Leitsatz
Der Emittent von Inhaberschuldverschreibungen (§§ 793 ff. BGB) im Rahmen bankseitig angebotener sog. Commercial Paper Programme ist nicht verpflichtet, dem an ihn gerichteten Verlangen des FA gem. § 160 Abs. 1 Satz 1 AO nachzukommen und die Gläubiger der verbrieften Ansprüche und der hierauf zu zahlenden Zinsen zu benennen. Das Benennungsverlangen ist regelmäßig unzumutbar und unverhältnismäßig und damit ermessensfehlerhaft.
Normenkette
§ 30a Abs. 1 AO , § 160 Abs. 1 Satz 1 AO
Sachverhalt
Die Klägerin, eine AG, gab in den Streitjahren 1992 und 1993 im Rahmen eines sog. Commercial Paper Programms Teilschuldverschreibungen i.S.d. §§ 793 ff. BGB aus.
Der Nennbetrag dieser Teilschuldverschreibungen differierte zwischen 5 Mio. DM und 25 Mio. DM, wobei die Mindeststückelung 500.000 DM betrug. Die Laufzeit der in den Streitjahren insgesamt ausgegebenen 15 Teilschuldverschreibungen bewegte sich zwischen einem und drei Monaten. Die jeweils in einer Sammelurkunde zusammengefassten Teilschuldverschreibungen wurden bei einer Wertpapiersammelbank, der C AG, hinterlegt.
Die von der Klägerin auf diskontierter Basis (Abschlag bei Übernahme und Rückzahlung zum Nennbetrag) herausgegebenen Teilschuldverschreibungen wurden zunächst von den beiden als Plazeurbanken eingeschalteten Kreditinstituten käuflich erworben und anschließend an die Investoren (Kunden der Plazeur- und anderer Banken) veräußert. Dem jeweiligen Erwerber wurde ein entsprechender Miteigentumsanteil an der Sammelurkunde eingeräumt. Die Gutschriften über die erworbenen Miteigentumsanteile wurden dabei zunächst im Verhältnis zwischen der C AG und den dort als Kontoinhaber geführten Depotbanken der Erwerber vorgenommen.
Die Depotbanken verbuchten sodann die Miteigentumsanteile zugunsten der Depots ihrer Kunden. Die bei Abwicklung des Commercial Paper Programms anfallenden Zahlungen – Vereinnahmung des Kaufpreises, Zahlung des im Papier verbrieften Betrags – wurden über einer der Plazeurbanken vorgenommen, die insoweit für die Klägerin als Emissions- und Zahlstelle tätig wurde. Diese überwies die auf die Sammelurkunden zu entrichtenden Beträge bei Fälligkeit an die C AG, die ihrerseits die Gelder an die Depotbanken weiterleitete. Die Depotbanken schrieben wiederum die Einlösungsbeträge den Konten ihrer Kunden gut. Nach erfolgter Tilgung wurde die entwertete Sammelurkunde zurückgegeben.
Im Zusammenhang mit der Kapitalbeschaffung durch diese Teilschuldverschreibungen machte die Klägerin die ihr von der eingeschaltenen Zahlbank berechneten Zinsaufwendungen als Betriebsausgaben geltend.
Das FA forderte die Klägerin unter Hinweis auf § 160 AO zur Benennung der Zinszahlungsempfänger auf. Die Klägerin lehnte dies ab. Sie hielt das Benennungsverlangen für unzumutbar und damit für ermessensfehlerhaft. Das FA folgte dem nicht und ging in Höhe des von ihm angenommenen Steuerausfalls von nicht abziehbaren Betriebsausgaben aus.
Entscheidung
Der BFH sah dies (ebenso wie schon zuvor das FG, s. EFG 2003, 896) anders. Wenn es "Wesen" einer Inhaberschuldverschreibung sei, "anonym" zu wirken und wenn eine solche es dem Aussteller ermögliche, befreiend selbst an den nicht berechtigen Inhaber der Schuldurkunde zu leisten, dann stelle es einen Wertungswiderspruch dar, verlange man Letzterem gleichwohl ab, Auskunft über die Person des Empfängers zu geben. Dazu ermächtige § 160 AO nicht.
Hinweis
1. Geldzahlungen, die an mehr oder weniger dubiose oder (jedenfalls vordergründig) verdächtige Geschäftspartner beispielsweise in Liechtenstein oder ähnlichen "Oasen"-Gebieten geleistet werden, stehen bekanntlich schnell im Visier der Steuerbehörden. Oftmals (und gelegentlich zu Recht) wird gemutmaßt, dass die Gelder ins Inland zurückfließen und hier "schwarz" vereinnahmt werden. Um dem vorzubeugen, hat der Gesetzgeber in Gestalt des § 160 AO das Schwert der Nichtabziehbarkeit der Zahlung beim Leistenden für den Fall geschmiedet, dass der Empfänger der Zahlung nicht benannt wird. Dabei genügt es regelmäßig nicht, nur den formalen Empfänger, etwa eine liechtensteinische sog. Domizilgesellschaft namhaft zu machen. Es muss der "wahre" oder der "wirkliche", sprich der wirtschaftliche Empfänger und Hintermann benannt werden.
2. In dieser Weise versuchen die Finanzämter neuerdings zunehmend auch den Emittenten von Inhaberschuldverschreibungen"beizukommen", falls diese ihre Zinsgläubiger nicht namhaft machen (können).
Der BFH setzt derartigen "indirekten" Aufklärungsversuchen der Finanzämter aber klare Grenzen: Es entspricht gerade der "Idee" von Inhaberschuldverschreibungen, eine gewisse Anonymität der Gläubiger sicherzustellen. Deswegen erlaubt die Zivilrechtslage sowohl eine Legitimations- als auch eine Liberationswirkung (vgl. § 793 Abs. 1, § 808 Abs. 1 BGB): Derjenige, der die verbriefte Schuldverschreibung in den Händen hält, ist zur Entgegennahme der Zinsen berechtigt; der Schuldner kann hierauf befreiend leisten. In Anbetracht dessen wäre es widersprüchlich, wollte man den Schuldner der Papiere mi...