Zeitschiene beachten
Insofern scheint ein weiterer Differenzierungsfaktor angebracht: der Zeitpunkt der Erstellung einer Leistung im Verhältnis zum Produktionsprozess. Während die vielen Arten von Gemeinkosten zugrunde liegenden Leistungen (z. B. Verwaltung, Kantine, …) zeitgleich mit dem Produktionsprozess erfolgen, haben wir es bei anderen mit den bereits erwähnten Vorleistungen zu tun (s. Abb. 4).
Wo liegt nun eigentlich das Problem? Wieso sollten Vorleistungen wie Forschung & Entwicklung nicht wie andere Gemeinkosten im Rahmen einer Zuschlagskalkulation den Kostenträgern zugerechnet werden? Ein Blick auf die Auswirkungen auf Kostenträgerstück- und -zeitrechnung gibt Aufschluss.
Kostenträgerstückrechnung
Wenn man dem in Abb. 2 rechts dargestellten Kalkulationsschema folgt, werden F&E-Kosten analog zu den Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten auf Basis der Herstellkosten den Produkten in Form eines prozentualen Zuschlagssatzes zugeordnet. Vor dem Hintergrund der heutzutage teilweise signifikanten F&E-Kosten (s. Abb. 1) ist je nach Branche mit einem nicht unwesentlichen Zuschlagssatz zu rechnen. Aber wo ist der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Produkt und den F&E-Kosten? Die als Basis für die Kalkulation herangezogenen Plan-, Normal- oder Ist-F&E-Kosten einer Periode fallen ja für die Entwicklung zukünftiger, eventuell völlig andersartiger Produkte an. Die F&E-Kosten der in der Periode produzierten Produkte dagegen entstanden oft vor sehr langer Zeit in wahrscheinlich ganz anderer Höhe. Abbildung 5 verdeutlicht die Problematik.
Abb. 4: Kosten in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Leistungserbringung
Abb. 5: F&E-Kosten in der Periodenbetrachtung
Kostenträgerzeitrechnung
Wie sieht es dagegen nun in der Kostenträgerzeitrechnung (Deckungsbeitragsrechnung) aus? Wäre es auf dieser Ebene eventuell sinnvoll, die aktuellen F&E-Kosten als Einzelkosten aktuellen Produkten zuzuordnen? Hier spielt die Produkthierarchie eine entscheidende Rolle: Auf der untersten Ebene der Produkthierarchie, der Materialnummer, auf der ja auch die Kalkulation stattfindet, gilt dieselbe Argumentation wie in der Kostenträgerstückrechnung: Es besteht auf dieser Ebene kein ursächlicher Zusammenhang irgendeiner Art zwischen dem Einzelprodukt und den F&E-Kosten. Eine Zuordnung per Zuschlagssatz ist somit äußerst willkürlich.
Aggregierte Betrachtung
Doch die Kostenträgerzeitrechnung erfolgt i. d. R. ja nicht (nur) auf Ebene der Materialnummer, sondern auch auf aggregierten Ebenen entlang der Produkthierarchie bis hin zu produktbezogenen Geschäftsbereichen. Hier kann im Sinne einer Betrachtung relativer Einzelkosten nach Riebel auf aggregierter Ebene eine Zuordnung der F&E-Kosten als Einzelkosten zu einer Produktgruppe innerhalb einer Berichtsperiode sinnvoll sein, wenn es sich z. B. um F&E-Kosten für die Nachfolgegeneration der aktuellen Produkte handelt und ein gesamthaftes Bild der Wirtschaftlichkeit der Produktgruppe oder des Geschäftsbereichs gewünscht ist. Doch auch dieser Kostenzuordnung sind Grenzen gesetzt, denn aufgrund des langfristigen, zukunftsorientierten Charakters von F&E werden häufig Produkte ganz neuer Produktgruppen oder gar Geschäftsbereiche entwickelt, die noch gar keine Umsätze erwirtschaften. Diese können nur auf der obersten Ebene des Gesamtunternehmens zugeordnet werden.
Fehlentscheidungen vorprogrammiert
Jede Schlüsselung erscheint in diesem Zusammenhang äußerst willkürlich, oft erfolgt die Kostenzuordnung dann nach dem Tragfähigkeitsprinzip. Problematisch wird dies vor allem, wenn auf Basis der so erhaltenen Kosteninformationen Entscheidungen bezüglich Preispositionierung, Fremdvergabe der Produktion oder ähnlich wichtiger Fragestellungen getroffen werden – Fehlentscheidungen sind somit vorprogrammiert. Nun stellt sich natürlich die Frage, auf welche Art und Weise die F&E-Kosten denn nun in der Kostenrechnung berücksichtigt werden sollen – sie im Rahmen einer Vollkostenrechnung einfach unter den Tisch fallen zu lassen (s. Abb. 2 links) ist ja schließlich auch keine Lösung!