Rz. 58
Auch in begründeten Ausnahmefällen darf gem. § 308 Abs. 2 Satz 4 HGB von einer einheitlichen Bewertung abgewichen werden. Eine nähere Spezifizierung der Anwendungsfälle und der damit verbundenen Voraussetzungen liefert der Gesetzgeber nicht. Die Regelung folgt dem Ziel der Praktikabilität der Konsolidierung. Vor dem Hintergrund eines drohenden Informationsverlustes bei abweichender Bewertung und nur unzulänglicher Kompensation durch Angabe respektive Begründung im Konzernanhang ist § 308 Abs. 2 Satz 4 HGB grds. restriktiv auszulegen.
Rz. 59
In den folgenden Fällen sind Ausnahmen von der Bewertungsanpassung und der damit einhergehenden Neubewertung denkbar:
- Die Neubewertung ist unmöglich (wenngleich in der Praxis kaum von Relevanz). Die Informationsbereitstellung zur Bestimmung der Werte der VG und Schulden wird von einem TU verweigert (§ 294 Rz 28 ff.) oder aber Einzelwerte sind nicht mehr verfügbar, da die Bewertung unter Rückgriff auf Bewertungsvereinfachungsverfahren gem. § 256 HGB erfolgt ist.
- Die Neubewertung ist wirtschaftlich unzumutbar oder führt zu einer unangemessenen Verzögerung. Als Beispiel kann hier die erstmalige Einbeziehung eines kurz vor dem Stichtag neu erworbenen TU genannt werden, welches das Rechnungswesen noch nicht entsprechend der neu geltenden Konzernstandards umgestellt hat. Eine Bewertungsanpassung an konzerneinheitliche Regelungen würde hier zu einer unangemessenen Verzögerung führen. Alternativ zu einem Nichteinbezug des neu erworbenen TU gem. § 296 Abs. 1 Nr. 2 HGB (§ 296 Rz 29 ff.) kann in diesem Fall auf eine Neubewertung verzichtet und somit die bisherige Bewertung mit Blick auf eine bessere Informationsvermittlung beibehalten werden. Der Verzicht auf die Bewertungsanpassung ist allerdings als strenge Ausnahme zu sehen und kann damit nicht auf Dauer begründet werden.
Rz. 60
Wird ein TU liquidiert, greift § 308 Abs. 2 Satz 4 HGB nicht, da vorrangige Normen dieses verhindern. Eine einheitliche Bewertung scheitert bereits daran, dass dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Bewertung durch die tw. notwendigen Liquidationswerte aufgrund unterschiedlicher Sachverhalte widersprochen wird (Rz 17). Zudem steht der einheitlichen Bewertung auch die Going-Concern-Prämisse nach § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB – und den damit einhergehenden Fortführungswerten – entgegen.
Sofern landesrechtliche Vorschriften mit den konzerneinheitlichen Bewertungsmethoden nicht vereinbar sind, stellt dieses allein allerdings keinen hinreichenden Grund für eine Inanspruchnahme der Ausnahme bei Abweichungen gem. § 308 Abs. 2 Satz 4 HGB dar. Durch die Handelsbilanz II soll es eben genau zu diesem Widerspruch nicht kommen, da eine konzerneinheitliche Bewertung nach dem Recht des MU vorzunehmen ist, was dann ggf. auch mit Unterstützung oder sogar direkt im Land des MU – also Deutschland – passieren kann.
Rz. 61
Wird die befreiende Ausnahmeregelung des § 308 Abs. 2 Satz 4 HGB in Anspruch genommen, resultiert hieraus – anders als für § 308 Abs. 2 Satz 2 und 3 HGB – eine Angabe- und Begründungspflicht im Konzernanhang. Pauschale respektive zusammenfassende Angaben und Begründungen sind nicht ausreichend. Die Gründe für die Abweichung von der (konzern)einheitlichen Bewertung müssen klar ersichtlich sein. Ggf. ist sogar jeder Posten, der nicht neu bewertet wird, aufzuführen und mit einer Begründung zu versehen.
Eine Quantifizierung der Bewertungsabweichungen muss im Konzernanhang nicht erfolgen und ergibt sich auch nicht aus § 313 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 HGB. Nach Letzterem muss aber zumindest der Einfluss der Abweichung bei den Bewertungsmethoden auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage gesondert dargestellt werden (§ 313 Rz 53 ff.).