Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
4.1 Sachverhalt
Ein großes skandinavisches Möbelhaus (S) möchte ein neues Produkt in seine Angebotspalette mit aufnehmen. Es wendet sich dazu an den Möbelhersteller D aus Deutschland mit der Bitte, zu Prüfzwecken erst einmal 50 Stück dieses speziellen Möbels herzustellen. Diese Stücke sollen in Deutschland vom TÜV und anderen deutschen Einrichtungen auf Sicherheit und Umweltverträglichkeit überprüft werden. Da die Herstellung dieser Stücke eine umfangreiche Umrüstung der Maschinen bei D notwendig macht, wird vereinbart, dass S neben einem Produktionspreis von 100 EUR pro Stück zuzüglich Umsatzsteuer noch 5.000 EUR Zuschuss zu den Umrüstungskosten zahlt. Insgesamt erhält D nach Ablieferung der Probestücke im Juli 2024 10.950 EUR noch im Juli 2024 überwiesen.
Nachdem die Tests im August 2024 erfolgreich abgeschlossen wurden, erhält D den Auftrag, insgesamt 30.000 Stück zu einem Preis von 50 EUR/Stück zu fertigen. Von der produzierten Stückzahl sollen von D 10.000 Stück zu Möbelhäusern des S in Deutschland und 20.000 Stück in das Zentrallager nach Schweden transportiert werden. Da sich D noch weitere Anschlussaufträge verspricht, erklärt er sich bereit, den im Juli erhaltenen Zuschuss von 5.000 EUR mit der Lieferung der 30.000 Stück zu verrechnen. Im September 2024 werden die Möbel ausgeliefert, eine Zahlung ist noch nicht erfolgt. S hat sich aber wegen der erhöhten Transportkosten für D bereit erklärt, die dem D zusätzlich entstandenen Fährkosten von 1.500 EUR zu erstatten. Soweit Umsatzsteuer bei diesen Lieferungen im September entstehen sollte, sind die Vertragsparteien einig, dass diese zusätzlich berechnet wird.
4.2 Fragestellung
D möchte wissen, welche umsatzsteuerrechtlichen Folgen sich für ihn im Juli sowie im September ergeben. Eine zutreffende USt-IdNr. des Auftraggebers aus Schweden liegt ihm seit Geschäftsanbahnung vor.
4.3 Lösung
Sowohl D als auch S sind Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG, da sie selbstständig, nachhaltig und mit Einnahmeerzielungsabsicht tätig sind, beide Beteiligten werden im Rahmen ihres Unternehmens tätig.
Im Juli 2024 führt D Lieferungen mit der Verschaffung der Verfügungsmacht über die Probestücke an S aus.
Werklieferung setzt Be- oder Verarbeitung von Gegenständen Dritter voraus
Obwohl D die Werkstücke individuell für seinen Auftraggeber fertigt, handelt es sich nach der Rechtsprechung des BFH nicht um eine Werklieferung i. S. d. § 3 Abs. 4 UStG. Eine Werklieferung setzt voraus, dass der leistende Unternehmer Gegenstände Dritter be- oder verarbeitet.
Der Ort der Lieferungen ist nach § 3 Abs. 5a i. V. m. § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG dort, wo die Beförderung der Gegenstände beginnt. Da dies offensichtlich in Deutschland geschieht, sind die Lieferungen der Möbel nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar. Da die Probestücke in Deutschland verbleiben und hier geprüft werden, können sich weder Ausfuhrlieferungen noch innergemeinschaftliche Lieferungen ergeben; die Lieferungen sind in Ermangelung einer Steuerbefreiung in Deutschland steuerpflichtig.
Innergemeinschaftliche Lieferungen setzen Gelangen in anderen Mitgliedstaat voraus
Eine innergemeinschaftliche Lieferung setzt immer voraus, dass der Gegenstand der Lieferung auch tatsächlich körperlich ("physisch") in einen anderen Mitgliedstaat gelangt. Da dies nicht gegeben ist, kann auch die von S verwendete USt-IdNr. aus Schweden nicht zu einem steuerbefreiten Umsatz in Deutschland führen.
Für die von D steuerbar und steuerpflichtig ausgeführten Lieferungen ist die Bemessungsgrundlage zu ermitteln. Dabei gehört nach § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG alles zur Bemessungsgrundlage, was der leistende Unternehmer vom Leistungsempfänger erhält oder erhalten soll einschließlich der mit dem Preis dieses Umsatzes zusammenhängenden Subventionen. Die Berücksichtigung von Subventionen wird in Deutschland über die Abgrenzung von echten und unechten Zuschüssen vorgenommen. Fraglich kann sein, ob der "Zuschuss" zur Umrüstung der Maschine einen echten oder einen unechten Zuschuss darstellt.
Da D die Zahlung von 5.000 EUR zweifelsfrei im Zusammenhang mit der von ihm an S ausgeführten Lieferung erhält und damit ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung besteht (S zahlt die 5.000 EUR erkennbar um der Gegenleistung "Lieferung der Möbel" wegen), handelt es sich um einen unechten Zuschuss, der Bestandteil des Leistungsaustauschprozesses ist und damit bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen ist.
Echter Zuschuss nur ohne Leistungsaustausch
Ein echter – nicht steuerbarer – Zuschuss kann nur dann vorliegen, wenn zwischen der Zahlung und der vom Unternehmer ausgeführten Leistung kein direkter Zusammenhang besteht. Die Zahlung darf nicht aufgrund eines Leistungsaustauschprozesses erbracht worden sein.
Da D für die Lieferung der 50 Probestücke insgesamt 10.950 EUR von S erhält, stellt dies den Bruttobetrag dar, aus dem die darin enthaltene Umsatzsteuer herauszurechnen ist. Da die Lieferung von Möbeln dem Regelsteuersatz nach § 12 Abs. 1 UStG von...