Prof. Dr. Andreas Stute, Michael Dilßner
3.2.4.1 Konzernabschluss nach § 290 HGB
Rz. 41
Nach dem Gesetzestext in § 271 Abs. 2 Halbsatz 1 HGB a. F. ist es erforderlich, dass das oberste MU verpflichtet ist, einen Konzernabschluss aufzustellen. Diese Pflicht zur Aufstellung basiert auf den §§ 290–315e HGB. Es ist wiederum nicht erforderlich, dass der Konzernabschluss auch tatsächlich aufgestellt wird. Somit sind von der Vorschrift bis 31.12.2023 keine Konzerne erfasst, bei denen das oberste MU keine KapG (sondern bspw. eine PersG) ist oder bei denen das oberste MU seinen Sitz im Ausland hat. Im Anwendungsbereich des § 271 Abs. 2 HGB könnte sich eine Struktur unter Fortgeltung des Begriffs "verbundene Unt" nur dann ergeben, wenn ein mehrstufiger Konzern vorliegt, an dessen Spitze zwar eine inländische Nicht-KapG steht, bei dem die zweite Konzernstufe jedoch von einer inländischen KapG besetzt wird, die entsprechend § 290 HGB zur Aufstellung eines Teilkonzerns verpflichtet ist. Die Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses nach PublG ist i. R. d. § 271 Abs. 2 HGB nicht ausreichend. Insoweit kommt es hier zu einer Einschränkung in der Weise, dass selbst bei Erfüllung des Control-Konzepts nicht zwangsläufig bereits von einem verbundenen Unt i. S. d. § 271 Abs. 2 HGB ausgegangen werden darf.
3.2.4.2 Befreiender Konzernabschluss nach §§ 291f. HGB
Rz. 42
Bei bestimmten Konstellationen kommen die Existenz und Begriffsverwendung des "verbundenen Unt" auch dann in Betracht, wenn keine Einbeziehungspflicht in einen gemeinsamen Konzernabschluss besteht. Auf diesen Fall stellt § 271 Abs. 2 Halbsatz 2 HGB a. F. ab. Hierbei handelt es sich um eine größenunabhängige Freistellung von der Konzernrechnungslegungspflicht. Ein auf höherer Konzernebene (= Ebene des obersten MU) in Einklang mit dem EU-Recht aufgestellter Konzernabschluss (auch die Möglichkeit zur Aufstellung eines solchen Konzernabschlusses wäre ausreichend) kann unter bestimmten Bedingungen als befreiender Konzernabschluss angesehen werden. Für nachgelagerte MU, die zugleich TU sind, entfällt dadurch die Pflicht zur Aufstellung eines eigenen Teilkonzernabschlusses. Durch die Formulierung im Gesetzestext sind auch solche Konstellationen erfasst, bei denen die Befreiungswirkung eintreten würde, wenn ein befreiender Konzernabschluss aufgestellt worden wäre, weil die Möglichkeit dazu grds. bestand. Die in diesem Zusammenhang angesprochenen Strukturen müssen damit in jedem Fall eine dreistufige Hierarchie aufweisen. Die §§ 291f. HGB und somit auch die Bestimmung des § 271 Abs. 2 Halbsatz 2 HGB a. F. greifen nur Sachverhalte auf, bei denen unterhalb der Konzernspitze (im Inland oder Ausland ansässig) zumindest eine inländische KapG existiert. Konzerne, die keine inländische KapG als (nachrangige) Muttergesellschaft haben, sind von § 271 Abs. 2 HGB a. F. nicht erfasst. Auch im Fall des § 271 Abs. 2 Halbsatz 2 HGB a. F. sind Pflichten zur Aufstellung eines Konzernabschlusses z. B. nach dem PublG nicht ausreichend.
Eine Befreiungswirkung im vorgenannten Sinn tritt nicht ein, wenn zwar eine Konzernrechnungslegungspflicht besteht, die Aufstellung des befreienden Konzernabschlusses trotz des Vorliegens der Voraussetzungen jedoch gem. § 291 Abs. 3 HGB durch ein sog. Minderheitenvotum nicht in Anspruch genommen werden darf.
3.2.4.3 Weite Auslegung des § 271 Abs. 2 HGB
Rz. 43
Neben dieser engen wörtlichen Auslegung des § 271 Abs. 2 HGB a. F. gibt es auch Vertreter, die von einer weiten Auslegung der Bestimmung ausgehen. Unter Rückgriff auf die Intention der 7. EG-RL gehen sie davon aus, dass zum Kreis der verbundenen Unt sämtliche Unt zu rechnen sind, die als MU oder TU in einen Konzernabschluss auf dem Wege der VollKons einezogen werden könnten.
Die Unt, die mit einem Unt, das eines der beiden o. g. Kriterien erfüllt, verbunden sind, sind auch im Verhältnis zueinander verbundene Unt.
Rz. 44
Die weite Auslegung des Begriffs "verbundenes Unt" kommt dem Primat einer einheitlichen Begriffsverwendung deutlich näher, weil die unterschiedliche Beurteilung individueller Konzernkonstellation weniger Bedeutung hat. Wird das Oberziel darin gesehen, dass ähnliche Konzernstrukturen auch zu einer vergleichbaren Rechenschaftslegung führen, so ist das nur mit einem weiten Auslegungsverständnis zu realisieren. Befürworter dieser Auslegungsvariante argumentieren u. a. damit, dass es im Zuge der weiter steigenden Internationalisierung des Wirtschaftsgeschehens für die Berichterstattung unerheblich sein muss, ob die übergeordnete Muttergesellschaft ihren Sitz im In- oder Ausland hat. Da die Notwendigkeit einer weitergehenden Differenzierung ihren Ausgangspunkt in einer möglichst transparenten Information der Jahresabschlussadressaten hat und Geschäfte zu marktfernen Konditionen sowohl zwischen inländischen als auch zwischen in- und a...