Daniel Münster, Annette Meier-Behringer
Rz. 42
Gegenstand der unrichtigen Wiedergabe oder des Verschleierns sind die Verhältnisse einer KapG. Der Begriff der Verhältnisse umfasst alle tatsächlichen Umstände, Vorgänge, Daten und Schlussfolgerungen jeder Art, die für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation und wegen der Einbeziehung des Lageberichts auch der voraussichtlichen Entwicklung des Unt von Bedeutung sein können. Hierzu zählen auch die Beziehungen zu verbundenen Unt.
Rz. 43
Der Begriff der Verhältnisse der Ges. ist – anders als bei § 265b StGB (Kreditbetrug) – nicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse begrenzt, sondern erfasst auch soziale, politische und sonstige Umstände.
Insb. durch die Einbeziehung der nichtfinanziellen Erklärung und des nichtfinanziellen Berichts zählen nichtfinanzielle Belange wie Umweltschutz, Menschenrechte und Bekämpfung der Korruption zu den Verhältnissen der KapG.
Zu den sozialen, politischen und sonstigen Umstände zählen etwa die Aufgliederung der Arbeitnehmer nach Gruppen gem. § 285 Satz 1 Nr. 7 HGB oder die Angabe der Namen der Mitglieder des Geschäftsführungsorgans und eines Aufsichtsrats gem. § 285 Satz 1 Nr. 10 HGB.
Rz. 44
Die Weite des Begriffs "Verhältnisse" ist im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich nicht unbedenklich. Diesen Bedenken ist nach richtiger Auffassung dadurch Rechnung zu tragen, dass der Begriff unter Berücksichtigung der Strafwürdigkeit und Strafbedürftigkeit restriktiv ausgelegt wird. Wenn der Schutzbereich der Norm neben dem Schutz der Ges. auch dem Schutz derer dient, die in wirtschaftlicher und rechtlicher Beziehung zu der Ges. stehen oder in eine solche treten wollen, dann dürfen die Verhältnisse im Sinne dieser Norm auch nur solche sein, die einen wirtschaftlichen Bezug haben und daher für die Beurteilung der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft relevant sind.
Rz. 45
Eine weitere Restriktion erfährt der Straftatbestand des § 331 Abs. 1 Nr. 1 HGB durch das – dem Gesetzeswortlaut allerdings nicht zu entnehmende – Erfordernis der Erheblichkeit. Da die Verletzung bestimmter Rechnungslegungsvorschriften nach den Regelungen in § 334 Abs. 1 Nr. 1a–d HGB lediglich als Ordnungswidrigkeiten geahndet werden, ist eine Abgrenzung zu dem Straftatbestand des § 331 Abs. 1 Nr. 1 HGB erforderlich. Diese Abgrenzung ist nach h. M. in der Erheblichkeit des Verstoßes gegen Rechnungslegungsvorschriften zu finden. Erst wenn die Verletzung von Rechnungslegungsvorschriften so erheblich ist, dass sie zu einer Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Darstellung als solcher führt, ist die Grenze der Strafbarkeit erreicht.