Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
1. Die Gewährung eines nicht marktüblich verzinsten Darlehens ist als gemischte Schenkung zu versteuern.
2. Bei der Bemessung des Zinsvorteils kann der in § 15 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes festgelegte Zinssatz von 5,5 % nicht herangezogen werden, wenn ein niedrigerer marktüblicher Wert für vergleichbare Darlehen feststeht.
Normenkette
§ 7 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 10 Abs. 1 Satz 6, § 12 Abs. 1 ErbStG, § 13 Abs. 1, Abs. 2 Halbsatz 2, § 15 Abs. 1 § 198 BewG, § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG, § 118 Abs. 2 FGO
Sachverhalt
Der Kläger erhielt mit Vertrag vom 3.11.2016 von seiner Schwester ein Darlehen i. H. v. 1.875.768,05 EUR. Das Darlehen galt als zum 1.1.2016 ausgezahlt. Die Darlehenssumme wurde rückwirkend zum 1.1.2016 mit 1 % verzinst. Das Darlehen wurde auf unbestimmte Zeit gewährt und konnte mit einer Frist von zwölf Monaten erstmals zum 31.12.2019 gekündigt werden.
Das FA setzte mit Bescheid vom 29.11.2017 SchenkSt fest. Es sah in der verbilligten Überlassung der Darlehenssumme zur Nutzung eine freigebige Zuwendung in Höhe der Differenz zwischen dem tatsächlich vereinbarten Zinssatz von 1 % und dem Zinssatz für den einjährigen Betrag der Nutzung einer Geldsumme gemäß § 15 Abs. 1 des BewG i. H. v. 5,5 %.
Einspruch und Klage (FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 27.4.2022, 3 K 273/20, Haufe-Index 15367514) hatten keinen Erfolg. Das FG führte in den Urteilsgründen aus, dass die Kreditzinsen für wirtschaftlich selbstständige Personen bei einer Zinsbindung von ein bis fünf Jahren im Durchschnitt des Jahres 2016 effektiv bei 2,81 % und im Durchschnitt der Monate August bis Oktober 2016 effektiv bei 2,88 % gelegen hätten. Der Kläger habe das Darlehen im Zusammenhang mit der Übernahme des landwirtschaftlichen Betriebs seines Vaters und daher als wirtschaftlich tätige Person aufgenommen. Die Differenz laut dem vereinbarten Zinssatz von 1 % und dem nach Angaben der Deutschen Bundesbank zu zahlendem Zinssatz von 2,81 % habe nominal 1,81 % betragen. Nicht erkennbar sei, dass der Kläger auf dem Kapitalmarkt eine vergleichbare Finanzierung zu einem niedrigeren Zinssatz habe erhalten können. Die vom Kläger vorgelegten Schreiben seien für einen Nachweis nicht geeignet. Daher sei nach § 15 Abs. 1 BewG der gesetzliche Zinssatz von 5,5 % bei der Berechnung der Schenkung zugrunde zu legen.
Entscheidung
Die Revision war begründet. Der BFH hat das FG-Urteil aufgehoben und der Klage teilweise stattgegeben. Er war der Auffassung, dass bei der Bewertung der gemischten Schenkung nicht die Differenz zwischen dem vereinbarten Zinssatz i. H. v. 1 % und dem sich aus § 15 Abs. 1 BewG ergebenden gesetzlichen Zinssatz i. H. v. 5,5 % zugrunde zu legen ist, da entgegen der Auffassung des FG ein niedrigerer Wert festgestellt werden konnte.
Hinweis
1. Die zinsverbilligte Überlassung eines Darlehens ist eine freigebige Zuwendung, die gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der SchenkSt unterliegt. Gegenstand der Zuwendung ist die teilweise unentgeltliche Gewährung des Rechts, das als Darlehen überlassene Kapital zu nutzen. Die Minderung des Vermögens des Zuwendenden besteht darin, dass er auf einen Ertrag verzichtet, den er bei verkehrsüblichem Verhalten gezogen hätte. Zur Erfüllung des subjektiven Tatbestands der Schenkung reicht das Bewusstsein über die Teilunentgeltlichkeit des Rechtsgeschäfts aus.
2. Die Voraussetzungen für eine schenkungsteuerpflichtige verbilligte Überlassung waren vorliegend erfüllt. Gemäß den Feststellungen des FG lag bei einem mit dem im Streitfall vergleichbaren Darlehen nach den Angaben der Deutschen Bundesbank der Zinssatz im Jahr 2016 effektiv bei 2,81 %. Der von dem Kläger zu zahlende Zinssatz von 1 % lag danach unter dem marktüblichen Zinssatz, sodass das Darlehen verbilligt überlassen wurde. Maßgeblich ist der Vorteil des Klägers als Darlehensnehmer, der kein vergleichbares Darlehen zu einem vergleichbar niedrigen Zinssatz von 1 % am Markt hätte aufnehmen können. Der Schwester des Klägers musste bei einem Zinssatz von 1 % und einer grundsätzlich unbestimmten Laufzeit bewusst gewesen sein, dass das Darlehen teilweise unentgeltlich gewährt wurde.
3. Rechtsfehlerhaft ist das FG jedoch davon ausgegangen, dass bei der Bewertung der Zuwendung nach § 15 Abs. 1 BewG der gesetzliche Zinssatz von 5,5 % anzuwenden ist. Die diesbezüglichen Feststellungen des FG waren widersprüchlich, sodass der BFH an diese nicht gebunden war. Trotz seiner Feststellung, dass im vorliegenden Fall ein marktüblicher Zinssatz i. H. v. 2,81 % zu zahlen gewesen wäre, kam das FG zu dem Ergebnis, dass ein niedrigerer als der in § 15 Abs. 1 BewG festgelegte Zinssatz nicht feststehe. Dies ist widersprüchlich.
4. Jedenfalls im vorliegenden Fall, in dem das FG einen aus vergleichbaren Darlehen abgeleiteten marktüblichen Zinssatz festgestellt und diesen auf die persönliche Situation des Steuerpflichtigen und die im Einzelfall vereinbarten Darlehenskonditionen bezogen hat, steht ein anderer Wert i. S. d. § 15 Abs. 1 BewGfest. Für die Ermittlung des Werts der Bereic...