Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
Die unverbindliche Preisempfehlung eines Automobilherstellers ist jedenfalls seit dem Jahr 2003 keine geeignete Grundlage, den lohnsteuerrechtlich erheblichen Vorteil eines Personalrabatts für sog. Jahreswagen zu bewerten.
Normenkette
§ 8 Abs. 3, § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG
Sachverhalt
Der als Arbeitnehmer eines Automobilherstellers tätige Kläger erwarb 2003 von seinem Arbeitgeber einen Neu-Pkw (unverbindliche Preisempfehlung/Listenpreis: 17 917 EUR) für 15 032 EUR.
Das FA und auch das FG (Niedersächsisches FG, Urteil vom 07.03.2007, 3 K 386/04, Haufe-Index 1781113, EFG 2007, 1866) ermittelten den geldwerten Vorteil dafür auf Grundlage dieses Listenpreises.
Entscheidung
Der BFH hob die Vorentscheidung auf und gab der Klage aus den in Praxishinweisen erläuterten Erwägungen statt.
Hinweis
Die Entscheidung betrifft im Gewand der Jahreswagenbesteuerung eine Grundfrage des LSt-Rechts: Hat ein vom Arbeitgeber beim Kauf einer Sache gewährter Rabatt seinen Rechtsgrund im Arbeitsverhältnis und ist damit als Lohn zu versteuern oder hat dieser Rabatt ganz oder teilweise seinen Grund in den allgemeinen Marktverhältnissen, indem der Arbeitgeber letztlich nur den Preis verlangt, zu dem sein Arbeitnehmer die Sache auch von einem fremden Dritten hätte erwerben können (z.B. BFH, Urteil vom 04.05.2006, VI R 28/05, BFH/NV 2006, 1927, BFH/PR 2007, 1).
1. (Vergleichs-)Maßstab der Bewertung und des daraus ggf. abzuleitenden Lohnvorteils ist nach § 8 Abs. 3 S. 1 EStG der Endpreis, zu dem das fragliche Fahrzeug fremden Letztverbrauchern im allgemeinen Geschäftsverkehr angeboten wird, der "Angebotspreis". Im Gegensatz zum FG war der BFH aber nicht davon überzeugt, dass die unverbindliche Preisempfehlung/Listenpreis des Kfz-Herstellers diesen Angebotspreis zutreffend wiedergibt. Er betonte vielmehr, dass spätestens seit der Abschaffung des Rabattgesetzes und der Zugabeverordnung sowie unter Berücksichtigung der allgemeinen Marktentwicklung im Kfz-Handel jedenfalls im Streitjahr 2003 die unverbindliche Preisempfehlung in aller Regel nicht der Preis sei, zu dem Fahrzeuge im allgemeinen Geschäftsverkehr angeboten werden. Sogar die Finanzverwaltung berücksichtigt dies schon seit 1996 (BMF-Schreiben, BStBl I 1996, 114), wenn sie die Hälfte des durchschnittlich beim Verkauf tatsächlich gewährten Preisnachlasses vom empfohlenen Preis abzieht.
2. Im Streitfall kam hinzu, dass nach den Feststellungen des FG im konkreten Streitfall ein Autohaus – ohne dass bereits Preis- und Vertragsverhandlungen stattgefunden hätten – auf die unverbindliche Preisempfehlung des Automobilherstellers tatsächlich einen Nachlass i.H.v. 8 % gewährt hatte. Angesichts dessen konnte der BFH höchstens noch diesen Preis (17 917 EUR – 8 % = 16 483,63 EUR) als angebotenen Endpreis i.S.d. § 8 Abs. 3 EStG ansehen, weil zu diesem Preis das fragliche Fahrzeug im allgemeinen Geschäftsverkehr angeboten worden war. Nachdem sich schon unter Berücksichtigung dieses Preises unter Berücksichtigung des weiteren Abschlags nach § 8 Abs. 3 S. 1 EStG i.H.v. 4 % und des Freibetrags nach § 8 Abs. 3 S. 2 EStG i.H.v. 1 224 EUR kein lohnsteuerrechtlich erheblicher Vorteil mehr ergab, konnte der BFH selbst entscheiden. Der Klage war daher stattzugeben.
3. Der BFH unterließ es aber nicht, darauf hinzuweisen, dass das FG grundsätzlich den Einwand des Klägers, zu den tatsächlich gewährten Rabattbedingungen hätte er auch auf dem allgemeinen Markt das Fahrzeug erwerben können, hätte beachten und ihm im Rahmen seiner Aufklärungspflicht hätte nachgehen müssen. Das hatte der BFH im Übrigen für "Jahreswagen" schon hinsichtlich der Gepflogenheiten der Automobilindustrie im Veranlagungszeitraum 1990 entschieden (BFH, Urteil vom 05.07.1996, VI R 28/96, BFH/NV 1996, 811) und gilt erst recht für das Streitjahr 2003.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 17.06.2009 – VI R 18/07