OFD Hannover, Verfügung v. 5.7.2005, S 0824 - 31 - StH 258
1. Allgemeines
Gegen einen Rechtsanwalt, Notar oder Patentanwalt, der seine Berufspflichten verletzt, kann eine berufsgerichtliche Maßnahme verhängt werden. Zuständig für die Einleitung eines berufsrechtlichen Verfahrens ist die jeweilige Berufskammer. Daneben kann die Zulassung als Angehöriger dieser Berufsgruppen unter bestimmten, gesetzlich abschließend geregelten Voraussetzungen widerrufen werden.
Insbesondere hinsichtlich der Erteilung von Auskünften und der Weitergabe von Informationen ist es von erheblicher Bedeutung, ob es sich um ein Verfahren zur Ahndung von Pflichtverletzungen oder aber um ein Rücknahme- bzw. Widerrufsverfahren handelt.
2. Berufspflichtverletzungen
2.1 Rechtsanwälte, Notare und Patentanwälte müssen ihren Beruf entsprechend den in den jeweiligen berufsordnenden Gesetzen geregelten Grundsätzen ausüben.
2.2 Hinsichtlich der Mitteilung von Berufspflichtverletzungen an die zuständigen Berufskammern gelten die Grundsätze für Steuerberater und Steuerbevollmächtigte entsprechend.
2.3 Die o. g. Berufsangehörigen haben ihren Beruf u. a. unabhängig auszuüben. Eine vollständige wirtschaftliche Unabhängigkeit kann zwar in diesem Zusammenhang nicht verlangt werden; eine unabhängige Berufsausübung erfordert jedoch ein Mindestmaß an geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen. Bei erheblichen Steuerschulden ist es vertretbar, von fehlender wirtschaftlicher Unabhängigkeit und damit der Verletzung einer Berufspflicht auszugehen. Als Anhaltspunkte können bei Rechtsanwälten, Notaren und Patentanwälten vollstreckbare Steuerschulden von mehr als 25.000 EUR herangezogen werden.
2.4 Offenbarungsbefugnis
§ 10 Abs. 1 StBerG regelt die Mitteilungsbefugnis der Finanzbehörden bei Berufspflichtverletzungen durch die in § 3 und § 4 Nrn. 1 und 2 StBerG genannten Personen und ist damit eine gesetzliche Offenbarungsvorschrift i.S. des § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO. Zum Personenkreis des § 10 Abs. 1 StBerG gehören neben Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten auch
2.5 Verfahren
Die Anweisungen in der AO-Kartei, Anhang K § 10 StBerG Karte 2, Tz. 2.3, gelten entsprechend.
3. Rücknahme bzw. Widerruf der Bestellung
3.1 Die Bestellung als Rechtsanwalt, Notar oder Patentanwalt ist u. a. dann zu widerrufen, wenn der Berufsangehörige in Vermögensverfall geraten ist. Zuständig für das Rücknahme- oder Widerrufsverfahren sind
- bei Rechtsanwälten die örtlich zuständige Rechtsanwaltskammer,
- bei Notaren der Präsident des Oberlandesgerichts,
- bei Patentanwälten das Deutsche Patent- und Markenamt.
3.2 Offenbarungsbefugnis
3.2.1 Rechtsanwälte, Notare, Patentanwälte
Im Gegensatz zu der Regelung für Steuerberater und Steuerbevollmächtigte in § 10 Abs. 2 StBerG und für Wirtschaftsprüfer/Vereidigte Buchprüfer in § 36a Abs. 2 WpO besteht für Tatbestände, die zu einem Widerruf der Zulassung als Rechtsanwalt, Notar oder Patentanwalt führen könnten, keine gesetzliche Offenbarungsbefugnis i.S. des § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO. Rechtsanwälte, Notare und Patentanwälte werden in § 10 Abs. 2 StBerG nicht genannt. Die jeweiligen Vorschriften des einzelnen Berufsrechts weisen darüber hinaus ausdrücklich darauf hin, dass eine Informationsübermittlung unterbleiben muss, wenn besondere gesetzliche Verwendungsregelungen entgegenstehen. Das Steuergeheimnis nach § 30 AO als eine solche besondere Verwendungsregelung ist – anders als in § 10 Abs. 2 StBerG oder § 36a WpO – nicht ausgenommen.
3.2.2 Die Offenbarung von Steuerschulden von Rechtsanwälten, Notaren und Patentanwälten in Rücknahme- oder Widerrufsverfahren kann aber gemäß § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO bei einem zwingenden öffentlichen Interesse in Betracht kommen. Ein solches Interesse besteht jedoch nur dann, wenn im Fall des Unterbleibens der Mitteilung die Gefahr bestünde, dass schwere Nachteile für das allgemeine Wohl eintreten und sich der „Durchschnittsbürger spontan und ehrlich entrüstet”. Wenn das Vertrauen der Allgemeinheit in die ordnungsgemäße Arbeit von Angehörigen der o. g. Berufsgruppen zutiefst erschüttert würde, kann deshalb eine Offenbarung in Betracht kommen.
Von einem zwingenden öffentlichen Interesse an der Offenbarung von Steuerrückständen bei Rechtsanwälten, Notaren und Patentanwälten kann ausgegangen werden, wenn der Berufsangehörige in vollkommen desolaten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt. Vollstreckbare Steuerrückstände von mehr als 25.000 EUR und eine nachweisbar erfolglose Vollstreckung können insoweit als Anhaltspunkte herangezogen werden.
3.3 Verfahren
Die Anweisungen in der AO-Kartei, Anhang K § 10 StBerG Karte 2, Tz. 3.3, gelten entsprechend.
Normenkette
AO 1977 § 30 Abs. 4 Nr. 2
AO 1977 § 30 Abs. 4 Nr. 5;
StBerG § 10