Rz. 1
§ 317 HGB regelt Gegenstand und Umfang der gesetzlichen Abschlussprüfung. Die Vorschrift legt die Durchführung der Abschlussprüfung fest bzw. welche Anforderungen an die Verrichtung der Prüfung gestellt werden. Der Zweck der Vorschrift liegt somit in der Sicherstellung der Qualität der Abschlussprüfung. Aus theoretischer Sicht dient eine Abschlussprüfung i. S. v. § 317 HGB dem Abbau von Informationsasymmetrien zwischen dem Management und allen am Unternehmenserfolg Beteiligten.
Rz. 2
Abs. 1 definiert in den Sätzen 1 und 2 die Prüfungsgegenstände für Jahresabschlussprüfungen und Konzernabschlussprüfungen. Satz 3 beschreibt die Zielsetzung der Abschlussprüfung, nämlich das Erkennen wesentlicher Unrichtigkeiten und Verstöße i. R. d. anwendbaren Normensysteme (im Regelfall HGB, bei Konzernabschluss nach § 315e HGB auch IFRS, wie sie in der EU anzuwenden sind).
Rz. 3
Das Einklangerfordernis des Lageberichts mit dem Jahresabschluss (ggf. auch mit dem IFRS-Einzelabschluss) bzw. des Konzernlageberichts mit dem Konzernabschluss wird in Abs. 2 der Vorschrift postuliert. Außerdem ist zu prüfen, ob im Lagebericht bzw. Konzernlagebericht die Chancen und Risiken der künftigen Entwicklung zutreffend dargestellt sind. Satz 3 stellt klar, dass die Erklärung zur Unternehmensführung (§ 289f HGB) nicht Gegenstand der Abschlussprüfung ist.
Rz. 4
Besondere Bestimmungen für den Konzernabschlussprüfer enthält Abs. 3. Dieser hat die im Konzernabschluss zusammengefassten Jahresabschlüsse sowie insb. die konsolidierungsbedingten Anpassungen zu prüfen. Die Regelung soll die volle Verantwortlichkeit des Konzernabschlussprüfers für die Konzernabschlussprüfung betonen. Eine Verwertung der von Abschlussprüfern der TU durchgeführten Abschlussprüfung ist zulässig. Der Konzernabschlussprüfer hat in diesen Fällen die Arbeiten von Abschlussprüfern einbezogener TU zu überprüfen und dies zu dokumentieren.
Rz. 5
Der frühere Abs. 3a enthielt die "Öffnungsklausel" zur EU-Verordnung für Abschlussprüfer von Public Interest Entities (PIE). Im Zuge des FISG wurden diese Regelungen in den neu geschaffenen § 316a HGB verschoben (§ 316a Rz 9). Da auch die weiteren Änderungen des § 317 HGB durch das FISG rein klarstellender Natur sind, hat der Gesetzgeber keine Übergangsregelung für die Änderungen durch das FISG in Art. 86 EGHGB vorgesehen.
Rz. 6
Abs. 3a (vor dem FISG Abs. 3b) betrifft die Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie im Hinblick auf ein einheitliches elektronisches Format für Jahresfinanzberichte (ESEF-UmsG). Betroffen von der Vorschrift sind ausschl. Inlandsemittenten (§ 2 Abs. 14 WpHG). Die Vorschrift wurde mit Wirkung vom 19.8.2020 eingefügt und war erstmals für das nach dem 31.12.2019 beginnende Gj anzuwenden (Art. 84 EGHGB).
Rz. 7
Durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/2101 im Hinblick auf die Offenlegung von Ertragsteuerinformationen durch bestimmte Unternehmen und Zweigniederlassungen wurde mit Wirkung zum 22.6.2023 § 317 HGB um einen Absatz 3b ergänzt. Gem. Art 90 EGHGB ist die Erstellung eines Ertragsteuerinformationsberichts erstmals für nach dem 21.6.2024 beginnende Gj aufzustellen. Absatz 3b ist gem. Satz 3 der Vorschrift erstmals auf das danach folgende Gj anzuwenden, d. h. bei kalendergleichem Gj erstmals für das Gj 2026.
Rz. 8
Die Prüfung des Risikofrüherkennungssystems bei börsennotierten AG ist in Abs. 4 geregelt.
Rz. 9
Abs. 4a hat nur klarstellenden Charakter. Der Abschlussprüfer stellt i. R. d. Abschlussprüfung keine (eigenständige) Prüfung der Fortführungsannahme des Unt oder Beurteilungen hinsichtlich der Wirksamkeit oder Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung an.
Rz. 10
Abs. 5 regelt die direkte Anwendbarkeit derjenigen International Standards of Auditing (ISA), die von der EU angenommen worden sind. Die Regelung ist im Zuge der Umsetzung der 8. EU-RL geschaffen worden. Da bislang keine ISA von der EU angenommen worden sind, hat die Regelung derzeit noch keine materielle Bedeutung (Rz 146).
Rz. 11
Abs. 6 steht im Zusammenhang mit der direkten Anwendung der ISA. Die Vorschrift ermächtigt das BMJV, im Einvernehmen mit dem BMWi eine Rechtsverordnung zu erlassen, in der neben den ISA zusätzliche Anforderungen an die Abschlussprüfung (z. B. zur Berücksichtigung deutscher Besonderheiten, die in den ISA nicht oder nicht ausreichend geregelt sind) gestellt werden können. Durch das AReG ist die bislang grds. bestehende Möglichkeit der Nichtanwendung von Teilen der von der EU übernommenen ISA nunmehr gestrichen worden. Auch diese Vorschrift ist mangels Vorliegen einer derartigen Rechtsverordnung bislang noch ohne praktische Relevanz.