Prof. Dr. Stefan Müller, Dr. Lina Warnke
1.1 Inhalt und Regelungszweck
Rz. 1
§ 270 HGB regelt die Abbildung von Kapitalrücklage (§ 272 Abs. 2 HGB) und Gewinnrücklage sowie deren Veränderungen. Von der Regelung der Norm sind Rücklagenbewegungen betroffen, die innerhalb der Ergebnisverwendungsrechnung (Überleitung Jahresüberschuss zu Bilanzgewinn) auszuweisen sind. Davon nicht erfasst sind dagegen solche Rücklagendotierungen, die durch Transaktionen mit den Gesellschaftern entstehen. Darüber hinaus wird der für die Einstellungen oder Auflösungen verantwortliche Organ- bzw. Personenkreis definiert.
Rz. 2
Entsprechend der Bestimmung in Abs. 1 hat die Einstellung in die Kapitalrücklage respektive deren Auflösung bereits zum Zeitpunkt der Aufstellung der Bilanz und nicht erst im Anschluss an einen Ergebnisverwendungsbeschluss zu erfolgen.
Rz. 3
Gleiches gilt gem. Abs. 2 analog für Entnahmen aus sowie Einstellungen in die Gewinnrücklagen, sofern die Bilanz unter Berücksichtigung der vollständigen oder teilweisen Verwendung des Jahresergebnisses (§ 268 Abs. 1 HGB) aufgestellt wird und die Entnahmen oder Einstellungen nach Gesetz, Gesellschaftsvertrag oder Satzung vorzunehmen sind bzw. auf Basis dieser beschlossen werden. Aus der zwingenden Bestimmung des Abs. 1 ist abzuleiten, dass die Einstellung und/oder Auflösung einer Kapitalrücklage (zunächst) einzig in den Aufgabenbereich der Geschäftsführung und damit des Bilanz aufstellenden Organs (§ 264 Abs. 1 Satz 3 HGB) fällt, ohne aber gesellschaftsrechtliche Konsequenzen zu verdrängen.
Rz. 4
Unter der Aufstellung der Bilanz ist dabei das verantwortliche technische Anfertigen dieser zu verstehen. Der Begriff der Aufstellung ist von der Abschlussprüfung (§§ 316 ff. HGB), der Feststellung der Bilanz (§§ 172, 173 AktG, § 47 Abs. 5 SEAG und § 42a Abs. 2 Satz 1 GmbHG), der Billigung (§ 171 AktG) und der Erstellung abzugrenzen. Während die Bilanz (bzw. der Jahresabschluss) durch jeden Beauftragten (Leiter ReWe oder externe Dritte, wie z. B. StB) erstellt werden kann, obliegt die Aufstellung dagegen nur den zur Aufstellung Verpflichteten (gesetzliche Vertreter) (§ 264 Rz 38). Die Aufstellungsphase i. S. d. § 270 HGB ist nicht analog zu den durch den Beschleunigungszweck definierten Vorschriften in § 264 Abs. 1 HGB, § 170 Abs. 1 Satz 1 AktG sowie § 42a Abs. 2 Satz 1 GmbHG zu verstehen. § 270 HGB legt aber keine über die Aufstellung des Jahresabschlusses hinausgehende gesonderte Kompetenz für die genannten Passivposten fest. Somit bedürfen auch die hier relevanten Auflösungen und Einstellungen der Feststellung, die stets unter Mitwirkung des Aufsichtsrats, der GesV respektive ggf. der HV erfolgt. Entsprechend liegen Rücklagenveränderungen i. S. d. § 270 HGB zwar im Kompetenz- bzw. Pflichtbereich der Geschäftsführung und damit des bilanzaufstellenden Organs, werden in der Praxis jedoch selten ohne Abstimmung mit dem Feststellungsorgan vonstattengehen.
Bei der Entscheidung über die Feststellung sowie die Ergebnisverwendung können die dafür zuständigen Organe die Entscheidungen der Geschäftsführung revidieren.
Rz. 5
Der Terminus "Auflösung" steht für eine ergebnisneutrale Entnahme, d. h., der Betrag ist in der GuV erst in der Überleitungsrechnung vom Jahresergebnis zum Bilanzgewinn auszuweisen.
1.2 Anwendungsbereich
Rz. 6
Der Geltungsbereich des § 270 HGB beschränkt sich zunächst auf KapG und KapCoGes.
Rz. 7
Ist ein Unt zur Rechnungslegung nach dem PublG verpflichtet, ist die Regelung gem. § 5 Abs. 1 PublG zudem sinngemäß anzuwenden. Eine entsprechende Anwendung ergibt sich nach § 336 Abs. 2 Satz 1 HGB auch für eingetragene Genossenschaften (eG). Für Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute sowie Versicherungsunt und Pensionsfonds ergibt sich die Anwendung der Vorschriften des § 270 HGB aus § 340a Abs. 1 und 2 HGB sowie § 341a Abs. 1 und 2 HGB. § 270 HGB ist auch für den Konzernabschluss von Bedeutung.
1.3 Normzusammenhänge
Rz. 8
Die Bildung der Kapitalrücklage fußt bei AG und KGaA auf § 272 Abs. 1b und 2 HGB für den Normalfall sowie den §§ 229, 232, 237 Abs. 5 AktG für Sonderfälle. Die Auflösung hat nach Maßgabe der Vorschriften des § 150 Abs. 3 und 4 AktG zu erfolgen. Bei GmbHs bildet § 30 Abs. 2 GmbHG die Rechtsgrundlage für die Bildung der Kapitalrücklage. § 266 Abs. 3 A. II. HGB regelt zudem den Bilanzausweis, wobei nach § 152 Abs. 2 Nr. 1 AktG AG und KGaA Einstellungen in die Kapitalrücklage in Bilanz oder Anhang gesondert auszuweisen sind (§ 272 Rz 114 ff.).
Rz. 9
Gewinnrücklagen sind bei AG und KGaA nach Maßgabe der §§ 58 Abs. 1–3, 150 Abs. 1 und 2,