Rz. 72
Bei der Berichterstattung über falsche Darstellungen gegen Vorschriften zur Rechnungslegung sind neben den gesetzlichen Vorschriften auch die (kodifizierten oder nicht kodifizierten) GoB zu beachten. Zu den GoB rechnen gem. der Fiktion des § 342q Abs. 2 HGB die vom DRSC verabschiedeten und vom BMJV bekannt gemachten DRS. Weiterhin können auch rechnungslegungsbezogene Vorschriften des Gesellschaftsvertrags bzw. der Satzung zu beachten sein. Beispiele für solche Regelungen sind:
- verkürzte Frist zur Aufstellung des Jahresabschlusses und Lageberichts,
- Regelungen bei Personengesellschaften zur Verzinsung von Gesellschafterkonten oder zur Berechnung der Haftungsvergütung der Komplementärin,
- Satzungsregelungen bei KGaA zur Berechnung von Vergütungen (Tätigkeitsvergütungen, Gewinnanteil, Tantieme) des phG,
- gesellschaftsrechtliche Regelungen bei Personengesellschaften über die Dotierung von Rücklagen bei Aufstellung des Jahresabschlusses.
Rz. 73
Das Gebot der Wesentlichkeit erfordert, nicht sämtliche festgestellten falschen Darstellungen, sondern nur die für die Überwachungstätigkeit der Geschäftsführung bzw. der geprüften Ges. bedeutsamen im Prüfungsbericht aufzuführen. Im Verlaufe der Abschlussprüfung behobene Fehler im Jahresabschluss sind entsprechend grds. nicht berichtspflichtig.
Der Abschlussprüfer stellt bei seiner Prüfung fest, dass Aufwendungen für Personaleinstellungen i. H. v. 100 EUR unter den Löhnen und Gehältern, die sich insgesamt auf 1.500 TEUR belaufen, ausgewiesen werden. Es handelt sich um eine Unrichtigkeit, da ein Ausweis unter Sonstige betriebliche Aufwendungen geboten ist.
Der Fehler liegt unterhalb der Wesentlichkeits- und Nichtaufgriffsgrenze des Abschlussprüfers, sodass für das Prüfungsergebnis keine Konsequenzen zu ziehen waren. Die Unrichtigkeit ist für die Überwachung der Geschäftsführung von keiner bzw. sehr geringer Relevanz, sodass im Prüfungsbericht unter Unregelmäßigkeiten in der Rechnungslegung keine Ausführungen erforderlich sind.
Rz. 74
Die Wesentlichkeit bestimmt sich in derartigen Fällen nicht allein an den betragsmäßigen Auswirkungen einer Unrichtigkeit, wie nachfolgendes Beispiel illustriert:
Im Zuge der Prüfung des internen Kontrollsystems im Bereich Personal stellt der Abschlussprüfer bei Auswertung seiner Stichproben fest, dass der Allein-Geschäftsführer mehrfach gegen die Reisekostenrichtlinien der prüfungspflichtigen GmbH verstoßen und überhöhte Spesenabrechnungen von insgesamt 2.000 EUR vorgenommen hat. Auf Befragen erklärt der Geschäftsführer, dass ihm diese Fehler bislang nicht bekannt waren und er sich die Sachverhalte nur als Versehen erklären kann.
Der eigentlich zu bilanzierende Rückforderungsanspruch gegen den Geschäftsführer liegt unter der Wesentlichkeitsgrenze des Abschlussprüfers, sodass keine Konsequenzen für das Prüfungsergebnis (Bestätigungsvermerk) zu ziehen sind. Infrage kann aber trotz der betragsmäßig geringen Höhe eine Berichterstattung als Unregelmäßigkeit kommen. Dies ist vom Abschlussprüfer eigenverantwortlich unter Berücksichtigung des Empfängerkreises des Prüfungsberichts (existiert ein Aufsichtsrat, ist der Geschäftsführer gleichzeitig Alleingesellschafter?) zu entscheiden.
Rz. 75
Grds. sind nur solche falschen Darstellungen berichtspflichtig, die bis zum Prüfungsende nicht behoben sind. Soweit aber falsche Darstellungen im Prüfungsverlauf behoben wurden, kann der Abschlussprüfer eigenverantwortlich gleichwohl darüber berichten, wenn dies nach seinem Ermessen für die Überwachungsfunktion des Aufsichtsrats wesentlich erscheint. Dies betrifft insb. solche falschen Darstellungen, die auf Schwächen im internen Kontrollsystem der Ges. hindeuten.
Rz. 76
Eine Berichtspflicht kann sich auch dadurch ergeben, dass trotz Auskunftsbereitschaft des Unt vom Abschlussprüfer nicht festgestellt werden kann, ob eine Täuschung, Vermögensschädigung oder ein Gesetzesverstoß vorliegt.