Leitsatz
Bei der Umrechnung des Kindergelds in einen Freibetrag gem. § 53 Satz 3 EStG ist auch in den Fällen, in denen das Kind nicht während des gesamten Veranlagungszeitraums berücksichtigungsfähig war, nur das dem Steuerpflichtigen tatsächlich zustehende Kindergeld und nicht ein fiktiver Kindergeld-Jahresbetrag zugrunde zu legen.
Normenkette
§ 53 Satz 3 EStG
Sachverhalt
Die Kläger (Eheleute) haben zwei Kinder, die im August 1988 und im Oktober 1989 geboren wurden. Bei den Veranlagungen zur ESt 1988 und 1989 wurden ursprünglich ein Kinderfreibetrag i.H.v. 2 484 DM (1988) und zwei Kinderfreibeträge i.H.v. 4 968 DM (1989) gewährt.
Das FG stellte – trotz eines Grenzsteuersatzes der Kläger von (nur) 22 % – weitere Beträge von der Besteuerung frei. Bei der Umrechnung des Kindergelds setzte es in beiden Streitjahren nur das jeweils tatsächlich zustehende (unterjährige) Kindergeld an.
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Vorentscheidung. In Fällen des unterjährigen Kindergelds sei – entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung – kein fiktiver Kindergeld-Jahresbetrag anzusetzen.
Hinweis
1. Zur Vorgeschichte: Das BVerfG hatte in drei Entscheidungen vom 10.11.1998 (BStBl II 1999, 174, 193 und 194) die Regelungen zur steuerlichen Berücksichtigung von Kindern (Kinderfreibeträge/Kindergeld) in den Jahren 1985, 1987 und 1988 in bestimmten Fällen als nicht ausreichend angesehen und in derartigen Fällen – soweit sie offen waren – Nachbesserung verlangt.
Nachdem ferner der BFH (vgl. Beschluss vom 29.1.1999, VI R 176/90, BStBl II 1999, 233) die Auffassung vertreten hatte, den Entscheidungen des BVerfG müsse Rückwirkung auf alle noch nicht materiell bestandskräftig entschiedenen Fälle zukommen, entschloss sich der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Familienförderung vom 22.12.1999, den Kinderleistungsausgleich in den Veranlagungszeiträumen 1983 bis 1995 (§ 53 EStG) neu zu regeln.
2. Da auch das Kindergeld dem Kinderleistungsausgleich dient, muss das dem Steuerpflichtigen im jeweiligen Veranlagungszeitraum für das betreffende Kind zustehende Kindergeld nach § 53 EStG in einen (fiktiven) Freibetrag umgerechnet werden. Erreicht die Summe aus dem bisherigen Kinderfreibetrag und dem durch das umgerechnete Kindergeld gewonnenen (fiktiven) Kinderfreibetrag nicht das nach § 53 Sätze 3 und 4 EStG für diesen Veranlagungszeitraum festgesetzte Existenzminimum des Kindes (neuer Freibetrag), so ist der Unterschiedsbetrag vom bisherigen zu versteuernden Einkommen abzuziehen (§ 53 Satz 6 EStG).
3. Der Streitfall betraf die Frage der Umrechnung des Kindergelds in einen (fiktiven) Kinderfreibetrag.
Zur Klarstellung zunächst dies: Das dem Steuerpflichtigen zustehende (nicht das gezahlte) Kindergeld ist umzurechnen. Mit dieser Formulierung sollte (aus Vereinfachungsgründen) vermieden werden, im Nachhinein das tatsächlich erhaltene Kindergeld ermitteln zu müssen. Demgemäß dürfte es auch zutreffen, dass Kindergeld, das einem Steuerpflichtigen zwar zustand, aber tatsächlich nicht gezahlt wurde, ebenfalls umzurechnen ist.
4. Die Besprechungsentscheidung betraf das Problem, ob das (monatliche) Kindergeld dann, wenn es nur für einen Teil des Jahres – z.B. Geburt des Kindes, Ende der Ausbildung – zustand (sog. nicht ganzjähriges bzw. unterjähriges Kindergeld), gleichwohl in einen Jahresbetrag um- bzw. hochzurechnen ist. Oder anders ausgedrückt: muss der Kindergeldansatz in Fällen der Unterjährigkeit an das Jahresprinzip des Kinderfreibetrags angeglichen und das Kindergeld mit einem Jahresbetrag angesetzt werden. So verfuhr die Finanzverwaltung (zu Lasten der Steuerpflichtigen).
Beispiel: Bei einem im Juli geborenen Kind: zwar Ansatz des vollen Kinderfreibetrags – Grundlage für die Umrechnung des Kindergelds in einen (fiktiven) Kinderfreibetrag, allerdings nicht nur der zustehende Betrag von sechs Monaten (Juli bis Dezember), sondern der – fiktive – Jahresbetrag von 12 x 50 DM = 600 DM.
Zu beachten ist, dass § 53 EStG eine Zwölftelung, wie sie jetzt in § 32 Abs. 6 Satz 6 EStG (ab 2000) normiert ist, nicht enthält. In Fällen des unterjährigen Kindergelds kommt es in § 53 EStG folglich zu einer Kollision zwischen dem Jahresprinzip des § 53 EStG (Jahresexistenzminimum) und dem beim Kindergeld geltenden Monatsprinzip.
5. Angesichts des eindeutigen Wortlauts ("zustehendes" Kindergeld) hielt es der BFH bei unterjährigem Kindergeld nicht für vertretbar, so zu tun, als stehe einem Steuerpflichtigen Kindergeld für das ganze Jahr zu (also z.B. auch für solche Monate, in denen ein Kind noch nicht geboren war).
Die Besprechungsentscheidung bewirkt, dass Steuerpflichtige in Fällen der Unterjährigkeit des Kindergelds eine weitere Entlastung erhalten. Sie kommt insbesondere Eltern mit niedrigen Grenzsteuersätzen zugute, obgleich eine zusätzliche Freistellung des kindbedingten Existenzminimums in der Sache nicht zwingend geboten ist.
Der BFH war indessen der Ansicht, dass es nicht seine Aufgabe sei, die überschießende Tendenz des Gesetzes durch eine "Erweiterung" des Begriffs des "zus...