Sachverhalt
In der Umsatzbesteuerungspraxis kommt es immer wieder zu Fällen, in denen der geschuldete Betrag einen Bruchteil der kleinsten jeweiligen Währungseinheit ausmacht. In derartigen Fällen ist eine Rundung der Beträge notwendig, die gegebenenfalls einer Regelung bedarf. In seinem Urteil vom 10.7.2008, C-484/06 (Fiscale eenheid Koninklijke Ahold NV) hatte der EuGH bereits im Wesentlichen entschieden, dass, sofern die Grundsätze der steuerlichen Neutralität und Proportionalität eingehalten werden, die Regelung einer solchen Rundung Sache der Mitgliedstaaten ist und dass diese nach dem Gemeinschaftsrecht nicht verpflichtet sind, dem Unternehmer die Abrundung des geschuldeten Mehrwertsteuerbetrags pro geliefertem Artikel zu gestatten. Im vorliegenden Fall hatte das VAT and Duties Tribunal, London, zwei Fragen, die den Fragen in der Rechtssache C-484/06 ähnelten, sowie zwei weitere Fragen gestellt, die stärker ins Detail gingen. Das Vorlagegericht wollte wissen, ob das Gemeinschaftsrecht die Rundung auf einer bestimmten Ebene vorschreibt (etwa auf der Ebene jedes einzelnen gelieferten Artikels, auf der Ebene jedes einzelnen Umsatzes oder auf irgendeiner anderen Ebene). Zweitens sollte geklärt werden, inwieweit die Grundsätze der Gleichbehandlung und der steuerlichen Neutralität im Hinblick auf ein innerstaatliches Zugeständnis maßgeblich sind, wonach nur bestimmte Unternehmen Mehrwertsteuerbeträge abrunden dürfen.
Die Klägerin des Ausgangsverfahrens betreibt mehr als 670 Gaststätten im Vereinigten Königreich. Der Großteil ihrer Verkaufsumsätze sind Einzelhandelsverkaufsumsätze von Essen und Getränken an Endverbraucher. Die Klägerin gibt gegenüber ihren Kunden für ihre Einzelhandelsprodukte einen Preis an, in dem die Mehrwertsteuer enthalten ist. Sie stellt keine ausführlichen Mehrwertsteuerrechnungen an ihre Kunden aus, händigt ihnen jedoch für Essen und heiße Getränke Quittungen aus, die als weniger detaillierte Mehrwertsteuerrechnungen gelten, und für andere Getränke dann, wenn der Kunde dies verlangt. Bis 2004 rechnete die Klägerin Mehrwertsteuer ab, indem sie die für jeden einzelnen Umsatz zu entrichtende Mehrwertsteuer ermittelte und die Mehrwertsteuerschuld auf "Korbebene" berechnete. Sie berechnete die geschuldete Mehrwertsteuer für jeden einzelnen zum Normalsatz (17,5 %) besteuerten Umsatz mit 7/47 des geschuldeten Gesamtbetrags und rundete dann mathematisch auf den nächsten Penny auf oder ab. Diese Mehrwertsteuerbeträge wurden dann am Ende des Tages für jede einzelne Gaststätte addiert und bildeten so in den Voranmeldungen die an HMRC abzuführende Mehrwertsteuer. Seit 2004 nahm die Klägerin für jedes einzelne getrennt geführte Produkt eine Berechnung und Abrundung der Mehrwertsteuerbeträge auf Warengattungsebene vor. Anschließend addierte sie diese Mehrwertsteuerbeträge und rundete sie auf den nächsten Penny auf "Korbebene" ab. HMRC verweigerte der Klägerin die Abrundung der auf die einzelnen Umsätze zu entrichtenden Mehrwertsteuer.
Entscheidung
Mit seinen ersten beiden Fragen wollte das Vorlagegericht im Wesentlichen wissen, ob die Rundung von Mehrwertsteuerbeträgen unter das nationale Recht oder unter das Gemeinschaftsrecht fällt, und insbesondere, ob das Gemeinschaftsrecht Regelungen zum Rundungsverfahren umfasst, die entweder dem arithmetischen Runden entgegenstehen oder den Mitgliedstaaten vorschreiben, den Unternehmern das Abrunden eines Mehrwertsteuerbetrags zu gestatten, wenn die Anwendung des Normalsatzes der Mehrwertsteuer zu einem Mehrwertsteuerbetrag führt, der einen Bruchteil der kleinsten nationalen Währungseinheit umfasst. Hierzu hat der EuGH mit Bezug auf sein Urteil vom 10.7.2008, C-484/06 (Fiscale eenheid Koninklijke Ahold NV) entschieden, dass das Gemeinschaftsrecht bei seinem derzeitigen Stand keine spezifische Vorgabe in Bezug auf die Methode zur Rundung von Mehrwertsteuerbeträgen enthält. In Ermangelung einer spezifischen Gemeinschaftsregelung ist es Sache der Mitgliedstaaten, die Regeln und die Methoden für die Rundung der Mehrwertsteuerbeträge zu bestimmen. Dabei müssen sie darauf achten, dass die Grundsätze, auf denen das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruht (Grundsätze der steuerlichen Neutralität und der Proportionalität), eingehalten werden. Insbesondere steht das Gemeinschaftsrecht der Anwendung einer nationalen Regelung nicht entgegen, wonach ein bestimmter Mehrwertsteuerbetrag aufgerundet werden muss, wenn der Bruchteil der kleinsten Einheit der betreffenden Währung größer oder gleich 0,5 ist, und es schreibt auch nicht vor, dass den Unternehmern das Abrunden eines Mehrwertsteuerbetrags zu gestatten ist, der einen Bruchteil der kleinsten nationalen Währungseinheit umfasst.
Mit seiner dritten Frage wollte das Vorlagegericht wissen, ob bei einem Verkaufspreis, in dem die Mehrwertsteuer enthalten ist, nach dem Gemeinschaftsrecht bei der Berechnung der geschuldeten Mehrwertsteuer auf einer bestimmten Ebene (z.B. für jeden Artikel einzeln oder für jede Warenart, sofern m...