Cornelia Linde, Andreas Dörschell
2.5.1 Überblick
Rz. 89
Durch § 246 Abs. 1 Satz 4 HGB wird der entgeltlich erworbene Geschäfts- oder Firmenwert (GoF) im Wege einer Fiktion zum zeitlich begrenzt nutzbaren VG erhoben. Die Gesetzesformulierung in § 246 Abs. 1 Satz 4 HGB, nach der der GoF als VG gilt, bringt zum Ausdruck, dass der GoF nach der Systematik des Gesetzes zwar kein VG ist, aber durch seine Behandlung als VG zwingend zu aktivieren ist.
Rz. 90
Flankiert wird die Regelung durch die Pflicht, den GoF nach § 253 Abs. 3 Satz 1 HGB planmäßig über seine betriebliche Nutzungsdauer abzuschreiben. Bei einer voraussichtlich dauernden Wertminderung sind gem. § 253 Abs. 3 Satz 3 HGB außerplanmäßige Abschreibungen auf den niedrigeren beizulegenden Wert vorzunehmen. Ein niedrigerer Wertansatz eines GoF ist gem. § 253 Abs. 5 Satz 2 HGB beizubehalten (§ 253 Rz 338). Die Annahme einer betrieblichen Nutzungsdauer von mehr als fünf Jahren ist nach § 285 Nr. 13 HGB im Anhang zu begründen.
Rz. 91
Der Zweck der verpflichtenden Aktivierung des entgeltlich erworbenen GoF ist eine Verbesserung der Vergleichbarkeit des handelsrechtlichen Jahresabschlusses. Darüber hinaus wird angestrebt, die Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage stärker als bislang an die tatsächlichen Verhältnisse bzw. den tatsächlichen Werteverzehr anzunähern.
Unabhängig davon wird in diesem Punkt eine Annäherung an die steuerrechtliche Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 3 EStG erreicht, wonach der GoF zu aktivieren und über einen Zeitraum von 15 Jahren abzuschreiben ist, gleichwohl ohne eine Identität zwischen handels- und steuerrechtlichen Regelungen herzustellen, da die Nutzungsdauer nach wie vor unterschiedlich angesetzt werden kann oder muss (§ 253 Rz 208).
2.5.2 Ansatz des Geschäfts- oder Firmenwerts
Rz. 92
Der Geschäfts- oder Firmenwert (GoF) besteht gem. § 246 Abs. 1 Satz 4 HGB aus dem Unterschiedsbetrag, um den die für die Übernahme eines Unt bewirkte Gegenleistung den Wert der einzelnen VG abzgl. der Schulden des Unt im Zeitpunkt der Übernahme übersteigt. Die Grundlage für die Ermittlung des GoF bildet somit ein Unternehmenserwerb. Der Ansatz eines originären, d. h. selbst geschaffenen Firmenwerts, bleibt dagegen analog § 248 Abs. 2 HGB weiterhin ausgeschlossen.
Rz. 93
§ 246 Abs. 1 Satz 4 HGB spricht von der Übernahme eines Unt, ohne diesen Begriff gesetzlich zu definieren. Als Unt i. S. d. Vorschrift sind neben EinzelUnt, PersG oder KapG auch einzelne Betriebe oder Teilbetriebe zu verstehen, wenn sie im Zeitpunkt der Übernahme die Fähigkeit besitzen, als selbstständige Einheit am Wirtschaftsverkehr teilzunehmen, auch wenn ihnen die rechtliche Selbstständigkeit fehlt. Entscheidend ist lediglich, dass der einzelne Teil auch für sich allein als Unt geführt werden und selbstständig am Wirtschaftsleben teilnehmen könnte.
Rz. 94
Die Übernahme eines Unt kann durch den Erwerb einer Beteiligung, dem sog. share deal, oder i. R. e. asset deals durch den Einzelerwerb von VG und Schulden erfolgen. Bei einem share deal kann in der Bilanz des Erwerbers kein derivativer GoF entstehen, da die Beteiligung als solche als Finanzanlage aktiviert wird und ein etwaiger GoF folglich als Bestandteil des Beteiligungsbuchwerts ausgewiesen wird. Ein GoF kann somit i. d. R. nur aus einem asset deal resultieren; da hier einzelne VG erworben werden ergibt sich regelmäßig ein GoF. Ein GoF kann auch bei einem Erwerb von Anteilen an einer PersG anzusetzen sein, wenn nicht sämtliche Anteile übernommen werden (sog. Eintritt) oder bei einem Austritt, wenn die ausscheidenden Gesellschafter Abfindungen von der PersG erhalten. Im letzteren Fall liegt bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Teil-Liquidation der Personengesellschaft vor, die in Bezug auf ihre bilanziellen Auswirkungen einem Anschaffungsvorgang gleichkommt. Die hierbei angesetzten immateriellen VG des AV sind insoweit entgeltlich erworben. Bei Veräußerung von Anteilen an PersG durch Gesellschafter (Sonderrechtsnachfolge) sind derartige Aktivierungen allerdings nicht zulässig.
A, B und C sind Kommanditisten der X GmbH & Co. KG mit je 20 TEUR Kommanditkapital; die GmbH ist Komplementärin ohne Einlage. A scheidet aus der Ges. aus. Nach den gesellschaftsvertraglichen Regelungen hat A neben der Auszahlung des Guthabens auf sein Kapitalkonto auch Anspruch auf die Abgeltung von stillen Reserven in der Bilanz (hier: stille Reserven in angearbeiteten Aufträgen i. H. v. 35 TEUR) und darüber hinaus eines bestimmten Anteils an dem Firmenwert.
Ergebnis: Nach der gem. IDW RS HFA 7.59 n. F. alternativ zulässigen Methode können die aufgedeckten stillen Reserven von der von B und C fortgeführten Ges. als entgeltlich erworben aktiviert werden. Das Auseinandersetzungsguthaben errechnet sich i. H. v. 100 TEUR, das wie im folgenden Buchungssatz gebucht wird.
Konto |
Soll |
Haben |
Kommanditkapital A |
20 |
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Unfertige Erzeugnisse |
35 |
|
GoF |
45 |
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Verb... |