Klaus Bertram, Prof. Dr. Sabine Heusinger-Lange
4.2.1 Gemildertes Niederstwertprinzip
4.2.1.1 Grundsatz
Rz. 216
Für AV schreibt § 253 Abs. 3 Satz 5 HGB eine außerplanmäßige Abschreibung auf den niedrigeren beizulegenden Wert vor, wenn es sich um eine voraussichtlich dauernde Wertminderung handelt. Nur vorübergehende Wertminderungen berechtigen im Sachanlagevermögen und im immateriellen Anlagevermögen nicht zu einer außerplanmäßigen Abschreibung (gemildertes Niederstwertprinzip). Im Finanzanlagevermögen besteht in diesem Fall ein Abwertungswahlrecht, das dem Stetigkeitsgrundsatz (§ 252 Rz 141) unterliegt.
Rz. 217
Die Vorschriften zur außerplanmäßigen Abschreibung finden gem. § 253 Abs. 1 Satz 4 HGB keine Anwendung auf VG des AV, die als saldierungspflichtiges Deckungsvermögen i. S. v. § 246 Abs. 2 Satz 2 HGB zum beizulegenden Zeitwert bewertet werden (Rz 117). VG des AV, die als Grundgeschäft oder Sicherungsinstrument zu einer Bewertungseinheit i. S. v. § 254 Satz 1 HGB gehören, unterliegen einzeln nur im Hinblick auf nicht abgesicherte Risiken dem Niederstwertprinzip (zu den Voraussetzungen für eine Qualifikation als Bewertungseinheit vgl. § 254 Rz 10).
Rz. 218
Während planmäßige Abschreibungen i. S. v. Abs. 3 Satz 1 nur für VG des AV vorgesehen sind, deren Nutzung zeitlich begrenzt ist, gelten Satz 5 und 6 der Vorschrift für sämtliche VG des AV.
Ein unbebautes Grundstück des AV unterliegt keiner planmäßigen Abschreibung. Gleichwohl ist an jedem Abschlussstichtag zu untersuchen, ob der beizulegende Wert voraussichtlich dauerhaft unter den Buchwert gesunken ist, womit sich das Erfordernis einer außerplanmäßigen Abschreibung ergäbe.
Gleiches gilt für das gesamte Finanzanlagevermögen. Auch hier ergibt sich kein planmäßiger Nutzenverbrauch.
Rz. 219
§ 277 Abs. 3 HGB schreibt einen gesonderten Ausweis von außerplanmäßigen Abschreibungen auf VG des AV in GuV oder ihre Angabe im Anhang vor (§ 277 Rz 7).
4.2.1.2 Beizulegender Wert
Rz. 220
Die Vorschrift ordnet den Vergleich zweier Wertansätze an, nämlich Buchwert und beizulegender Wert. Eine Definition des beizulegenden Werts enthält das Gesetz nicht. Er ist nicht zu verwechseln mit dem in § 255 Abs. 4 HGB definierten beizulegenden Zeitwert (§ 255 Rz 207). In der Praxis haben sich verschiedene Hilfswerte zur Bestimmung des beizulegenden Werts herausgebildet:
Rz. 221
- Wiederbeschaffungs(zeit)wert: Unter dem Wiederbeschaffungswert wird der Wert verstanden, zu dem ein gleichartiger (ggf. gebrauchter) VG am Markt erworben werden könnte. Der Wiederbeschaffungswert ist nur zuverlässig zu bestimmen, wenn ein Markt für derartige VG existiert. Diese Voraussetzung erfüllen nur wenige VG des AV (etwa Pkw, Grundstücke und Wertpapiere), da hier vielfach funktionierende Märkte bestehen. In der Mehrzahl der Fälle lässt sich ein Wiederbeschaffungswert nicht ermitteln, so z. B. bei Spezialmaschinen und bei Anteilen an nicht börsennotierten Ges. Bei abnutzbaren VG ist zwischen dem Wiederbeschaffungsneuwert und dem Wiederbeschaffungszeitwert zu unterscheiden. Sofern sich Letzterer am Markt nicht ermitteln lässt, kann er näherungsweise durch Abzug dem Alter des VG entsprechender planmäßiger Abschreibungen vom Wiederbeschaffungsneuwert ermittelt werden.
Rz. 222
- Rekonstruktionswert: Für VG, für die kein Beschaffungsmarkt existiert (z. B. selbst hergestellte VG), kommt anstelle des Wiederbeschaffungswerts der Rekonstruktionswert als Vergleichswert zu den (fortgeführten) AHK in Betracht. Bei seiner Ermittlung ist auf die Kosten abzustellen, die notwendig sind, um entweder ein exaktes Duplikat des VG oder einen nutzenäquivalenten VG herzustellen. In beiden Fällen ist zu prüfen, ob bei der Ableitung des Vergleichswerts Abschläge zur Berücksichtigung technischer, physischer und/oder wirtschaftlicher Veralterung geboten sind. Der Rekonstruktionswert wird verschiedentlich auch herangezogen, um den beizulegenden Zeitwert erworbener VG bei der Kaufpreisallokation zu bestimmen. Er eignet sich nicht zur Ermittlung einer Wertminderung bei VG, die einen über dem beizulegenden Zeitwert liegenden Betriebszugehörigkeitswert aufweisen, also dem Unt einen höheren Nutzen stiften, als bei ihrer Einzelveräußerung erzielbar wäre. Das kann etwa auf unternehmensindividuelle Softwarelösungen oder Mietereinbauten zutreffen.
Rz. 223
- Ertragswert: Der beizulegende Wert von VG des AV ist häufig nur anhand des Ertragswerts zu bestimmen. Hierbei handelt es sich um den Barwert der auf den Bewertungsstichtag abgezinsten zukünftigen Nettoerträge, die aus dem VG voraussichtlich zu erzielen sind. Die Methode findet insb. Anwendung zur Bewertung von Beteiligungen (Rz 264) oder bei bestimmten immateriellen VG des AV.
Rz. 224
- Discounted-Cash-Flow-Wert (DCF-Wert): Die international üblichen DCF-Methoden beruhen...