Dr. Markus Leinen, Dipl.-Kfm. Benjamin Paulus
1 Überblick
Rz. 1
§ 259 HGB konkretisiert die Art und Weise sowie den Umfang der Einsichtnahme in Handelsbücher bei Rechtsstreitigkeiten. Der Anwendungsbereich des § 259 HGB bezieht eine Vorlagepflicht nach § 258 HGB ein, ist aber nicht darauf beschränkt. Die Konkretisierung betrifft vielmehr alle Vorlegungen von Handelsbüchern in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten (§ 258 Rz 2) zur Würdigung von Tatsachenbehauptungen mittels Urkundenbeweis. § 259 HGB ist nur einschlägig für gegenüber einem Gericht bestehende Vorlagepflichten. Auf die Rechte zur Einsichtnahme in Handelsbücher durch Gesellschafter oder aufgrund gesondert getroffener Vereinbarungen ist § 259 HGB nicht anzuwenden. Zum Begriff der Handelsbücher s. § 257 Rz 10.
Rz. 2
§ 259 HGB differenziert dazu zwischen der parteiöffentlichen Einsichtnahme streitpunktbezogener Inhalte der Handelsbücher (Rz 3 ff.) und der über die streitpunktbezogenen Inhalte der Handelsbücher hinausgehende Einsichtnahme des Gerichts zur Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung (Rz 6). Die Vorschrift zielt auf die Einsichtnahme in die Handelsbücher unter Wahrung der Geheimhaltungsinteressen des vorlagepflichtigen Kaufmanns. Eine Ausforschung des Kaufmanns über den zur Tatsachenwürdigung notwendigen Umfang hinaus soll vermieden werden.
2 Streitpunktbezogene Einsichtnahme
Rz. 3
Das Gericht nimmt Einsicht in den streitpunktbezogenen Teil der Handelsbücher und zieht zu dieser Einsichtnahme die Streitparteien hinzu (§ 259 Satz 1 HGB). Im Vorfeld hat das Gericht die Streitparteien zu benachrichtigen (§§ 214, 176 ZPO) bzw. den Termin zur Einsichtnahme zu verkünden (§ 218 ZPO) und auf die streitpunktrelevanten Inhalte der Handelsbücher hinzuweisen. Eine Nichtteilnahme einer Streitpartei trotz ordnungsgemäßer Benachrichtigung hindert die Einsichtnahme nicht. Über die erhobenen Beweise verhandeln die Prozessbeteiligten (§ 285 ZPO). Der Einsichtnahme kann das Gericht auch einen Sachverständigen hinzuziehen (§ 144 ZPO).
Rz. 4
Die parteiöffentliche Einsichtnahme in die Handelsbücher des streitbeteiligten Kaufmanns durch das Gericht beschränkt sich auf diejenigen Eintragungen in den Büchern, die der Würdigung von Tatbestandsbehauptungen und auf sie bezogene Einwendungen der Prozessparteien dienlich sind. Legt ein Kaufmann zur Beweisführung seine Handelsbücher vor, hat er die streitpunktrelevanten Inhalte der Handelsbücher anzuführen. Einem Streitgegner einer vorlagepflichtigen Streitpartei ist ein solcher Hinweis aufgrund der Informationsnachteile regelmäßig nicht möglich. Er hat den vermutlich gebuchten Sachverhalt zu benennen und weitere Hinweise zur Buchung und ihrer Lokalisierung in den Handelsbüchern anzubringen. Die Konkretisierung der streitpunktbezogenen Inhalte der Handelsbücher obliegt dann zunächst dem vorlegungspflichtigen Kaufmann. Erst wenn er dieser Präzisierung nicht nachkommt, sichtet das Gericht die Handelsbücher und benennt die streitpunktbezogenen Inhalte.
Rz. 5
Sind die streitpunktbezogenen Inhalte der Handelsbücher als Beweis für die Bestätigung der Tatsachenbehauptungen oder der darauf bezogenen Einwendungen relevant, erstellt das Gericht einen Abzug dieser Inhalte und fügt sie den Gerichtsakten hinzu.
3 Erweiterte Offenlegung
Rz. 6
Das Gericht würdigt die streitpunktbezogenen Inhalte der Handelsbücher für seine Einschätzung der ergangenen Tatsachenbehauptungen und Einwände frei (freie Beweiswürdigung i. S. d. § 286 ZPO). Zur Beurteilung ihres Beweiswerts kann das Gericht nach § 259 Satz 2 HGB die Ordnungsmäßigkeit der Handelsbücher eines vorlagepflichtigen Kaufmanns prüfen. Dazu kann es die Handelsbücher über die streitpunktbezogenen Eintragungen hinaus einsehen. Ob und in welchem Umfang das Geric...