Prof. Dr. Stefan Müller, Lina Warnke
4.1 Aus anderen Vorschriften ableitbare Grundsätze
Rz. 162
Über die in § 252 HGB explizit oder implizit verankerten (Bewertungs-)Grundsätze mit nachgelagerter Normen-Rangfolge (Rz 18) hinaus hat der Gesetzgeber weitere allgemeine Bewertungsgrundsätze in den Spezialvorschriften der §§ 253 ff. HGB verankert. Zu diesen zählen etwa das Anschaffungs-/Herstellungskostenprinzip (zur Bewertung mit den AHK s. § 253 Rz 17 f.; zur AK-Ermittlung § 255 Rz 1 ff. und zur HK-Ermittlung § 255 Rz 79 ff.) oder das strenge/gemilderte Niederstwertprinzip (§ 253 Rz 19).
4.2 Grundsatz der Methodenbestimmtheit
Rz. 163
Der Grundsatz der Methodenbestimmtheit enthält die Vorgabe zur Ermittlung von Wertansätzen von VG und Schulden unter konsistenter Anwendung einer bestimmten Bewertungsmethode. Gemeint ist damit, dass bei einem vorliegenden Methodenwahlrecht kein Zwischenwert aus den verschiedenen möglichen Methoden angesetzt werden darf, es also zu keiner Durchmischung der Methodenergebnissen kommt. KapG unterliegen dabei nach § 284 Abs. 2 Nr. 1, 2 HGB zudem der Pflicht zur Angabe der angewendeten Bewertungsmethode (§ 284 Rz 29 ff.).
4.3 Grundsatz des Willkürverbots
Rz. 164
Der Grundsatz des Willkürverbots, der sich auf die Bewertung bezieht, ist nicht explizit kodifiziert. Er ergibt sich aus dem Gesamtkonstrukt der GoB im Allgemeinen und aus den Bewertungsgrundsätzen – etwa des § 252 Abs. 1 Nr. 4, 6 HGB – im Speziellen. Der fehlenden expliziten Normierung und der entsprechend fehlenden Ausgestaltung qua Gesetz geschuldet, gibt es allerdings keine eindeutige Definition von Willkürfreiheit. Auch im Schrifttum ist keine einheitliche Definition vorzufinden, wobei diese in vielen Fällen zumindest im Kern zum gleichen Ergebnis führen. So wird unter einer willkürfreien Bewertung etwa verstanden, dass diese realitätsnah und nach Auffassung des Kfm. zutreffend ist. Ebenfalls zu finden sind Forderungen nach plausibel begründbaren/argumentierbaren Wertansätzen oder objektiven Ansätzen i. S. e. intersubjektiven Nachprüfbarkeit. Wirkliche Lösungsansätze bieten diese Definitionen freilich nicht. Letztendlich wird ein undefinierter Grundsatz mit einer ebenso schwer greifbaren Auslegung umschrieben. Dabei zeigen die i. E. kaum konkreteren Definitionen, dass im Zusammenhang mit dem Grundsatz weder von Objektivität noch davon gesprochen werden kann, dass hier ein Grundprinzip ohne Spielräume vorliegt.
Letztlich soll als Ergebnis der Definitionsbestrebungen zumindest ein willkürfreier Jahresabschluss vorliegen, wenn er frei von sachfremden Erwägungen ist. Zu diesen sollen etwa die Berücksichtigung von Auswirkungen auf die Ertragslage oder den ausschüttungsfähigen Gewinn zählen. Diese Forderung nach letztlicher Freiheit des Jahresabschlusses von bilanzpolitischen Maßnahmen dürfte aber dazu führen, dass kaum ein Abschluss in der Praxis unter Einhaltung des Grundsatzes erstellt wird.
Mitunter wird darüber hinaus aufgeführt, dass es – wenn auch als Ausnahmen – Fälle gibt, in denen qua Spezialvorschrift zwei Bewertungsmethoden zur Verfügung stehen, aber eine dieser Methoden nicht angewendet werden darf, wenn bzw. weil sie dem Grundsatz der Willkürfreiheit widerspricht. Dem ist grds. zu widersprechen. Sieht eine Spezialvorschrift ein Bewertungswahlrecht vor, bedarf es keiner Konkretisierung oder Ergänzung mangels expliziter Regelung durch einen Grundsatz. In diesen Fällen greifen die Grundsätze nicht und besitzen keinesfalls Vorrang vor den Spezialvorschriften (zum Anwendungsvorrang der Spezialvorschriften und der sich daraus ergebenden handelsrechtlichen Normen-Rangfolge vgl. Rz 18).
Indes ist von Willkürfreiheit zu sprechen, wenn "sachfremde" Erwägungen i. S. bilanzpolitischer Maßnahmen den Jahresabschluss beeinflussen, solange sich diese im Rahmen legaler Maßnahmen bewegen. Ebenfalls nicht dem Grundsatz der Willkürfreiheit widersprechend ist die grds. freie Wahl zwischen zwei explizit gewährten Bewertungswahlrechten.
Rz. 165
I. E. ist u. E. stets von einer Einhaltung des Grundsatzes zu sprechen, wenn Bewertungsentscheidungen begründet sind, wobei eben bereits eine subjektive Begründung ausreichend ist, da Objektivität in diesen Fällen ohnehin in der Praxis nie gegeben ist und diese Forderung/Diskussion rein akademischen Charakters ist.
4.4 Grundsatz der Wirtschaftlichkeit
Rz. 166
Der eng mit dem Grundsatz der Wesentlichkeit (Rz 171 ff.) verknüpfte Wirtschaftlichkeitsgrundsatz spiegelt den dominierenden Sachzwang des wirtschaftlichen Handelns unter Abwägung der Kosten-Nutzen-Aspekte wider. Die im Umkehrschluss aus dem Grundsatz ableitbare Option zum Verzicht auf die Darstellung von Sachverhalten i. R. d. Rechnungslegung a...