Cornelia Linde, Andreas Dörschell
2.3.1 Wirtschaftliches Eigentum
Rz. 16
Nach § 246 Abs. 1 Satz 2 HGB sind VG in der Bilanz des Eigentümers aufzunehmen. Nur wenn ein VG nicht dem zivilrechtlichen Eigentümer, sondern einem anderen zuzurechnen ist, hat ihn der andere – der wirtschaftliche Eigentümer – in seiner Bilanz aufzunehmen. Der Grundsatz der wirtschaftlichen Zurechnung ist immer dann von Bedeutung, wenn rechtliches und wirtschaftliches Eigentum auseinanderfallen. Inhaltlich entspricht § 246 Abs. 1 Satz 2 HGB der Regelung des § 39 AO.
Rz. 17
Nach § 39 AO ist wirtschaftlicher Eigentümer grds. derjenige, der – ohne das rechtliche Eigentum haben zu müssen – die tatsächliche Sachherrschaft über einen VG in einer Weise ausübt, dass dadurch der nach bürgerlichem Recht Berechtigte wirtschaftlich auf Dauer von der Einwirkung ausgeschlossen ist. Die tatsächliche Sachherrschaft über einen VG hat i. d. R. derjenige, bei dem Besitz, Gefahr, Nutzen und Lasten des betreffenden VG liegen. Diese Elemente müssen jedoch nicht kumulativ gegeben sein und sind nicht als gleichrangig zu verstehen; ihre wirtschaftliche Bedeutung ist von der Art des jeweiligen Gegenstands abhängig. Das wirtschaftliche Eigentum umfasst hiernach regelmäßig das Verwertungsrecht durch Nutzung oder Veräußerung des Gegenstands, die Chancen und Risiken aus der laufenden Nutzung und die Chance der Wertsteigerung sowie das Risiko der Wertminderung bzw. des Verlusts einschl. des Risikos des zufälligen Untergangs. Der Ausschluss des zivilrechtlichen Eigentümers von der Sachherrschaft muss für die gewöhnliche Nutzungsdauer des betreffenden VG gegeben sein. Maßgebend für den Zeitpunkt der Erlangung des wirtschaftlichen Eigentums ist der vereinbarte Übergang der Chancen und Risiken.
Ein Unternehmer (U) hat am 23.12.01 bei der X-GmbH Ware erworben. Die Lieferung erfolgte unter Eigentumsvorbehalt (§ 449 BGB) am 30.12.01. Am gleichen Tag erhielt U eine Rechnung, die er am 12.1.02 beglichen hat. Wem ist die Ware am 31.12.01 bilanziell zuzurechnen?
Beim Eigentumsvorbehalt besitzt U zwar nicht das zivilrechtliche Eigentum an der Ware, er kann aber i. R. d. normalen Geschäftsbetriebs frei über sie verfügen. U besitzt die tatsächliche Sachherrschaft über die Ware und trägt das Risiko ihres Untergangs. Er ist als wirtschaftlicher Eigentümer der Ware zu betrachten und muss sie in seine Bilanz aufnehmen.
Rz. 18
Im Einzelfall richtet sich die Frage nach dem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums nach dem Gesamtbild der Verhältnisse. Danach kann wirtschaftliches Eigentum u. U. auch dann anzunehmen sein, wenn einzelne seiner Merkmale nicht in vollem Umfang vorliegen. Es ist einzelfallbezogen nicht zwingend ausgeschlossen, dass sowohl der rechtliche als auch der wirtschaftliche Eigentümer einen VG bilanzieren. Bei Zweifelsfragen zum Übergang des wirtschaftlichen Eigentums könnten sich beim Fehlen detaillierter und eigenständiger HGB-Rechnungslegungsnormen ergänzend die Auslegungshinweise in den IFRS anbieten. Der Auslegung des HGB durch die IFRS sind jedoch enge Grenzen gesetzt (§ 243 Rz 6).
2.3.2 Treuhandverhältnisse
Rz. 19
Der Begriff der Treuhand ist gesetzlich nicht geregelt. Ein Treuhandverhältnis liegt vor, wenn aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung oder Kraft Gesetz die Befugnisse an einem VG vom Treugeber an den Treunehmer (Treuhänder) übertragen wird. Es handelt sich mithin um die anvertraute Verfügung über Sachen und Rechten, die im Interesse einer anderen Person ausgeübt werden soll. Neben der Übertragung des rechtlichen Eigentums vereinbaren die Parteien hierbei, dass der Treuhänder über den VG (Treugut) zwar im eigenen Namen, aber nur für Rechnung des Treugebers verfügen darf. Bei einem Treuhandverhältnis verwaltet der Treuhänder das Treugut im Interesse und für Rechnung des Treugebers. Der Treuhänder erhält für seine Tätigkeit i. d. R. lediglich eine Vergütung.
Bei einer rechtsgeschäftlichen Treuhand fallen das rechtliche und wirtschaftliche Eigentum i. d. R. auseinander. Die bilanzielle Behandlung des Treuguts richtet sich nach dem wirtschaftlichen Eigentum (§ 246 Abs. 1 Satz 2 HGB). Eine Ausnahme stellt die ausdrückliche Regelung für Institute (Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute) sowie Zweigstellen i. S. d. § 1 RechKredV in § 6 RechKredV dar, wonach das Treugut immer in der Bilanz eines Instituts, allerdings unter gesonderter Bezeichnung bzw. unter der Bilanz einer Kapitalanlagegesellschaft auszuweisen ist.
Grds. wird das Treugut in der Bilanz des Treugebers (i. d. R. rechtlicher Eigentümer) aktiviert. Das gilt auch dann, wenn der Treuhänder das Treugut zu treuen Händen für den Treugeber selbst hergestellt oder erworben hat. Im We...