1.1 Inhalt, Bedeutung und Verfassungsmäßigkeit
Rz. 1
§ 315e HGB regelt, nach welchen (nationalen oder internationalen) Rechnungslegungsvorschriften der Konzernabschluss eines MU aufzustellen ist. Dies setzt daher zunächst eine Pflicht zur Konzernrechnungslegung voraus (Rz 6).
Rz. 2
Der Inhalt der Vorschrift umfasst nicht die Frage, ob ein Konzernabschluss aufzustellen ist, sondern vielmehr die Frage, nach welchen Vorschriften dies zu geschehen hat. Sofern aufgrund der Kapitalmarktorientierung des Konzerns die Voraussetzungen des § 315e Abs. 1 oder Abs. 2 HGB vorliegen, muss (Pflicht) der Konzernabschluss unter Anwendung der internationalen Rechnungslegungsstandards aufgestellt werden. Ein Wahlrecht zur Konzernrechnungslegung nach internationalen Standards gewährt § 315e Abs. 3 HGB nur für nicht kapitalmarktorientierte Konzerne.
§ 315e HGB regelt die materiellen Anforderungen an den Konzernabschluss. Diese Bestimmung ergänzt die sog. IFRS-VO (EG) Nr. 1606/2002 des EU-Parlaments und des Rates vom 19.7.2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards, die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 297/2008 geändert worden ist, und bildet mit dieser einen einheitlichen Rechtsrahmen für die Konzernrechnungslegung nach internationalen Standards. Mit der IAS-VO trägt der europäische Gesetzgeber dazu bei, die Funktionsweise des Binnenmarktes respektive des Kapitalmarktes zu verbessern. Die Übernahme internationaler Rechnungslegungsstandards in deutsches Recht wirft auf den ersten Blick verfassungsrechtliche Probleme und Bedenken, insb. hinsichtlich der faktischen Abgabe der Gesetzgebungskompetenz, auf. Diese Bedenken werden mittlerweile als unbegründet erachtet, sodass die Regelung verfassungsrechtlichen Bedenken Stand hält.
Abb. 1: Konzernrechnungslegung nach internationalen Standards
1.2 Rechtsentwicklung
Rz. 3
Mit dem BilReG wurde die Vorschrift erstmals ins HGB eingefügt. Durch § 315e Abs. 3 HGB wird das in Art. 5 der IAS-VO vorgesehene Mitgliedstaatenwahlrecht – auch für alle nicht kapitalmarktorientierten MU einen Konzernabschluss nach internationalen Standards freiwillig zuzulassen – in nationales Recht umgesetzt.
Rz. 4
Sowohl durch das BilRUG vom 17.7.2015 als auch durch das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz vom 11.4.2017 wurde der § 315e HGB lediglich redaktionell abgeändert. Somit ergeben sich aus beiden Gesetzen keine materiellen Änderungen.
Auch mit dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/2101 im Hinblick auf die Offenlegung von Ertragsteuerinformationen wurde nur der variable Verweis in Abs. 1 "in der jeweils geltenden Fassung" durch die Wörter "betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards (ABl. L 243 vom 11.9.2002, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 297/2008 (ABl. L 97 vom 9.4.2008, S. 62) geändert worden ist" ersetzt, was lediglich eine redaktionelle Änderung darstellt.
1.3 Normenzusammenhang
Rz. 5
§ 315e HGB gilt auch für na ch PublG konzernrechnungslegungspflichtige Unt mit der Einschränkung, dass Abs. 2 nur Anwendung findet, wenn das MU seiner Rechtsform nach ("Gesellschaft" i. S. d. IFRS-VO) in den Anwendungsbereich der IFRS-VO fällt (§ 11 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 PublG). Insoweit wird die verpflichtende Anwendung der IAS/IFRS auf den Konzernabschluss im Fall der Beantragung der Zulassung von Wertpapieren zum Handel in einem geregelten Markt begrenzt auf unter die IFRS-VO fallende Unt. Damit sind "kapitalmarktorientierte" Einzelkaufleute oder eine Stiftung ausgeschlossen.
Rz. 6
§ 315e HGB regelt nicht, ob eine Pflicht zur Konzernrechnungslegung besteht...