4.1 Wahlrecht
Rz. 19
§ 250 Abs. 3 HGB gibt dem Bilanzierenden ein Wahlrecht, den Unterschiedsbetrag zwischen dem Ausgabebetrag und dem höheren Erfüllungsbetrag von Verbindlichkeiten (Disagio) als aktiven Rechnungsabgrenzungsposten auszuweisen und in der Folge planmäßig aufzulösen. Bei Nichtausübung des Wahlrechts ist das Disagio sofort in voller Höhe aufwandswirksam zu erfassen.
Aufgrund des Gebots der Ansatzstetigkeit (§ 246 Abs. 3 HGB) ist die früher zulässige sachverhaltsbezogene oder auch nur für einen Teilbetrag des Disagios vorgenommene Wahlrechtsausübung nicht mehr zulässig. Ohnehin ist die Ausübung nur im Zeitpunkt der Darlehensausgabe möglich; eine Nachaktivierung von ursprünglich nicht aktivierten Disagien in Folgejahren ist unzulässig.
Das Wahlrecht gilt nicht nur für die im Fall von Darlehens- oder Anleiheaufnahmen vereinbarten Disagien, sondern für alle Arten von Verbindlichkeiten. Bei Zero-Bonds ist allerdings eine abweichende Bilanzierungsweise zu beachten, nämlich die Passivierung des Ausgabebetrags und ratierliche "Zuschreibung" der Zinsverpflichtung. Die Anwendung dieser Effektivzinsmethode soll nach der hier vertretenen Auffassung nicht nur für Zero-Bonds, sondern auch für andere bei Zugang bzw. Begebung in wesentlichem Umfang nominell unterverzinslichen Fremdkapitaltitel gelten.
4.2 Unterschiedsbetrag aus Erfüllungs- und Ausgabebetrag
Rz. 20
Der Gesetzeswortlaut spricht von einem Unterschiedsbetrag zwischen Ausgabe- und (höherem) Erfüllungsbetrag. Hierunter fällt das sog. Ausgabedisagio sowie ein Rückzahlungsagio.
Unter Erfüllungsbetrag ist der Betrag zu verstehen, der gem. den Vertragsvereinbarungen am Ende der Laufzeit oder zu bestimmten, vertraglich im Voraus definierten Zeitpunkten vom Schuldner zu leisten ist (§ 253 Abs. 1 Satz 2 HGB). Der Ausgabebetrag ist der Betrag, der dem Schuldner gem. der Kapitalüberlassungsvereinbarung zu Beginn der Laufzeit oder – eher ungewöhnlich, aber nicht unmöglich – zu im Voraus bestimmten Zeitpunkten vom Gläubiger zufließt.
Rz. 21
Die Einbeziehung weiterer Aufwendungen, die an den Gläubiger geleistet werden, wie z. B. Bearbeitungs- und Verwaltungsgebühren sowie Gebühren aus der Ausgabe von Anleihen in den Unterschiedsbetrag, ist umstritten. Zu beachten ist hierbei allerdings die Konkurrenz zu § 250 Abs. 1 HGB, d. h., eine Nichteinbeziehung von Bearbeitungsgebühren in den Unterschiedsbetrag befreit nicht von der ggf. bestehenden Aktivierungspflicht, diese nach Abs. 1 als transitorischen Rechnungsabgrenzungsposten abzugrenzen (Rz 7 ff.).
Rz. 22
Unstrittig ist, dass Geldbeschaffungskosten, die im Zuge der Darlehensaufnahme durch Zahlungen an Dritte entstehen (z. B. Vermittlungsprovisionen), nicht in den Unterschiedsbetrag einzubeziehen sind.
4.3 Abschreibung
Rz. 23
Der Unterschiedsbetrag ist nach § 250 Abs. 3 Satz 2 HGB planmäßig abzuschreiben, wobei die Verteilung auch auf kürzere Laufzeiten als auf die Gesamtlaufzeit vorgenommen werden kann.
Ist ein ggü. der Kreditlaufzeit kürzerer Zinsbindungszeitraum vereinbart und wird das Disagio als vorausgezahlter Zinsaufwand interpretiert, stellt der Zeitraum, für den die Zinskonditionen festgeschrieben sind, die für die Abschreibungsberechnung maßgebliche Zeitspanne dar.
Fehlt es an einer konkreten Darlehenslaufzeit, darf die Abschreibung auf die voraussichtliche Tilgungszeit verteilt werden; aus Gründen der Vorsicht sollte dies der Zeitpunkt sein, zu dem eine Kündigung frühestens möglich ist. Entschädigungszahlungen für eine vor Ablauf der Zinsbindung erfolgte Zinsanpassung erfüllen ebenfalls den Charakter eines Disagios.
Rz. 24
Das Gebot planmäßiger Abschreibung erfordert, dass zu Beginn des Abschreibungszeitraums ein Plan aufgestellt wird, von dem im Regelfall nicht abgewichen werden darf. Wird während des Abschreibungszeitraums die Darlehensdauer verkürzt, ist eine Planberichtigung erforderlich. Bei einer Verlängerung des Darlehenszeitraums ist eine Planberichtigung möglich, aber nicht erforderlich.
Es gibt keine vorgeschriebenen Abschreibungsmethoden. In jedem Fall muss aber jährlich eine Abschreibung er...