Sächsisches Staatsministerium der Finanzen v. 03.12.1999, 35-S 7100-98-12-70671
Es ist die Frage aufgeworfen worden, welche Bedeutung der Voraussetzung des Bereithaltens besonderer Vorrichtungen für den Verzehr an Ort und Stelle in § 3 Abs. 9 Satz 5 UStG im Hinblick auf das EuGH-Urteil vom 2. Mai 1996 (BStBl 1998 II S. 284) sowie die BFH-Urteile vom 12. März 1998 (BStBl II S. 417), 20. August 1998 (BStBl 1999 II S. 37) und 5. November 1998 (BStBl 1999 II S. 326) zukommt. Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterung mit den obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder gilt hierzu folgendes:
(1) Nach der EuGH- und BFH-Rechtsprechung sind bei der Abgabe von Speisen nicht umsatzsteuerbegünstigte sonstige Leistungen anzunehmen, wenn der Unternehmer sich nicht auf einen Umsatz von Nahrungsmitteln „zum Mitnehmen” beschränkt, sondern auch im sog. Darreichungsbereich Dienstleistungen ausführt, die den bestimmungsgemäßen sofortigen Verzehr der Speisen fördern. Nach § 3 Abs. 9 Satz 5 UStG sind besondere Vorrichtungen für den Verzehr an Ort und Stelle ein typisierendes Merkmal dafür, dass Dienstleistungen im Darreichungsbereich vorhanden sind. Es kommt grundsätzlich nicht darauf an, wer die besonderen Vorrichtungen bereithält. Werden die Vorrichtungen vom leistenden Unternehmer bereitgehalten, liegt unter den weiteren Voraussetzungen des § 3 Abs. 9 Satz 5 UStG in jedem Falle ein Verzehr an Ort und Stelle und damit eine nichtbegünstigte sonstige Leistung vor. Stellt ein anderer, auch der Leistungsempfänger, die Vorrichtungen zur Verfügung, gilt das Gleiche, sofern der leistende Unternehmer ersichtlich Dienstleistungen im Darreichungsbereich (z.B. Ausgabe oder Servieren der Speisen, Reinigung der Tische, Stühle oder des Geschirrs) ausführt.
(2) Die Grundsätze des Absatzes 1 haben insbesondere Bedeutung für die Verpflegungsleistungen in Schulen, für Leistungen von Catering-Unternehmern und in den Fällen des sog. Partyservice. In diesen Fällen sind grundsätzlich nur dann begünstigte Lieferungen von Nahrungsmitteln anzunehmen, wenn der Unternehmer sich auf das bloße Anliefern der Speisen beschränkt und vor Ort (d.h. am Ort der Verzehrvorrichtungen) keine Serviceleistungen gegenüber den tatsächlich verzehrenden Personen erbringt.
Beispiel 1:
Der Catering-Unternehmer A verabreicht in einer Schule aufgrund eines mit dem Schulträger geschlossenen Vertrages verzehrfähig angeliefertes Mittagessen. Das Essen wird von den Schülern in einem Mehrzweckraum, der über Tische und Stühle verfügt, eingenommen. A übernimmt mit eigenem Personal die Ausgabe des Essens, die Reinigung der Räume sowie der Tische, des Geschirrs und des Bestecks.
Es liegen nichtbegünstigte sonstige Leistungen des A i.S.d. § 3 Abs. 9 Satz 4 und 5 UStG vor. Dass die beim Verzehr benutzten Tisch und Stühle nicht von A bereitgestellt wurden, ist wegen der weiteren Dienstleistungen im Darreichungsbereich unerheblich.
Beispiel 2:
Der Unternehmer B (Betreiber eines Party-Service) liefert verzehrfähige Speisen für eine Gartenparty eines privaten Auftraggebers in dessen Privathaus an. Er stellt dem Auftraggeber Tische, Stühle, Geschirr und Besteck zur Verfügung.
Es liegen nichtbegünstigte sonstige Leistungen des B i.S.d. § 3 Abs. 9 Satz 4 und 5 UStG vor, weil B besondere Vorrichtungen für den Verzehr an Ort und Stelle bereitstellt.
Beispiel 3:
Der Unternehmer C beliefert ein Krankenhaus mit Mittag- und Abendessen für die Patienten. Er bereitet die nur teilweise verzehrfähig angelieferten Speisen bzw. Nahrungsmittel in der Küche des auftraggebenden Krankenhauses fertig zu und portioniert sie. Den Transport auf die Stationen und die Ausgabe der Speisen an die Patienten übernimmt das Krankenhauspersonal.
Es liegen begünstigte Lieferungen des C i.S.d. § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG vor, weil C vor Ort keine Serviceleistungen gegenüber den Patienten erbringt.
(3) Die vorstehenden Grundsätze sind auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 1999 ausgeführt werden. Für Umsätze, die vor dem 1. Januar 2000 ausgeführt werden, gilt folgendes:
- Verpflegungsleistungen vor dem 27. Juni 1998 (Inkrafttreten der Neufassung des § 3 Abs. 9 Satz 4 und 5 UStG) sind unabhängig von der EuGH- und BFH-Rechtsprechung uneingeschränkt nach den für den Verzehr an Ort und Stelle nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 und 3 UStG a.F. geltenden Grundsätzen des Abschnitts 161 UStR 1996 zu beurteilen.
- Auf Verpflegungsleistungen nach dem 26. Juni 1998 sind die Grundsätze des Abschnitts 161 UStR 1996 – ausgenommen Abschnitt 161 Abs. 1 Satz 2 UStR 1996 – sinngemäß weiter anzuwenden (vgl. SMF-Schreiben vom 10. September 1998, Az.: 35-S 7030-33/4-54588).
Dieses Schreiben entspricht dem BMF-Schreiben vom 24. November 1999, Az.: IV D 1-S 7100-133/99, welches im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht und in die USt-Kartei aufgenommen wird.
Dieser Erlass entspricht der Verfügung der OFD Chemnitz vom 14.12.1999, Az.: S 7100-121/3-St 34.
Normenkette
§ 3 Abs. 9 UStG