Rz. 16
§ 315e Abs. 1 HGB bestimmt den Umfang der anzuwendenden Vorschriften auf den internationalen Konzernabschluss eines MU, das einen organisierten Markt in Anspruch nimmt. Neben den internationalen Rechnungslegungsvorschriften sind auf diesen Konzernabschluss ergänzend auch nationale Vorschriften anzuwenden. Die Angaben nach Abs. 1 müssen mit dem HGB und den IFRS zweierlei Maßstäben gerecht werden. Für das HGB muss beachtet werden, dass die Rechnungslegung auf die Erfüllung der durch Abs. 1 bezweckten Angaben ausgerichtet ist. Zur Erfüllung der IFRS ist zu fordern, dass die nach Abs. 1 insoweit zu erfolgenden freiwilligen Angaben der Systematik und der Verständlichkeit des Abschlusses gerecht werden und zur Steigerung der Entscheidungsnützlichkeit des Abschlusses beitragen. Dies beinhaltet nach der hier vertretenen Auffassung grds. auch die Angabe von Vorjahresangaben.
Hintergrund für den erweiterten Umfang der Konzernrechnungslegung bei Kapitalmarktorientierung ist, dass bestimmte Bereiche der Konzernrechnungslegung nicht von der IFRS-VO abgedeckt sind, die nach Auffassung des Rates und der Kommission auch für einen Konzernabschluss nach IFRS von grundlegender Bedeutung sind.
Die Positionierung der Angaben nach Abs. 1 im Konzernabschluss ist nicht gesetzlich geregelt. Üblicherweise werden die Angaben im IFRS-Anhang gemacht und nicht in einem eigenständigen Abschnitt außerhalb des IFRS-Anhangs. Hierbei stellt sich aber die Frage der sachlogischen Positionierung, wobei einmal eine Präsentation der Angaben innerhalb eines eigenständigen zusammenhängenden Abschnittes in Betracht kommt. Daneben ist auch die inhaltliche Zuordnung zu den Erläuterungen der einzelnen Bilanz-/GuV-Posten möglich.
Rz. 17
Folgende nationale Vorschriften sind dabei von Bedeutung für einen Konzernabschluss nach IFRS und ergänzend anzuwenden, wobei zahlenmäßige Angaben – soweit erforderlich und möglich – auf Basis der IFRS zu erfolgen haben:
- Vorlage- und Auskunftspflichten der TU gegenüber dem MU nach § 294 Abs. 3 HGB;
- Firma, Sitz, Registergericht und Nummer unter der das MU in das Handelsregister eingetragen ist nach § 297 Abs. 1a HGB;
- Angabe, falls sich das MU in Liquidation oder Abwicklung befindet (§ 297 Abs. 1a HGB);
- Erklärung der Unternehmensleitung nach § 297 Abs. 2 Satz 4 HGB;
- Pflicht zur Erstellung des Konzernabschlusses in deutscher Sprache und in EUR sowie Unterzeichnungspflicht nach § 298 Abs. 1 i. V. m. §§ 244, 245 HGB;
- Anteilsbesitz des Konzerns nach § 313 Abs. 2 bis 3 HGB, sofern nicht die Schutzklausel des § 313 Abs. 3 HGB Anwendung findet;
- bestimmte Anhangangaben im Konzernabschluss nach § 314 Abs. 1 Nr. 4, 6, 8 und 9 und Abs. 3 HGB;
- Konzernlagebericht (Neunter Titel) i. V. m. DRS 20;
- Vorschriften außerhalb des 2. Unterabschnitts, die den Konzernabschluss oder den Konzernlagebericht betreffen (insb. Prüfung).
Die gleichzeitige Anwendung nationaler Vorschriften und internationaler Standards führt zu inhaltlichen Redundanzen zwischen den Angaben im Konzernlagebericht und im IFRS-Anhang.
Rz. 18
Der Umfang der anzuwendenden internationalen Rechnungslegungsstandards ist gem. § 315e Abs. 1 HGB davon abhängig, ob diese nach den Art. 2, 3 und 6 der IAS-VO übernommen wurden. Der Abschluss muss auf Standards beruhen, die durch einen Rechtsetzungsakt auf EU-Ebene legitimiert sind, da die Verlautbarungen des privatrechtlich organisierten IASB als Standardsetter für die internationale Rechnungslegung keine unmittelbare Rechtswirkung entfalten. IFRS bzw. IAS, die erst nach dem Bilanzstichtag, aber vor Unterzeichnung des Konzernabschlusses durch die EU "endorsed" werden, dürfen (Wahlrecht) berücksichtigt werden, wenn eine frühzeitige Anwendung in der Verordnung und in dem entsprechenden IFRS bzw. IAS gestattet ist.
Diese Transformation der IFRS in EU-Recht wird in Art. 2, 3 und 6 der Verordnung geregelt. Dies geschieht durch ein sog. Komitologieverfahren. Mit der Änderung der IAS-VO durch die VO 297/2008/EG vom 11.3.2008 wurde ein neues Verfahren zur Übernahme der IFRS implementiert, um eine stärkere Einbindung des Europäischen Parlaments sicheustellen.