zugrunde gelegt worden sei, sei die ESt zu hoch festgesetzt worden.
Das FG wies die Klage ab (FG Nürnberg, Urteil vom 26.04.2007, IV 299/2006, Haufe-Index 1768246).
Entscheidung
Der BFH forderte aus den genannten Gründen das BMF zum Beitritt auf.
Hinweis
1. Dieser Beschluss gibt ein schönes Beispiel dafür, dass unser Steuerrecht auch für alltägliche, recht simple Massensachverhalte ungeklärte Rechtsfragen bereithält, die geeignet sind, höchstrichterliche Sorgenfalten hervorzurufen.
2. Das Problem ist ein künstliches, weil das Einkommen- und das Umsatzsteuerrecht insoweit nicht aufeinander abgestimmt sind. Die Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG schreibt für die Bemessung der privaten Pkw-Nutzung (Nutzungsentname), wenn die Fahrtenbuchmethode versagt, einen fiktiven Wert vor (1 % des Listenpreises). Diese Fiktion wird im UStG aber nicht fortgeführt. Vielmehr ist die unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Abs. 9a S. 1 Nr. 1 UStG mit den tatsächlichen, notfalls möglichst realistisch geschätzten Werten anzusetzen.
Die Vorschrift des § 12 Nr. 3 EStG verklammert beide Steuerarten, weil sie die auf Entnahmen entfallende USt einkommensteuerrechtlich für nicht abziehbar erklärt. Das wirft die Frage auf, ob für die Gewinnerhöhung nach § 12 Nr. 3 EStG die tatsächlich festgesetzte USt maßgebend ist, oder aber die USt, die sich ergibt, wenn man die Fiktion der einkommensteuerrechtlichen 1 %-Regelung auf das USt-Recht überträgt. Dann träte zur fiktiven Nutzungsentnahme eine Gewinnerhöhung nach § 12 Nr. 3 EStG aufgrund fiktiver USt hinzu. Die Praxis scheint in der Tat oftmals so zu verfahren, dass sie die USt auf 80 % des nach der Listenpreismethode ermittelten Entnahmewerts gewinnerhöhend berücksichtigt.
3. Geht man davon aus, dass für die Gewinnerhöhung nach 12 Nr. 3 EStG die tatsächlich festgesetzte USt maßgebend ist (weil es für die Berücksichtigung fiktiver USt an einer Gesetzesgrundlage fehlt), stellt sich bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG ein weiteres Problem: Grundsätzlich sind Betriebsausgaben und auch die Korrektur nicht abziehbarer Betriebsausgaben in dem Jahr zu berücksichtigen, in dem die Betriebsausgaben verausgabt worden sind. Die Praxis nimmt, gestützt auf das schon recht betagte nicht veröffentliche BFH-Urteil vom 08.10.1981, IV R 90/80 (juris), die Korrektur aber wohl regelmäßig für das Jahr der Entnahme vor.
4. Diese Fragen sind nicht unbedingt nobelpreisverdächtig, müssen aber in der Praxis täglich in einer Vielzahl von Fällen einer praktikablen einheitlichen Lösung zugeführt werden. Da vom grünen Tisch aus schwer einzuschätzen war, wie die Praxis tatsächlich verfährt und wie die jeweiligen Auslegungsalternativen praktisch zu handhaben sind, hat der BFH das BMF zum Beitritt aufgefordert, um dessen Stellungnahme einzuholen.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 28.04.2010 – VIII R 54/07