Daniel Münster, Annette Meier-Behringer
9.3.1 Ordnungsgeldverfahren gegen den Insolvenzverwalter
Rz. 67
Nach § 335 Abs. 1 HGB kann das Ordnungsgeldverfahren gegen die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs der KapG oder auch die KapG selbst durchgeführt werden.
Durch das Insolvenzverfahren wird der Insolvenzverwalter nicht zum Mitglied des vertretungsberechtigten Organs; er hat nach § 80 Abs. 1 InsO lediglich die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis inne und nimmt dabei seine Aufgaben im eigenen Namen, aber mit Wirkung für und gegen die Insolvenzmasse wahr. Dem Wortlaut nach ist der Anwendungsbereich des § 335 HGB für den Insolvenzverwalter nicht eröffnet. Gegen den Insolvenzverwalter selbst kann daher mangels gesetzlicher Grundlage kein Ordnungsgeldverfahren eingeleitet werden.
Rz. 68
Die Verpflichtung des Insolvenzverwalters zur Aufstellung und Veröffentlichung des Jahresabschlusses aus § 155 Abs. 1 Satz 2 InsO kann daher vom BfJ gegenüber dem Insolvenzverwalter nicht erzwungen werden.
Rz. 69
Der Insolvenzverwalter unterliegt jedoch der Kontrolle des Insolvenzgerichts. Nach § 58 Abs. 2 InsO kann das Insolvenzgericht gegen den Insolvenzverwalter im Fall der pflichtwidrigen Unterlassung der Offenlegung ein Zwangsgeld festsetzen. Daneben macht sich der Insolvenzverwalter nach § 60 InsO schadensersatzpflichtig, wenn er die Offenlegung des Jahresabschlusses pflichtwidrig versäumt.
9.3.2 Ordnungsgeldverfahren gegen die gesetzlichen Vertreter
Rz. 70
Nach h. M. ändert die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nichts an der Rechtsnatur der Schuldnerin und an der Organstellung innerhalb der KapG. Da die Insolvenzgesellschaft nach § 155 Abs. 1 Satz 1 InsO weiterhin zur handelsrechtlichen Rechnungslegung verpflichtet ist, haben ihre weiterhin im Amt befindlichen gesetzlichen Vertreter den Jahresabschluss für diese nach § 325 Abs. 1 und 2 HGB offenzulegen.
Daneben regelt § 155 Abs. 2 Satz 2 InsO eine eigene Verpflichtung des Insolvenzverwalters zur Offenlegung in Bezug auf die Insolvenzmasse. Beide Pflichten stehen damit nebeneinander, auch wenn der Insolvenzverwalter bei Erfüllung seiner Verpflichtung nach § 155 Abs. 2 Satz 2 InsO auch die Pflicht nach § 325 HGB erfüllt. Stehen der Insolvenzges. aufgrund des Insolvenzbeschlags nach §§ 35, 80 InsO keine Rücklagen zur Aufbringung der Rechnungs- und Offenlegungskosten mehr zur Verfügung, ist die Unterlassung der Offenlegung nicht verschuldet; die im Amt befindlichen gesetzlichen Vertreter sind nicht verpflichtet, die Erfüllung der Offenlegungspflicht aus ihrem Privatvermögen zu finanzieren.
Die Offenlegungspflicht durch die gesetzlichen Vertreter beschränkt sich in der Praxis daher auf das nicht zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen der Schuldnerin. Für dieses Vermögen ist die Verwaltungsbefugnis nicht nach § 80 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter übergegangen, sodass nach Auffassung des LG Bonn im Regelfall eine sog. Nullbilanz zu erstellen und offenzulegen ist, soweit nicht ohnehin aufgrund Freigabe durch den Insolvenzverwalter insolvenzfreies Vermögen vorhanden ist.
9.3.3 Ordnungsgeldverfahren gegen die Gesellschaft
Rz. 71
Nach § 335 Abs. 1 Satz 2 HGB kann das Ordnungsgeldverfahren auch gegen die Gesellschaft selbst eingeleitet werden.
In der Praxis hat das BfJ zunächst dem Insolvenzverwalter die Androhung und Festsetzung des Ordnungsgelds an die Ges. "c/o" zugesandt. Hierbei fehlt es an einer Zustellung am Geschäftssitz der KapG. Der Geschäftssitz der Ges. befindet sich nicht an der Anschrift des Insolvenzverwalters. In diesen Fällen fehlt es an einer ordnungsmäßigen Beteiligung der Betroffenen am Ordnungsgeldverfahren. Das BfJ verschickt nunmehr die Verfügungen an die insolvente Ges., "vertreten durch die Geschäftsführung". Entsprechend der Argumentation zu den Mitgliedern des vertretungsberechtigten Organs besteht auch hier die Offenlegungspflicht aufgrund möglichen insolvenzfreien Vermögens (Rz 66).